Edwardson, Åke (Ake) – letzte Winter, Der

Mit „Der letzte Winter“ geht offenkundig eine Ära zu Ende – und somit ist der doppeldeutige Titel von Åke Edwardsons Roman auch durchaus wörtlich zu nehmen, da sich der schwedische Autor nach dieser zehnten Episode endgültig von seinem langjährigen Wegbegleiter Erik Winter verabschieden wird. Der letzte, sehr sentimentale Fall um einige eigenartige Morde und damit einhergehende Verstrickungen ist somit vielleicht auch der zeitweilige, womöglich endgültige Abschied des mehrfach ausgezeichneten Bestseller-Schreibers von der Krimi-Bühne. Fragt sich also, ob Edwardson ihn auch mit Würde vollzieht.

_Story:_

Der Tod seines einstigen Begleiters Bergenholm lastet immer noch schwer auf Erik Winters Gemüt. Zurückgezogen und nur noch schwerlich zu motivieren verbringt der Star-Kommissar seinen Urlaub auf dem gemeinsamen Anwesen seiner Familie in der Nähe des Meeres. Doch die Idylle ist begrenzt; als eines Tages eine Leiche vor seinem Feriendomizil angeschwemmt wird, wird Winter wieder gnadenlos vom Ermittler-Alltag eingeholt.
Derweil steht auch das Morddezernat in Göteborg Kopf. Die Leiche einer Frau gibt den Beamten Rätsel auf, da die Umstände ihres Mordes kaum nachvollziehbar sind. Ihr Ehegatte behauptet, er sei morgens aufgewacht und habe seine Frau in jenem erbärmlichen Zustand aufgefunden. Für die Polizisten steht alsbald fest, dass er nicht nur der Hauptverdächtige, sondern auch der einzig mögliche Täter ist. Kurz darauf bringt ein ähnlicher Tathergang die Ermittler jedoch in Zweifel. Die aufstrebende junge Polizistin Gerda Hoffner, die ebenfalls einige düstere Kapitel ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten hat, war an beiden Tatorten zugegen und hat bereits erste Vermutungen. Eines Tages beschließt sie, ihr Wissen Erik Winter anzuvertrauen und die Ermittlungen auf diese Weise voranzutreiben. Während Winter sich endlich wieder seiner Leidenschaft hingibt und an der Aufklärung des Falles arbeitet, beginnt für seine junge Kollegin die Zeit des Grauens – sie ist zu tief eingedrungen und wird nun selber zum Spielball des Mörders …

_Persönlicher Eindruck:_

Krönender Abschluss oder erzwungener Schwanengesang? Åke Edwardson hatte es in der Hand, dem ruhmreichsten Kapitel seiner Karriere als Schriftsteller die Krone aufzusetzen und mit einem letzten Paukenschlag würdig abzutreten. Allerdings hat der Autor von „Der letzte Winter“ sich hier offenkundig zu sehr auf sein Reputation und diejenige seines Protagonisten verlassen, der ihm immerhin neun exquisite, gefeierte Fälle geliefert hat. In seiner abschließenden Geschichte knüpfen Autor und Hauptdarsteller allerdings nur noch marginal an die alten Glanzzeiten an; zu gequält die Story, zu farblos die Charaktere, zu mühevoll die gesamten Ansätze.

Bereits der Einstieg ist von einer Schwerfälligkeit begleitet, von der man sich leicht herunterziehen lässt. Winter ist gezeichnet vom schweren Verlust, sein Kontrapart Hoffner leidet unter dem Ende einer Beziehung, und die hierdurch ausgelöste Melancholie zieht sich wie ein endloser Schleier über die Handlung und gibt vor allem den kriminalistischen Inhalten kaum Spielraum. Dies versucht Edwardson damit zu kaschieren, dass er viele Eckpunkte der Story geheimnisvoll gestaltet und vor allem die Entwicklungen in den Mordfällen sehr offen gestaltet. Alles ist möglich, jede Wendung wäre nachvollziehbar. Doch gerade dadurch wirken viele Schritte schwammig und beliebig, manchmal auch weit hergeholt. Dass es die Beamten beispielsweise mehrfach nach in eine schwedische Urlaubsprovinz in Spanien zieht, scheint ein Notanker zu sein, da die Story an Ort und Stelle nicht mehr weiterkommen kann. Doch auch hier hinkt die Aufklärungsarbeit, einmal mangels Tempo, andererseits aber auch wegen der ermüdenden Schreibweise, die jeglichen Anflug von Spannung leider auch schon wieder nach wenigen Seiten killt.

Erst nach zwei Dritteln nimmt „Der letzte Winter“ etwas mehr Fahrt auf und bringt die einzelnen Puzzlestücke zusammen. Und dennoch bleibt die Erzählung relativ unspektakulär und wird dem Vermächtnis der Kriminal-Ikone Erik Winter nur sehr, sehr eingeschränkt gerecht. Und diese Lücke kann auch von seinen neuen Sidekicks nicht gefüllt werden, wenngleich Gerda Hoffner als zweite entscheidende Persönlichkeit eine ganz gute Figur abgibt. Es ist einfach nicht zu übersehen, dass Edwardson im Bezug auf seine Romanfigur deutliche Ermüdungserscheinungen aufweist und sich nicht mehr in dem Maße auf ihn und sein Umfeld einlassen kann, wie es Winter und auch die Leserschaft verdient hätten. Zu behaupten, die Story sei durchweg langweilig, wäre vielleicht übertrieben, doch sie schleppt sich sehr behäbig durch viele langatmige Kapitel, mutet im Spannungsaufbau einige Entbehrungen zu und kommt selbst im relativ reserviert ausgearbeiteten Finale nicht so recht auf den Punkt.

Insofern fragt sich, ob der Autor sich mit diesem eher halbgaren Titel überhaupt einen Gefallen getan hat. Die Möglichkeit, Winter zu begraben, hätte bereits nach dem letzten Buch bestanden, ohne hierbei offene Fragen zu hinterlassen. Derart unbefriedigend wie im zehnten Teil dieser Serie möchte man ihn nämlich nicht aus seiner Arbeit entlassen, muss aber schließlich akzeptieren, dass die Ambitionen des schwedischen Bestseller-Schreibers heuer nicht mehr ganz so groß sind, wie sie es einst waren. Oder zumindest spürt man nicht, dass dem bei der Erstellung von „Der letzte Winter“ noch so war. Die Winter-Reihe endet daher mit ihrer schwächsten Episode – und das ist unter Berücksichtigung der vielen großartigen Momente dieser fortgesetzten Geschichte, sehr bedauerlich!

|Hardcover: 512 Seiten
Originaltitel: Den sista vintern
ISBN-13: 978-3550087134|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

_Åke Edrwardson bei |Buchwurm.info|:_
[„Rotes Meer“ (Hörbuch]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5192
[„Segel aus Stein“ (Hörbuch)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5274
[„Zimmer Nr. 10“ (Hörbuch)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2792

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