Dominique Ehrhard – Condottiere (Dritte Edition)

_Historische Hintergründe_

Italien im Zeitalter der Renaissance; das angehende Bündnis ist noch in eine ganze Reihe Kleinstaaten gespalten, deren Verhältnis untereinander recht angespannt ist. Das Herzogtum Mailand und die Republiken Venedig, Genua und Florenz stehen an der Spitze der Macht und bestimmen zu großen Teilen das Geschehen. In eben jener Zeit treten die Condottiere auf den Plan, mutige Anführer stolzer Söldnerarmeen und versierte Strategen der Kriegskunst. In Windeseile wurden sie zu den gefürchtetsten Persönlichkeiten im gesamten Lande und brachten die unterschiedlichen Staaten gewaltig gegeneinander auf. Ihr Einfluss war immens, so dass es ihnen binnen weniger Jahre gelang, ihre Position durch Kriegsführung derart zu stärken, dass sie schließlich die politischen Geschicke des späteren Italiens in ihre Hände nahmen – und letztendlich ganze Dynastien bildeten, die bis heute nicht in Vergessenheit geraten sind.

_Spielidee_

In „Condottiere“ schlüpfen die Spieler nun in die Rolle der gleichnamigen Söldnerführer und eifern somit berühmten Feldherren wie Francesco Sforza und Giovanni Medici nach. Jeder Spieler repräsentiert einen der berüchtigten Condottieri und versucht, die einzelnen Kleinstaaten unter sein Regiment zu bringen. Ihm zur Seite stehen dabei nicht nur die eigenen Söldner, sondern auch allerhand motivierende Hilfskräfte, beispielsweise die Trommler oder die Heldinnen, die den Wagemut des eigenen Heeres noch einmal erhöhen. Gleichsam müssen die Condottieri jedoch auch mit den Einflüssen der Natur rechnen; im Winter beispielsweise sind selbst die stärksten Söldner kaum belastbar, wohingegen gerade jene zu Beginn des Frühlings besonders aufzutrumpfen wissen. So kämpfen sich die Condottieri durch die Jahreszeiten, stets darum bemüht, die Länder zu unterwerfen und möglichst ganze Regionen in den eigenen Besitz zu bringen. Fünf einzelne Staaten bzw. drei aneinander grenzende Gebiete reichend dabei aus, um als der Größte unter seinesgleichen aus dem Wettstreit hervorzugehen.

_Spielmaterial_

• 58 Söldnerkarten
• 3 Winterkarten
• 3 Frühlingskarten
• 6 Bischofskarten
• 3 Heldinnenkarten
• 3 Kapitulationskarten
• 12 Kurtisanenkarten
• 6 Trommlerkarten
• 16 Vogelscheuchenkarten
• 1 Condottiere-Stein
• 1 Papststein
• 1 Spielplan
• 1 Spielregel

Die Spielmaterialien von „Condottiere“ sind rein optisch betrachtet wirklich prächtig aufgearbeitet; die Grafiken der einzelnen Protagonisten spiegeln die Atmosphäre des kriegerischen Treibens adäquat wider. Allerdings ist aller Anfang schwer, weil die Erläuterungen nicht noch einmal separat aufgeführt sind und man dementsprechend erst einmal eine ausführlichere Kartenkunde betreiben muss, um sicher zu agieren. Doch dies stellt sich bereits nach wenigen Spielrunden als äußerst unproblematisch heraus.

So überwiegen letztendlich der fantastische Eindruck der tollen Grafik (darunter fällt übrigens auch der anschauliche Mini-Spielplan) sowie die optischen Genüsse, die dieses Spiel uneingeschränkt auszeichnen.

_Das Kartenmaterial_

Um sich in „Condottiere“ zurechtzufinden, ist es definitiv erforderlich, sich zunächst umgehend mit den unterschiedlichen Spielkarten auseinanderzusetzen. Im Einzelnen hat das Material dabei folgende Funktionen:

|- Söldner|

Die Söldner bilden den Stamm des Kartenmaterials. Sie entscheiden in den einzelnen Schlachten über Sieg und Niederlage. Insgesamt sind es 58 Karten mit ganz unterschiedlichen Punktewerten, von denen die Kampfstärke eines jeden Einzelnen ausgeht. Damit sind die Söldner auch das vorrangig aktive Element des Spiels.

|- Winter|

Sobald der Winter einbricht und die dies betreffende Karte ausgespielt wird, schrumpfen die Werte aller Söldner auf genau einen einzigen Punkt. Außerdem werden sofort ausliegende Frühlingskarten abgeworfen. Es lohnt sich also, den Winter auszuspielen, um damit die stärkeren Karten des Gegners quasi zu entwerten und die eigene Position indirekt zu stärken.

|- Frühling|

Konträr zum Winter ist der Frühling ein belebendes Element, von dem speziell die stärksten gerade ausliegenden Söldnerkarten profitieren. Sie sind nämlich nun weitere drei Punkte wert, welche die aufstrebende Moral und Lebenskraft symbolisieren. Außerdem verdrängt der Frühling den Winter und eignet sich somit bestens zum Konter.

|- Bischof|

Wer den Bischof ausspielt, darf damit die höchste ausliegende Söldnerkarte aus dem Spiel nehmen. Sollte diese also ein Kontrahent besitzen, erscheint dieser Zug schon einmal als lohnenswert. Des Weiteren ermöglicht der Bischof das Verrücken der Papstfigur. Dort, wo nämlich der Papst seine Audienz hält, darf keine Schlacht ausgeführt werden. Im Hinblick auf die Siegbedingungen, dass bereits drei angrenzende Staaten zum Gewinn des Spiels reichen, sollte man also auch hiermit taktieren.

|- Heldin|

Die Heldin ist unabhängig und wird weder von den Jahreszeiten noch vom Einfluss des Bischofs beeinträchtigt. Sie hat einen festgelegten Kampfwert von zehn Punkten und ist dementsprechend besonders wertvoll – in jeder Schlacht!

|- Kapitulation|

Wer diese Karte ausspielt, zieht sich vom Kampf zurück, kann ihn aber wider jegliche Erwartung dennoch gewinnen. Die Kapitulation beendet nämlich die Schlacht und erklärt denjenigen, der die größte Kampfstärke aufweist, zum Sieger, also möglicherweise auch den, der die Karte ausgespielt hat.

|- Kurtisane|

Die Kurtisanen nehmen ebenfalls an der Schlacht teil, haben jedoch nur eine Kampfstärke von einem Punkt. Dennoch lohnt es sich, sie teilhaben zu lassen, denn der Spieler, der die meisten Kurtisanen zum Kampf beiträgt, darf im Anschluss den Condottiere-Stein weitersetzen – dies ist sonst nämlich immer dem Gewinner der Schlacht vorbehalten. Und da der Condottiere-Stein bestimmt, wo als nächstes gekämpft wird, sollte man diese Option immer wieder in Betracht ziehen.

|- Trommler|

Der Trommler ermutigt die eigene Schlachtreihe, noch schonungsloser zu streiten. Somit verdoppelt sich unter seinem Einsatz die gesamte Kampfkraft des eigenen Heeres – sicher keine schlechte Eigenschaft …

|- Vogelscheuche|

Die Vogelscheuche ist das Bluff-Element des Spiels; sie erlaubt es, eigene Söldnerkarten zurück auf die Hand zu nehmen, was gerade dann sinnvoll erscheint, wenn ihr Einsatz mit einem Mal überflüssig erscheint. So können beispielsweise 10er-Söldner vor Einbruch des Winters befreit werden.

_Spielvorbereitung_

Sobald man die Karten nun etwas genauer studiert hat, kann das eigentliche Spiel beginnen. Vor der ersten Runde wird der Spielplan ausgebreitet; jeder Spieler erhält die Herrschaftssteine in seiner Farbe und legt diese vor sich ab. Der jüngste Spieler nimmt den Condottiere-Spielstein an sich und teilt nun an jeden Spieler verdeckt zehn Karten aus. Schließlich setzt er den Stein auf ein Feld seiner Wahl; dort findet nun die erste Schlacht statt.

_Spielablauf_

Das Spiel gliedert sich insgesamt in drei aufeinander folgende, festgelegte Phasen, die wie folgt konstituiert sind:

|1.) Schlacht beginnen|

Der Spieler, der den Condottiere-Spielstein besitzt, wählt eine Region aus, in der die nächste Schlacht stattfinden soll.

|2.) Karten ausspielen|

Reihum spielen die Kombattanten ihre Karten aus und legen diese offen vor sich ab. Die Auslage bildet nun die eigene Schlachtreihe. Jedes Mal, wenn eine neue Karte hinzugefügt wird, nennt der jeweilige Spieler die Gesamtstärke dieser Schlachtreihe zur besseren Übersicht.

Wer sich nun entscheidet, dass keine weiteren Karten mehr ausgelegt werden sollen, hat die Möglichkeit auszusetzen. In diesem Fall dürfen die übrigen Spieler aber dennoch so lange weiter Karten auslegen, wie es ihnen beliebt. Die Schlacht ist schließlich beendet, sobald kein Spieler mehr Karten auslegen möchte. Eine andere Möglichkeit wäre das Ausspielen der ‚Kapitulation‘, die ebenfalls einen Schlussstrich unter das Kampfgeschehen setzen würde.

|3.) Schlacht beenden|

Sobald die Schlacht ihr Ende gefunden hat, vergleichen die Spieler die Kampfstärke ihrer Schlachtreihen. Derjenige mit der höchsten Punktzahl (unter Berücksichtigung aller Sonderkarten) gewinnt die Schlacht und setzt einen Herrschaftsstein auf das umkämpfte Gebiet. Dieses kann ihm nun nicht mehr genommen werden. Anschließend wird der neue Condottiere bestimmt, wobei man hier auch sehen muss, inwiefern Kurtisanen an der Schlacht beteiligt waren. Der Erwählte darf nun den Stein auf ein neues Schlachtfeld positionieren, wobei bereits erkämpfte Regionen sowie der momentane Aufenthaltsort des Papstes kategorisch auszuschließen sind. Spieler, die nun keine Söldnerkarten mehr auf der Hand haben, können optional die gesamten Handkarten abwerfen. Falls nur noch einer oder gar keiner mehr Karten auf der Hand hat, ist die Runde sofort beendet. In diesem Fall werden alle Karten neu gemischt und erneut zehn an jeden Spieler verteilt. Außerdem bekommt jeder Spieler eine zusätzliche Karte pro in Besitz gebrachte Region. Sollten allerdings noch mindestens zwei Spieler Handkarten besitzen, geht es lediglich in die nächste Schlacht, nicht jedoch in die nächste Runde.

_Spielende_

Sobald ein Spieler drei aneinander grenzende oder fünf unabhängige Staaten besitzt, hat er das Spiel gewonnen. Im Spiel zu zweit und zu dritt erhöht sich diese Zahl um jeweils eins. Nach jeder Schlacht werden also die Siegbedingungen überprüft und möglicherweise frühzeitig der Sieger gekürt.

_Persönlicher Eindruck_

„Condottiere“ machte mich zunächst sehr skeptisch; zwar schien das Spielmaterial auf Anhieb ansprechend, jedoch machte das Spiel nach der Regelkunde einen eher unspektakulären, fast schon langweiligen Eindruck, da die einzelnen Spielzüge in sich widersprüchlich aussahen. Warum sollten zum Beispiel nicht alle Spieler jedes Mal ihre Handkarten komplett abwerfen, um damit das Maximum herauszuholen und gleichzeitig neue Karten zu bekommen? Gerade diese Option stimmte mich vor der ersten Partie skeptisch. Und in der Tat; in der ersten Begegnung zu zweit bestätigten sich die diesbezüglichen Eindrücke, zumal der Schlagabtausch kaum taktisch ausfiel und einzig und allein auf das Glück bei der ersten Kartenauswahl erschien. Auch nach mehreren Partien machte ein direktes Zweierduell nur wenig Sinn, unter anderem auch, weil sich die Herrschaftssteine nicht etwas weitläufiger auf dem Spielfeld verteilten und die Siegbedingungen schnell erfüllt bzw. die dort hinführende Taktik kaum durchbrochen werden konnten.

Gänzlich andere Resultate erzielte indes die Runde im größeren Spielekreis; plötzlich offenbarte sich die zunächst versteckte Spieltiefe und widerlegte Schritt für Schritt alle skeptischen Gedanken. Nun kann es sich nämlich nicht jeder leisten, seine Karten bedingungslos auszuspielen und abzuwerfen, weil man sich somit womöglich für eine weitere oder sogar mehrere folgende Schlachten zu disqualifizieren drohte. Des Weiteren war es nun gar nicht mehr so leicht, Staaten in seinen Besitz zu bringen, die zudem auch noch aneinander grenzten. Alsbald wurden die direkte Umgebung eines gerade gewonnen Feldes nämlich schon von den anderen Condottieri besetzt, so dass man sich bereits wieder anderweitig umschauen musste – und genau dieses Element war eines der wesentlichen Bestandteile, die im Minimalkreis noch vermisst wurden. In diesem Sinne musste die einstweilige Enttäuschung im Nachhinein wieder relativiert und lediglich auf das Spiel zu zweit gemünzt werden.

Sobald jedoch mehrere Spieler an „Condottiere“ beteiligt sind, eröffnet sich ein richtig gutes, bisweilen auch strategisches Kartenspiel mit einigen interessanten Elementen und Mechanismen, die sich erst nach und nach richtig erschließen lassen und somit den anhaltenden Reiz auch im weitesten Sinne definieren. Es hängt zwar unabhängig von der Spielerzahl immer noch sehr viel davon ab, welche Karten man nachzieht, jedoch ist dennoch individuell jeder selber seines eigenen Glückes Schmied und hat auch bei Benachteiligung mit der Kartenhand gute Chancen, das Spiel noch zu seinem eigenen Vorteil zu wenden – und genau dies erfordert schließlich auch ein derartiges Kartenspiel.

Alles in allem überwiegen also doch die positiven Eindrücke, wobei einfach darauf verwiesen werden muss, dass man das Spiel auch nur dann auspacken sollte, wenn man mit mindestens drei oder vier Interessenten zugange ist. Ansonsten zeigt sich die durchaus vorhandene Spieltiefe nämlich nicht einmal im Ansatz und verwässert möglicherweise – da spreche ich nun aus Erfahrung – das positive Resümee.

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