Ekman, Kerstin – Schwindlerinnen

_Zwischen Altersweisheit und Kriminalroman_

Die erfolgreiche Schriftstellerin Lillemor Troj verbringt ihren Lebensabend finanziell abgesichert und sozial hoch angesehen als Mitglied der Schwedischen Akademie, die auch den Nobelpreis für Literatur verleiht. Als ihr Verleger ihr jedoch ein Manuskript präsentiert, von dem er denkt, sie habe es geschrieben und unter Pseudonym bei einem anderen Verlag herausbringen wollen, weil es „so ganz anders“ sei, als das, was sie sonst schriebe; der „reinste Unterhaltungsroman“ und trotzdem „Dynamit“, reißt es Lillemor den Boden unter den Füßen weg. Sie entführt das Manuskript, das so heikel ist, dass es das Verlagsgebäude auf keinen Fall verlassen sollte, und verschanzt sich schließlich zu Hause damit, um mit ungläubigem Staunen zu lesen, welche Bilanz ihre Freundin Barbro „Babba“ Andersson von ihrer beider Leben und ihrer schriftstellerischen Kooperation zieht. Sehr schnell wird in Kerstin Ekmans Roman „Schwindlerinnen“ klar, dass nicht Lillemor die zahlreichen erfolgreichen Kriminalromane geschrieben hat, sondern ihre Freundin Babba.

_Die 80-jährige Autorin_ Kerstin Ekman ist wie ihre Protagonistin Lillemor Troj eine der ganz Großen der schwedischen Literatur und Mitglied der Schwedischen Akademie. Mit „Schwindlerinnen“ hat sie ein kritisches Resümee unter ein halbes Jahrhundert im Literaturbetrieb gezogen. Der Originaltitel „Das große Finale in der Schwindlerbranche“ macht dieses Ansinnen noch deutlicher. So „schwindelt“ man in der Welt ihres aktuellen Romans nicht nur beim „Erfinden“ von Charakteren und Handlung, sondern auch indem man der realen Welt eine Schriftstellerfigur bietet, wie diese sie sich vorstellt.

Die unattraktive Außenseiterin Babba hat früh in ihrem Leben erkannt, das der Text nur eine Seite des Erfolgs ist, und sich die naive, gutbürgerliche und vor allem hübsche Lillemor ausgesucht, um sie als Alter Ego zu benutzen, das ihr Bild und ihr öffentliches Leben hingeben soll, um Babba das Publizieren ihrer Texte zu ermöglichen. An dieser Stelle setzt Ekmans Kritik am Literaturbetrieb an. Talent allein genügt nicht, um erfolgreich zu werden. Es braucht vielmehr eine attraktive Erscheinung, Präsenz in den Medien und Charme, um die Verleger und die Öffentlichkeit für die Person zu begeistern. Diesen schizophrenen Zustand, der vielen Autoren zu schaffen machen dürfte, die sowohl Ruhe und Abgeschiedenheit zum Schreiben als auch gleichzeitig das Licht der Öffentlichkeit für den Erfolg ihrer Bücher brauchen, zeigt Ekman in ihrem Roman, indem sie die Person der Autorin zweiteilt. Lillemor, die ihre Skrupel hinsichtlich dieser unheiligen Allianz nie verlassen, genießt trotzdem die Zeit im Rampenlicht und entwickelt im Laufe ihres Lebens ein Verständnis für Literatur, das sich grundsätzlich von Babbas unterscheidet. Daher ist Lillemor letztlich nicht nur Babbas Vertretung in der Öffentlichkeit, sondern ihr Arbeitsanteil an den Romanen dient dazu, diese zu glätten, sprachlich sowie inhaltlich abzurunden und überhaupt druckbar zu machen. Die Frauen werden zu Symbionten, die einander brauchen, um erfolgreich zu sein, und an dem Punkt angekommen, an dem Lillemor tatsächlich mit der Zweckgemeinschaft Schluss gemacht hat, sieht es so aus, als wolle sich Barbro Andersson nun dafür rächen.

Lillemor liest Babbas Sicht ihrer beider Leben als das vorliegende Romanmanuskript. Ihre eigene Sicht erfährt der Leser aus den Kapiteln, die das Gelesene reflektieren. Der Leser erkennt die Einseitigkeit von Babbas Schilderungen zum Beispiel an der Unterstellung, dass Lillemor jeglicher kreativer Anteil an den Romanen abgesprochen wird oder daran, dass ihr unterstellt wird, sie habe Baba mit derem Lebensgefährten betrogen. Es wird deutlich, dass beide Frauen ihr Leben stets dem Lügennetz unterordnen mussten, das sie sich selbst gesponnen hatten. Vor allem Lillemor, die vom Leben eigentlich nichts weiter wollte, als sich eine bürgerliche Existenz mit einer vorzeigbaren Familie aufzubauen, fürchtete ständig, entdeckt zu werden. Sie versuchte nicht nur einmal, vor Babba und der Öffentlichkeit zu flüchten und sich zurückzuziehen. Das Wort Freundschaft erscheint in diesem Zusammenhang euphemistisch. Trotzdem ist es einzig diese, sowohl von Freude und Überschwang hinsichtlich der Erfolge als auch von Unsicherheit und Angst vor der Entdeckung geprägte, Beziehung zwischen den beiden Frauen, die alle Jahre überdauert. Männerbeziehungen hingegen scheitern an den verschiedensten Umständen.

_Als Leser wird man_ in den Strudel aus Enttäuschung, Empörung und Rachegefühlen hineingezogen und hat permanent das Gefühl, es würde gleich ein Mord passieren. Doch statt Giftpilzmorde zu inszenieren, was man der resoluten und intriganten Babba zutrauen könnte, verliert Ekmans autobiografisch angehauchter Roman sich im Erzählerischen und in Reflexionen über das Wesen von Literatur sowie Betrachtungen über das Verwenden von Wörtern wie „Natur“ oder „Umwelt“. Über weite Strecken werden Lebensabschnitte auserzählt, die mit der eigentlichen Handlung wenig zu tun haben, den Roman aber vermutlich in der Lebenswelt Schwedens verankern sollen. Dabei gehen Ekman jedoch der Schwung und die Spannung des Anfangs verloren. Sie kehren erst in den letzten Kapiteln des Romans zurück, die wieder die Atmosphäre eines Kriminalromans beschwören, bis am Ende alles doch ganz anders kommt, als man zu ahnen glaubt. Ein gutes Buch, aber kein Muss.

|Gebundene Ausgabe, 448 Seiten
Originaltitel: Grand Final i Skojarbranschen
Ins Deutsche übertragen von Hedwig M. Binder
ISBN 978-3492055444|
http://www.piper-verlag.de

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