Festa, Frank (Hg.) – Omen 3 – Das Horror-Journal

_Geduld zahlt sich (manchmal) aus_

Was lange währt, wird endlich gut, und was RICHTIG lange währt, wird manchmal sogar besser: Fünf Jahre liegen zwischen der zweiten und dritten „Omen“-Ausgabe, was durchaus ein Rekord sein könnte. „Omen 3“ ist damit auch trotziger Ausdruck einer Hartnäckigkeit, die dem Herausgeber durch ökonomisch schwere Zeiten geholfen hat. In den vergangenen Jahren war das Festa-Schiff in stürmisches Wetter geraten, das im Verlagsprogramm manchen angekündigten Titel spurlos versinken ließ. Herausgeber Frank Festa fasst die Problematik in seinem Vorwort zu „Omen 3“ knapp aber schlüssig in diese Worte: |“Aber so ist das Leben, genau so. Der Horror.“|

Die dritte „Omen“-Ausgabe blieb stets im Programm. Dass sie schließlich veröffentlicht wurde, darf man wie gesagt als Geste berechtigten, auch persönlichen Triumphes sowie – hoffentlich – als Indiz für eine Konsolidierung des Festa-Verlags werten, ohne dessen Bücher der deutsche Grusel-Fan fast gänzlich in einem von zahnlosen Vampir-Lovern bevölkerten Trash-Sumpf gefangen säße: eine schreckliche Vorstellung!

Inhaltlich blieb es bei der bewährten „Omen“-Mischung aus Kurzgeschichten und Artikeln, wobei primär im Verlagshaus Festa beheimatete oder dort kurz vor dem Einzug stehende Schriftsteller zu Wort kommen; eine legitime Selektion, da diese Mieter einerseits ihr Handwerk verstehen, während der Leser andererseits gern Näheres über sie bzw. ihre Werke wissen möchte.

Zudem beschäftigt sich der mit Abstand beste Beitrag dieses Bandes mit einem Non-Festa-Autoren (ein Zustand, der sich hoffentlich irgendwann ändern wird): Der Künstler und lebenslange Freund John Mayer erinnert (sich) in „Die dunkle Muse von Karl Edward Wagner“ an das tragische Schicksal dieses Horror- und Fantasy-Autoren, der den ungewöhnlichen |Sword-&-Sorcery|-Barbaren Kane schuf. Sein Text ist ebenso informativ wie ergreifend, da Mayer, der selbst auf ein schwieriges Leben zurückblickt, immerhin ansatzweise begreiflich machen kann, wieso ein talentierter Mensch wie Wagner sich selbst zugrunderichtete.

|Diverse Oden an Mr. Lumley|

„Omen 3“ ist seitens des Herausgebers ansonsten dem britischen Schriftsteller Brian Lumley gewidmet. Es gibt ein (inzwischen tüchtig angejahrtes) Interview mit ihm, dessen „Necroscope“-Saga wohl den zentralen Stützpfeiler des Festa-Verlagsprogramms bildet. Lumley gibt Auskunft über die Genese dieser vielbändigen Erfolgsserie und seine zahlreichen weiteren Werke. Herausgeber Festa erinnert sich in „Something about Brian“ an seine persönliche Verbindung mit Lumley, der ihm längst ein Freund geworden ist.

Ein weiterer Freund, der aus der Schweiz stammende Komiker Helmi Sigg, legt die Fan-Story „Silberne Ketten – Aus dem Leben von Brian L.“ vor, die möglicherweise tatsächlich komisch ist – der Rezensent ist zwar anderer Ansicht, beansprucht in dieser Hinsicht aber keine Urteilshoheit -, aber immerhin kompetent geschrieben Lumleys reales Leben mit der „Necroscope“-Reihe verknüpft und ungeahnte Parallelen enthüllt.

Der so Geehrte trägt drei frühe und vor allem unbekannte Storys bei. Während „Die Vorlesung“ auf einen Schlussgag hinausläuft, dessen Bart mindestens ebenso lang wie die Geschichte der modernen Phantastik ist, stellen „Die Muschel aus Zypern“ und „Die Tiefseemuschel“ zwei spannende Gruselgeschichten dar, die sich aufeinander beziehen und in „Omen 3“ wie die Schalen einer echten Muschel als erster und letzter Beitrag die übrigen Interviews, Berichte und Storys umschließen: eine hübsche Idee, die gut funktioniert.

|Deutsche Phantastik einst|

Wenn man die übrigen Erzählungen Revue passieren lässt, wirkt „Omen 3“ wie ein Nachtrag zur (leider) eingestellten Festa-Reihe „Die bizarre Bibliothek“. Vor allem Karl Hans Strobls (1877-1946) recht ausführliche Erzählung „Der betrogene Tod“ aus dem Jahre 1924 erinnert an die große Tradition der deutschen Phantastik, die durch den auch kulturellen Nazi-Terror einen Schlag erhielt, von dem sie sich nie wirklich erholte bzw. zu der sie den Anschluss nach 1945 nicht mehr fand. „Der betrogene Tod“ bietet nicht nur eine gruselige Geschichte, sondern auch ein Feuerwerk selten gewordener oder ausgestorbener Wörter und Formulierungen. Was sich anfangs mühsam liest, entfaltet schnell einen eigenen Zauber: Diese Geschichte wirkt heute noch mehr als 1924 wie eine Überlieferung aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges!

Was diese deutsche Phantastik auszeichnet, erläutert Strobls‘ Zeitgenosse Anton Altrichter (1882-1954) in einem Nachwort, das Frank Festa dessen Erzählung anschließt. Dieser Beitrag ist doppelt interessant: als Information und als historisches Dokument, wobei heute diese beiden Ebenen nicht voneinander zu trennen sind bzw. getrennt werden dürfen. Leider fehlt ein moderner Blick auf Strobl und Altrichter, die beide ihr Leben und Wirken ab 1933 eng mit dem Nationalsozialismus verknüpften. Altrichters Beitrag lässt entsprechendes „völkisches“ Gedankengut durchscheinen, und auch Strobl mischt bereits „Blut-&-Boden“-Elemente in seine Version der Vergangenheit.

Thematisch breiter geht Jakob Elias Poritzky (1876-1935) – der eigentlich Isak Porycki hieß – in seinem Beitrag „Fantasten“ auf zeitgenössische deutsche und europäische Autoren ein. Er weiß die eigentümliche Mischung aus Verfremdung, Halluzination und schwüler – schnell schwülstiger – Erotik deutlich zu machen, die Autoren wie Hanns Heinz Ewers, Karl Heinz Strobl, Alfred Kubin und andere kennzeichnen. Zudem legt Poritzky die Wurzeln solcher „bizarren Phantastik“ offen und folgt ihnen bis ins Mittelalter. Leider fehlt auch hier eine aktuelle Bewertung dieses Beitrags. So bleibt Poritzkys „Fantasten“ vor allem eine – interessant zu lesende – literaturhistorische Kuriosität.

|Deutscher Horror heute|

Hatte uns Frank Festa in den früheren „Omen“-Ausgaben vor dem deutschen Grusel des 21. Jahrhunderts bewahrt, mogelt er dieses Mal (versuchsweise?) zwei (glücklicherweise) kurze Storys aus diesem unseren Lande ein. Uwe Vöhls „Nyctalus“ und Christian Endres‘ „Instinktiv“ spiegeln ein bekanntes Dilemma wider: Handwerklich durchaus kompetent geschrieben, präsentiert der eine Autor ein tausendfach erzähltes (und in zweitausend Horrorfilmen verwurstetes) „Post-Doomsday“-Garn ohne Überraschungen und mit einem tragisch gemeinten aber kalt lassenden Schlussakkord. Der andere richtet den Blick in die in die Vergangenheit und produziert eine weitere jener Lovecraft-&-Poe-Pastiches, die vor allem in sich selbst ruhen, einer deutschen Phantastik aber keine neuen Impulse bringen.

|Was haben wir noch? – Storys|

In seinen Story-Sammlungen lässt Frank Festa gern Versuchsballons steigen. Dieses Mal lernen wir mit zwei Kurzgeschichten den in Großbritannien bereits bekannten, ausschließlich unter Pseudonym arbeitenden „John B. Ford“ (*1963) kennen. Auch er stützt sich schwer auf surreale Großmeister des Genres; Thomas Owen (1910-2002), Walter de la Mare (1873-1956) oder Jean Ray (1887-1964) kommen einem in den Sinn. Herausgeber Festa vergleicht ihn mit Thomas Ligotti, doch auch diese Fußstapfen sind definitiv zu groß. Tatsächlich bieten „Die Illusion des Lebens“ und noch mehr „Der Feind in uns“ leidlich groteske Stimmungsbilder, die in eine Handlung eingebettet werden, die sich sehr oder allzu bekannter Horror-Motive bedient.

„Der Wurm von Vendren“ ist eine weitere Geschichte, die Brian McNaughton (1935-2004) in einer an Clark Ashton Smith angelehnten „Weird-Fantasy“-Welt ansiedelt, wobei McNaughton die exotische Dekadenz des Vorbilds zugunsten eines trockenen, rabenschwarzen Humors in den Hintergrund rückt. Während McNaughton mit „Ringard und Dendra“ – einer u. a. in Festas Anthologie „Necrophobia II – Die graue Madonna“ aufgenommenen Story – eher witzlos blieb, erfüllt „Der Wurm von Vendren“ die Intentionen seines Verfassers deutlich besser.

|Was haben wir noch? – Interviews|

Seit einiger Zeit orientiert sich Frank Festa teilweise neu. Zu den klassischen Verlags-Standbeinen wie Lovecraft, Lumley oder F. Paul Wilson kommen verstärkt Autoren, die den Horror entweder hemmungslos bizarr (Carlton Mellick III) oder gnadenlos blutig (Brett McBean) servieren; oft gelingt ihnen sogar beides.

In den Startlöchern steht bei Festa Edward Lee, der in den USA seit Jahren mit morbid sexuellen, exzessiv gewalttätigen Horror-Thrillern für Furore sorgt. Was den Leser erwartet, fasst Frank Festa in „Einige Gedanken zu Edward Lee“ zusammen; er dürfte recht heftig über uns kommen …

Wie man die junge US-Generation mit religiösem Gedankengut vertraut macht, erläutert uns der Theologe und Horror-Schriftsteller Kim Paffenroth. So lässt sich beispielsweise das Phänomen der Auferstehung durch den Ausbruch einer globalen Zombie-Epidemie begreiflich machen. Paffenroth scheint dies ernst zu meinen. Seine beiden im Festa-Verlag erschienenen Romane lassen sich glücklicherweise auch unter Vernachlässigung solchen Subtextes gut lesen.

Schließlich gibt noch Laurell K. Hamilton Auskunft über ihren Werdegang und ihre Erfolgsserie um die Totenlenkerin & Vampir-Henkerin Anita Blake, mit der die Autorin nachdrücklich beweist, dass sexuelle Drastik dem Genre immer noch besser bekommt als die genitalfreie Minne jener Edwards & Bellas, die den Horror immer schlimmer in Verruf bringen.

|Unterm Strich|

Abgeschlossen wird „Omen 3“ durch ein Verzeichnis der bis Oktober 2011 (tatsächlich) erschienenen Festa-Titel – eine beeindruckende Liste, die verdeutlicht, welche Akzente ein ‚Kleinverlag‘ zu setzen vermag, der nicht mit dem Mainstream schwimmt, sondern nach neuen Namen und neuen Entwicklungen sucht.

Der Leser wünscht sich ein „Horror-Journal“ wie das „Omen“ öfter, der Realist muss anerkennen, dass der Markt für solche Werke begrenzt ist. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt: Wenn das Festa-Programm schon keinen vierten Band der „Necrophobia“-Reihe mehr beinhaltet, wird es – und sei es wieder erst in Jahren – vielleicht ein „Omen 4“ geben.

Paperback: 255 Seiten
Übersetzung: Alexander Amberg, Andreas Diesel
Cover: F. Fiedler
ISBN-13: 978-3-935822-74-9
[www.festa-verlag.de]http://www.festa-verlag.de

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