Fink, Torsten – Diebin, Die (Die Tochter des Magiers 1)

_Maru ist eine Sklavin_, schon seit sie denken kann, ihre Eltern hat sie nicht gekannt. Früher hat sie in Budinien gelebt, aber jetzt befindet sie sich zusammen mit anderen Sklaven auf einem Boot des Händlers Atib. Und dieser Atib verkauft sie weiter an einen Mann namens Tasil.

Dieses Ereignis bedeutet für Maru ein völlig neues Leben. Denn Tasil will sie nicht als Küchenmagd oder Feldarbeiterin, er will sie als Gehilfin. Dumm nur, dass Tasils Geschäfte offenbar nicht ganz sauber sind. Maru gerät von einer Gefahr in die nächste, und eine ist größer als die andere …

_Tosten Finks Geschichte_ ist von Charakteren bevölkert, die faszinierend, aber nicht unbedingt sympatisch sind.

Da wäre zum Beispiel Prinz Numur, der sich mit seinem Zwillingsbruder Iddun um die Nachfolge seines gerade verstorbenen Vaters streitet. Ein eitler, rücksichtsloser und ehrgeiziger Kerl, dem so ziemlich alles fehlt, was einen guten Regenten ausmachen sollte.

Unterstützt wird er vom Hohepriester des Kriegsgottes, einem verbohrten, blindwütigen Mann, der Prinz Numur benutzt, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Dabei scheint es ihm gleichgültig zu sein, ob seine eigene Seite den Krieg gewinnt oder nicht, Hauptsache, es gibt genug Opfer für seinen blutgierigen Gott!

Der Immit – eine Art Wesir -, den der oberste Herrscher schickt, um den Streit um das Fürstentum zu schlichten, ist zwar ein mächtiger und intelligenter Mann, der sich von niemandem etwas vormachen lässt, aber es scheint ihm Spaß zu machen, mit den Leuten zu spielen, mit denen er zu tun hat. Außerdem ist er selbst durchaus nicht frei von Ehrgeiz.

Am undurchsichtigsten ist seine Frau Umati, eine junge Schönheit, deren Schmuck mehr ist als Schmuck, und die bedenkenlos alle beiseite räumt, die ihren Zielen im Weg stehen. Ob ihre Ziele dieselben sind wie die ihres Mannes, darüber lässt sich rätseln, aber selbst wenn, war ich mir nicht sicher, inwiefern ihr Tun dem dienlich sein sollte. Das macht die Frau geheimnisvoll, aber nicht unbedingt sympatisch.

Am schlimmsten jedoch war Tasil. Der Mann gibt sich als Händler aus, dabei ist er alles mögliche, nur nicht Händler. Zugegeben, er ist gerissen, aber auch ein ungeheuerlicher Lügner und Betrüger, ein eigensüchtiger, gewissenloser Intrigant, der aus allem seinen Vorteil zu schlagen versucht und bereit ist, alles und jeden dafür zu opfern. Ich mochte Tasil nicht und wartete die ganze Zeit darauf, dass es ihn erwischt oder Maru zumindest irgendwie von ihm loskommt.

Maru ist die einzige Ausnahme in diesem Haufen von gierigen Halsabschneidern. Sie ist klug und anpassungsfähig, aber sie empfindet auch Mitgefühl für andere, Abscheu vor Tasils Tun und natürlich auch Angst. Obgleich sie sich dessen bewusst ist, dass Tasil sie nur benutzt, scheint sie ihn fast ein wenig zu mögen. Das wunderte mich schon ziemlich, andererseits ist Tasil nicht direkt grausam oder unfreundlich zu ihr, und schließlich gibt es sonst nirgendwo einen Platz für sie.

So war Maru letztlich die einzige, wirkliche Sympathieträgerin der Geschichte, denn der Bruder von Prinz Numur, der dafür vielleicht ebenfalls noch in Frage gekommen wäre, spielt leider nur eine winzige Nebenrolle. Trotzdem fand ich die Charakterzeichnung hervorragend. Den Typus des eingebildeten Prinzen und seines skrupellosen Beraters gab es ja schon oft, aber selbst diese beiden wirken nicht wie Klischees. Vielleicht deshalb, weil sie sich von Tasil beschwatzen lassen. Denn obwohl das Buch eigentlich Marus Geschichte erzählt, ist doch Tasil ihr Dreh- und Angelpunkt. Ein Gauner dieses Formats ist mir bisher wirklich selten begegnet, nicht nur, weil sein Tun das Ausmaß gnadenloser Unverfrorenheit besitzt, sondern auch, weil sich in seinem Fall nicht, wie so oft, am Ende herausgestellt hat, dass der Kerl eigentlich gar nicht so übel ist. Torsten Fink ist konsequent geblieben, und das war gut so.

_Da Tasil die Handlung derart dominiert_, fehlt es der Erzählung gänzlich an epischer Breite. Nahezu alles spielt sich in der Stadt Serkesch ab. Es gibt keine Reise quer durch den Kontinent auf der Suche nach irgendetwas oder jemandem, es gibt keine Prophezeiung, keine übermächtige Bedrohung von außen. Stattdessen wird der Leser Zeuge davon, wie ein Mann einen Konflikt nutzt, um sich zu bereichern, und dabei alle Beteiligten in den Ruin treibt. Dass die Mächtigen der Stadt Tasils Einflüsterungen folgen, obwohl sie ihn eigentlich von Anfang an durchschaut haben – mit Ausnahme vielleicht von Iddun -, zeigt nur, mit welcher Skrupellosigkeit sie ihre Ziele verfolgen und welcher Mittel sie bereit sind sich zu bedienen. Man kann also beruhigt sagen, dass sie jemanden wie Tasil verdient haben.

Am Ende blieb bei mir der Eindruck zurück, Zeuge einer sehr schmutzigen und erbärmlichen Schlammschlacht geworden zu sein. Gäbe es nicht ein paar Leute mit magischen Gaben, könnte die Geschichte glatt in der Realität spielen, und ich hätte das Buch am Ende weggelegt, erleichtert, dass es zu Ende ist, und ohne den Wunsch, eine Fortsetzung zu lesen.

Tatsächlich jedoch habe ich den Wunsch, die Fortsetzung zu lesen. Denn am Ende bleiben eine Menge Fragen offen, die mit einer gewissen Beiläufigkeit nach und nach aufgetaucht sind. Diese Beiläufigkeit hat ihren Ursprung darin, dass der Autor – zugunsten der von Tasils Tun dominierten Handlung – mit fantastischen Details ausgesprochen sparsam war. Tasil beherrscht offenbar ein wenig Magie, seine Fähigkeiten scheinen allerdings ziemlich begrenzt. Aber auch die Macht der Zauberer scheint in dieser Welt nicht übermäßig groß. Zwar werden sie als mächtig beschrieben, offenbar können sie aber keinen wirklichen Einfluss auf die Realität nehmen, sondern nur Illusionen erschaffen, die dann allerdings mächtig genug sind, um zu töten. Außer den Zauberern und Tasil besitzt nur Maru Magie, denn sie durchschaut die Illusion eines Zauberers. Dem Zauberer ist das bereits aufgefallen, und auch Tasil hat einen entsprechenden Verdacht.

Welche Folgen das für Maru künftig haben wird, aber auch, wie es kommt, dass Tasil magische Fähigkeiten besitzt, obwohl er kein Zauberer ist, und was es mit dem Daimon Utukku auf sich hat oder mit dem Krabbelgetier, das sich plötzlich in gelbe Schmetterlinge verwandelt hat, all das sorgt dafür, dass das Interesse des Lesers an der Geschichte erhalten bleibt.

_Alles in allem_ kann man das Buch nur als sehr gut bezeichnen. Wen es nicht stört, dass er es nahezu ausschließlich mit Charakterschweinen zu tun hat, dem wird es niemals langweilig werden, denn Tasils dreiste Winkelzüge steigern sich ständig, wie bei einem Jongleur, der stetig weitere Bälle dazunimmt, und die Aussagen des blinden Geschichtenerzählers ebenso wie die des Daimons Utukku geben immer neue Rätsel auf. Ein wenig Geduld braucht man, bis man sich eingelesen hat, denn der Autor verwendet eine Menge eigener Wortschöpfungen, die selbst mit Glossar zunächst ein wenig für Verwirrung sorgen, aber das legt sich, und schließlich tragen diese Andeutungen einer eigenen Sprache ein wenig zu dem eher bescheidenen Hauch von fremdem Flair bei, den der Autor seinem Werk hat angedeihen lassen. Wer mit geringer Ausschmückung und mäßiger Action zufrieden ist, der kann hier durchaus auf seine Kosten kommen.

_Torsten Fink_ war Journalist und Texter, unter anderem für literarisches Kabarett, ehe er 2008 sein erstes Buch „Die Insel der Dämonen“ veröffentlichte. Er lebt und arbeitet in Mainz. „Die Diebin“ ist der erste Band seines dreiteiligen Zyklus |Die Tochter des Magiers|. Der zweite Band mit dem Titel „Die Gefährtin“ ist ebenfalls bereits erschienen.

|413 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-26631-9|
http://www.blanvalet-verlag.de

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