_Der Sohn des Sehers:_
Band 1: _Nomade_
Band 2: Lichtträger (Juli 2010)
Band 3: Renegat (September 2010)
Awin hat es nicht leicht. Der Klan, bei dem er lebt, ist nicht der seine und sein Ziehvater Curru, der ihn zum Seher ausbilden soll, putzt ihn ständig herunter. Doch dann wird der Heolin gestohlen, der Lichtstein, das Zentrum der Hakul-Kultur. Sogleich brechen die Krieger des Klans auf, um den Dieb und Grabschänder zu verfolgen und den Stein zurück zu holen. Ein Unterfangen, das unter keinem guten Stern zu stehen scheint, und auf Awin will niemand hören, am allerwenigsten Curru …
_Obwohl er bereits_ sechzehn Jahre zählt, ist Awin ein ausgesprochen unsicherer junger Bursche. Das ist auch kein Wunder, denn Curru macht nicht nur ständig Awins Leistungen schlecht, er bringt ihm auch nicht wirklich etwas bei. Die Sprüche über Geier, Wölfe und Gras, die Awin lernen muss, klingen eher nach Bauernregeln als nach echtem Sehen. Und so kommt es, dass Awin seinen durchaus beachtlichen Fähigkeiten nicht so recht traut.
Dem objektiven Leser ist dagegen von Anfang an klar, dass Curru Awin bewusst manipuliert. Er fürchtet um seine eigene Stellung im Klan, denn er spürt, dass Awin ihm in Wahrheit weit überlegen ist. Im Rahmen seiner Fähigkeiten hat er stets das Beste für den Klan getan, die Größe, einem Jüngeren und Besseren Platz zu machen, besitzt er jedoch nicht, dafür ist er zu stolz und zu eitel.
Und dann ist da noch Eri, ein hitzköpfiger Gernegroß, der zwar hervorragend austeilen kann, einstecken aber kann er nicht, und die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen ist noch viel weniger sein Ding. Sein Vater, der Yaman des Klans, ist ein weiser und gemäßigter Mann mit Weitblick und ausgeprägtem Ehrgefühl. Doch seine Söhne sind seine Schwäche. Es gelingt ihm nicht, Eri zu disziplinieren, und der Verlust seiner beiden Ältesten lähmt ihn bis zur Handlungsunfähigkeit.
Und dann sind da noch die beiden Frauen aus dem Eisland, Senis und Merege. Beide verfügen offensichtlich über magische Kräfte, doch obwohl Senis eine freundliche und hilfsbereite Frau zu sein scheint, lässt sie sich nicht in die Karten schauen und Merege ist noch zugeknöpfter.
Bisher ist die Charakterzeichnung angenehm klischeefrei geraten. Vor allem Awins allmähliche Emanzipation von Curru ist gut gemacht. Curru scheint gegen Ende des Bandes so etwas wie Ehrgeiz zu entwickeln, was kein Fehler sein muss, so lange der Autor es nicht übertreibt und seine Figur dadurch zum Typus des machtgierigen Bösewichts verkommen lässt. Eri dagegen darf noch etwas mehr Eigenständigkeit entwickeln, er erinnerte mich stark an Numur aus dem Zyklus |Die Tochter des Magiers|.
Das allein wäre kein Weltuntergang, bei der Flut an Fantasy, die ständig neu erscheint, ist es nahezu unmöglich, jegliche Ähnlichkeiten mit bereits bekannten Figuren zu vermeiden. In diesem Fall jedoch störte es mich, weil |Der Sohn des Sehers| kein unabhängiger Zyklus ist, ganz im Gegenteil. „Nomade“ spielt zeitgleich zu „Die Diebin“. Der Dieb, den die Hakul verfolgen, ist kein anderer als der Gauner Tasil. Tasil taucht selbst allerdings nicht auf, im Gegensatz zu Numur.
Torsten Fink erzählt die Geschichte diesmal quasi aus der entgegengesetzten Sicht, aus Sicht der Hakul. Und er erzählt sie so geschickt, dass man die Trilogie um Maru nicht gelesen haben muss, um dem Geschehen folgen zu können. Der größte Teil der Handlung ist von der Handlung des ersten Zyklus‘ unabhängig. Die Hakul verfolgen Tasil, doch eine Menge Widrigkeiten verhindern zunächst, dass sie ihn einholen. So bleibt eine Menge Raum für die Hakul selbst und ihre Nomadenkultur sowie das Mysterium des Lichtsteins, mit dem es offenbar mehr auf sich hat als die Legenden der Hakul berichten.
Dennoch sind beide Zyklen durch Schlüsselszenen eng miteinander verknüpft, so zum Beispiel durch die Audienz, in der Tasil beinahe auffliegt, weil die Hakul bei dem Händler, der Maru an Tasil verkauft hat, den Dolch eines der ihren entdecken. Der Autor hat sie nahtlos in den Rest der Ereignisse eingeflochten, so dass sie zur Erzählsicht Awins passen.
Dadurch hat der Autor die Geschichte des ersten Bandes nicht nur um eine Kultur und ihre eigenen inneren Konflikte und politischen Zusammenhänge erweitert, sondern er hat beide miteinander verbunden und so in Abhängigkeit von einander gesetzt. Und so, wie die Verfolgung Tasils den weltlichen Teil der Handlung ausgeweitet hat, weiten die Anwesenheit Mereges und der Heolin den mythologischen Teil aus. Allmählich dämmert dem Leser, dass hier womöglich weit mehr im Gange ist als nur menschliche Kleingeistigkeit, Hab- und Machtgier. Hier geht es um die Götter und das Schicksal der Welt.
_Sieht so aus_, als hätte sich die epische Breite diesmal sozusagen durch die Hintertür eingeschlichen. Wieviel Raum sie letztlich tatsächlich beanspruchen wird, bleibt abzuwarten. Die Aussichten sind vorerst nicht schlecht: Awin muss zu seinem Klan zurückkehren, denn der ist in Gefahr, und das in nicht nur einer Hinsicht. Außerdem bleibt die Frage, was letzten Endes mit dem Heolin geschehen wird, auf den nicht nur die Hakul Anspruch erheben, sondern auch Merege. Und natürlich bin ich neugierig, ob Awin bei all dem womöglich zufällig Maru und Temu auf deren Suche nach Marus Vater begegnen wird. Wer weiß …?
_Torsten Fink war_ Journalist und Texter, unter anderem für literarisches Kabarett, ehe er 2008 sein erstes Buch „Die Insel der Dämonen“ veröffentlichte. |Die Tochter des Magiers| war sein erster Mehrteiler, an den jetzt |Der Sohn des Sehers| anknüpft. Die beiden Folgebände von „Nomade“ erscheinen noch 2010 unter den Titeln „Lichtträger“ und „Renegat“.
|Taschenbuch: 461 Seiten
ISBN-13: 978-3442266913|
_Torsten Fink bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Diebin“ 5775
[„Die Gefährtin“ 5950
[„Die Erwählte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5951