_Zwischen Alhambra und König Salomo_
Die Königin von Saba – gab es sie wirklich? Während Historiker sich nach wie vor uneins über die Existenz der orientalischen Monarchin sind, haben die beiden Spielautoren Knut Happel und Christian Fiore kurzerhand beschlossen, die Diskussionen vorerst ruhen zu lassen und dieses faszinierende Thema für ein gemeinsames Brettspielprojekt zu verwenden.
In „Saba – Palast der Königin“ wetteifern zwei bis vier Spieler um die Gunst der sagenumwobenen Herrscherin und beteiligen sich am Bau ihrer Gemächer. Baustoffe müssen herbeigeschafft und verschiedene Fronten erst errichtet werden, um genügend Einfluss und somit die Gunst der Königin zu erlangen. Schließlich trachtet jeder Einzelne danach, den Posten des königlichen Großwesirs einzuheimsen – und dies wird am Ende nur derjenige schaffen, der im ständigen Wettstreit die geschicktesten Strategien einsetzt.
_Spielidee_
Der Palast der Königin existiert bislang nur als Rohbau und soll in der Folge mit Torbögen, Brunnen und Säulen ausgestattet werden. Doch jedes dieser Bauteile erfordert den Einsatz unterschiedlichster Rohstoffe, die von den Spielern im Hafen oder mittels einer Aktionskarte in Besitz genommen werden. So wetteifert man Runde für Runde um die Palastbaukarten und versucht, seine Mittelsmänner durch die Errichtung der einzelnen Bauelemente auf den Balkon des Palastes zu setzen. Ziel ist es nämlich, die meisten Balkonfelder am Schluss der Spiels zu besetzen, weil hier auch der Einfluss markiert wird. Doch auf dem Balkon ist niemand sicher, denn sobald ein höherwertiges Element an die jeweilige Stelle platziert wird, müssen die Spielfiguren auch schon wieder entfernt werden bzw. dem neuen Spieler weichen. Nur derjenige, der eine Säule und damit den letzten Palastteil an einem der acht Bauplätze positioniert, kann sich der Gunst der Königin an dieser Stelle sicher sein.
Im Spiel kommt es jetzt zur Rangelei um die Palastteile, erschwert dadurch, dass einzelne dieser Teile plötzlich verfallen und nicht mehr verwendbar sind. Ziel eines jeden Spielers sollte also sein, sich auf dem Balkon des Palastes zu erweitern und seine festen Plätze auf dieser Ebene zu verteidigen. Auch eine Unterbringung in der Schatzkammer ist sinnig, da man dort bis zum Ende sicher ist und eine dortige Positionierung ebenfalls in die Wertung mit einfließt. Wer nach der Verwendung der letzten Palastbaukarte die meisten Figuren im Palast untergebracht hat, gewinnt schließlich das Spiel – leichter gesagt als getan!
_Spielmaterialien_
• 1 Spielplan
• 1 Satz Palastbausteine
• 8 Torbögen
• 8 Säulen
• 8 Brunnen
• Jeweils 8 Spielfiguren in vier Farben
• Jeweils 5 Serailmarker in vier Farben
• Jeweils 15 Rohstoffe Alabaster, Sandstein, Ebenholz und Gold
• 24 Palastbaukarten
• 2 Schatzkammerkarten
• 1 Spielendekarte
• Jeweils 2 Hafenkarten in vier Farben
• 41 Aktionskarten
Bei der Gestaltung des Spielmaterials setzen die beiden Autoren auf eine ausgewogene Mischung aus grafisch ansprechenden Elementen und zweckmäßigen, dementsprechend aber auch sehr stabilen Spielmitteln. Allerdings bestehen zu Beginn zunächst noch Zweifel an der Stabilität. Die Palastteile zum Beispiel müssen zur Errichtung des Rohbaus umgeknickt werden, so dass sich schon ein bisschen Panik ob der Haltbarkeit breitmacht. Die anfängliche Zerreißprobe wurde jedoch über mehrere Partien erfolgreich bestanden und räumte diesbezügliche Skepsis schließlich wieder aus.
Die hölzernen Spielsteine hingegen sind von gewohnt bester Qualität und bauen auf das typische hohe Verlagsniveau. Zwar harmonieren sie nicht ganz mit dem recht bunten Geschehen auf dem Spielplan, jedoch entsteht hierdurch definitiv kein Störfaktor.
Abseits dieser Homogenität verdienen die Materialien jedoch ein großes Lob: Die Aufteilung ist sehr, sehr übersichtlich, die einzelnen Bausteine ein Garant für die passende Spielatmosphäre und die Grafik bzw. die illustrierte Gestaltung des Spielbrettes wirklich klasse. Insofern gehen in dieser Kategorie schon mal beide Daumen in die Senkrechte!
_Der Spielplan_
Eine Erläuterung des Spielgeschehens ist ohne eine etwas detaillierte Beschreibung des Spielbrettes kaum möglich, daher hier zunächst eine Kurzübersicht: Der Spielplan gliedert sich in mehrere entscheidende Regionen, wobei der Palast mitsamt des Gartens natürlich im Fokus des Interesses steht und dementsprechend mittig platziert ist. Dieser Palast ist umgeben von sechs verschiedenen Stadtvierteln, die jeweils für unterschiedliche Handwerksgebiete stehen und deren Besetzung verschiedene Vorteile bringt. Zur Linken der Gemächer befinden sich schließlich drei Felder für die Palastbaukarten, die jedoch von unterschiedlicher Bedeutung sind. Bekommt man eine Karte im oberen Feld dieser Reihe noch für den alleinigen Rohstoffpreis, muss man für eine tiefer ausgelegte, eventuell auch lukrativere Karte ein bzw. Goldstücke zusätzlich zahlen. Nach dem Kauf werden die Palastkarten immer wieder nach oben geschoben, so dass ein Großteil der Interaktion in diesem Gebiet über Spekulationen läuft – nur sollte man eben nicht zu lange warten, denn sparen ist nicht immer sinnvoll.
Auf der anderen Seite des Spielfelds befindet sich schließlich der Hafen mit insgesamt vier Rohstofffeldern. Auf jedem dieser Felder liegt einer der Rohstoffe aus. Sobald nun mit den Hafenkarten Rohstoffe von einem dieser Felder entnommen werden, rückt man die übrigen Stoffe weiter nach rechts und füllt den fehlenden wieder ans Ende der Reihe auf. Somit ist gewährleistet, dass die Rohstoffe nicht immer zum gleichen Preis bzw. in gleicher Menge verfügbar sind, was natürlich letztendlich ein bedeutendes strategisches Element ist. Als Letztes befindet sich auf dem Brett noch ein Platz für die Aktionskarten, die am Ende jedes Spielzuges gezogen werden.
_Vorbereitung_
Vor jeder Partie werden die Spielfiguren und Serailmarker in den entsprechenden Farben an die Spieler verteilt. Außerdem erhält jeder die Hafenkarten in der gleichen Farbe. Der Palast wird zusammengebaut und in die Mitte des Spielfelds gestellt. Alle übrigen Palastteile liegen neben dem Spielfeld bereit. Die Aktionskarten werden gemischt und positioniert, die Palastkarten indes nach einem speziellen System sortiert, so dass die Torbögen am oberen bzw. die Säulen am unteren Ende des Stapels eingemischt sind. Die ersten drei Karten werden anschließend auf die hierfür vorgesehenen Felder gelegt. Als Letztes wird der Startspieler bestimmt. Ihm wird die Ehre zuteil, die Rohstoffe nach eigenem Ermessen im Hafen aufzuteilen. Auf jede Reihe kommen Rohstoffe einer Sorte. Nun nimmt er noch einen Stein jedes Rohstoffs und verteilt diese an die anderen Spieler. Der Startspieler selber erhält keine Rohstoffe, führt dafür aber den wichtigen ersten Spielzug durch.
_Spielaufbau_
Beginnend mit dem Startspieler führen die Beteiligten nacheinander ihren Zug aus. Dieser gliedert sich in genau vier aufeinander folgende Phasen, die jedoch situationsabhängig nicht alle verpflichtend sind. Ein kompletter Spielzug konstituiert sich folgendermaßen:
|1.) Rohstoffe vom Hafen nehmen|
Auf jeder Hafenkarte ist genau angegeben, aus welcher Rohstoffreihe man sich bedienen darf bzw. welche Bedingungen daran geknüpft sind. Wer beispielsweise von den Feldern mit zwei Rohstoffen nimmt, muss entweder eine Aktionskarte ziehen oder darf eine Palastkarte sofort entfernen, das Dreierfeld ermöglicht die Verschiebung des Wesirs, der wiederum ein Stadtviertel blockiert, und wer sich schließlich für das Feld mit vier Rohstoffen entscheidet, muss keine weiteren Voraussetzungen erfüllen. Anschließend werden die Rohstoffe verschoben und aufgefüllt, so dass sich ihr Gleichgewicht im Hafen möglicherweise gravierend ändert. Auch die beidseitig bedruckte, in diesem Zug verwendete Hafenkarte wird umgedreht, so dass auch für den nächsten Zug nur zwei mögliche Hafenaktionen verfügbar sind.
|2.) Palastteil bauen|
Der aktive Spieler hat nun die Möglichkeit, seine Rohstoffe in einen Palastteil zu investieren und an einer auf den Palastkarten festgelegten Seite des Gebäudes anzubauen. Ggf. ist hierzu auch der zusätzliche Einsatz von Gold nötig, je nachdem, welche Palastkarte man wählt. Der Spieler nimmt nun das erforderliche Palastteil und baut es an jener Position an. Anschließend stellt er eine Spielfigur auf den Balkon des zugehörigen Palastfeldes.
Eine Bauaktion macht im Übrigen nur Sinn, wenn der Balkon, an den der Palastteil angebaut werden soll, nicht von einer eigenen Spielfigur besetzt wird. Andernfalls würde man sich quasi selber verdrängen und wertvolle Rohstoffe verschwenden. Unbrauchbare Palastteile sollte man während der Hafenaktionen möglichst schnell entfernen, um diesbezüglich nie in die Bredouille zu kommen. Wer dennoch vom Balkon gedrängt wird, erhält seine Spielfigur zurück und setzt einen Serailmarker auf das dafür vorgesehene Palastfeld. Bei späteren Wertungen helfen diese Marker, einen Gleichstand zu eigenen Gunsten zu entscheiden
Unter die Palastkarten werden auch zwei Schatzkammerwertungen eingemischt, die jeder Spieler alternativ zum Palast erwerben kann. Auch hierzu ist eine gewisse Menge an Rohstoffen nötig, um die Karte zu bezahlen. Sobald jemand eine solche Karte erworben hat, werden die Spielfiguren auf dem Palast gezählt. Derjenige mit den meisten Figuren darf eine weitere Figur auf die Schatzkammer stellen, wo sie auch bis zum Ende des Spiels verharren wird. Eventuell werden auch Serailmarker zur endgültigen Wertung hinzugezogen.
|3.) Spielfigur in ein Stadtviertel stellen|
Immer dann, wenn ein Spieler ein Palastteil angebaut hat, darf er eine neue Figur in eines der Stadtviertel stellen. Diese Aktion kostet ein Goldstück. Ab der nächsten Runde kann man nun die Vorzüge dieses Viertels nutzen und so zum Beispiel jedes Mal wieder neue Gratis-Rohstoffe einheimsen. Es ist sogar möglich, eine weitere Figur auf ein und dasselbe Stadtfeld zu setzen und die jeweilige Aktion doppelt auszuführen. Allerdings kostet eine zweite Figur zusätzliche zwei Goldstücke.
|4.) Aktionskarte ziehen|
Am Ende der Runde darf man noch die oberste Karte vom Aktionskartenstapel ziehen. Diese Karten können nachher zu jedem Zeitpunkt des Spielzugs eingesetzt werden und ermöglichen einige Sonderaktionen oder sorgen für Rohstoffnachschub. Allerdings gilt zu beachten, dass man mit Abschluss des eigenen Zuges lediglich sieben Rohstoffe und drei Aktionskarten besitzen darf.
_Spielende_
Das Spiel ist sofort zu Ende, wenn entweder die letzte Palastbaukarte aus dem Spielentfernt oder verbaut oder aber die Karte ‚Spielende‘ gekauft wurde. In beiden Fällen erfolgt eine sofortige Wertung. Der Spieler mit den meisten Figuren auf dem Balkon gewinnt das Spiel; eventuell werden auch hier die Serailmarker einbezogen, um einen Gleichstand aufzuheben.
_Persönlicher Eindruck_
Auch wenn „Saba“ sicherlich in vielen Aspekten mit einigen Mainstream-Titeln des internationalen Spielprogramms vergleichbar ist, so überzeugt die Messeneuheit aus dem |Goldsieber|-Verlag doch mit einigen innovativen Mechanismen und einem sehr kompakten, äußerst taktisch ausgerichteten Spielaufbau, der wiederum Spiel für Spiel völlig neue Situationen schafft. Alleine schon durch die eigenwillige Verteilung der Rohstoffe bzw. die hierbei gesetzten Limits ist der Faktor Glück in den meisten Phasen eher nebensächlich; gefragt sind schließlich eine langfristige Planfähigkeit sowie eine gewisse Risikobereitschaft, also Eigenschaften, die den Einfluss weitestgehend beim Spieler selbst belassen und vermeiden, dass man in irgendwelche Abhängigkeiten hineingerät.
Gleich mehrere Phasen des Spielzugs erfordern daher eine konsequente Überlegung, begonnen bei der Verwendung der Hafenkarten über die Auswahl der Rohstoffe bis hin zur Entscheidung pro oder kontra Palasterweiterung. In jedem Spielzug steht eine Vielfalt von Aktionsmöglichkeiten in recht differenzierter Form zur Verfügung, und man kann sicher sein, dass jeglicher Entschluss einen maßgeblichen Einfluss auf dem gesamten Verlauf haben wird.
Ebenfalls löblich erwähnt werden sollte der Fakt, dass selbst eine deutliche Führung niemals zu einer eintönigen Spielentwicklung führen muss. Bedingt durch die Möglichkeit, Figuren auch wieder aus dem Palast zu drängen, kann man sich diesbezüglich nämlich niemals sicher sein – zu schnell hat jemand anderer das Ruder übernommen und möglicherweise auch noch die zum Wiederaufbau benötigten Karten entfernt. Vom ersten bis zum letzten Rang ist es für gewöhnlich bis zum Ende der Partie nur ein Katzensprung, der nur mit dem nötigen Geschick und effizienter Planung bewältigt werden kann. Vorteile verschafft man sich lediglich durch die Schatzkammerwertungen – aber auch hier sollte selten jemand einen doppelten Zuschlag bekommen und eine Dominanz zu entwickeln. Kurzum: Alles ist möglich, solange man die Variabilität des Spiels berücksichtigt und die vielfältigen Planungsmöglichkeiten in sein Handeln einbezieht.
Abgesehen von der spielmechanischen Überzeugungskraft glänzt „Saba“ auch auf optischer Ebene, gewährleistet damit letztendlich auch eine durch und durch stimmige, authentische Spielatmosphäre. Erinnerungen an Referenztitel wie „Der Palast von Alhambra“ werden geweckt, wenngleich „Saba“ im grafischen sowie materiellen Direktvergleich ganz klar die Nase vorne hat.
Insofern avanciert der von Christian Fiore und Knut Happel in Kooperation erarbeitete Titel von Partie zu Partie immer mehr zum echten strategischen Geheimtipp und darüber hinaus zu einem der wenigen echten Gewinner der diesjährigen |SPIEL| in Essen. Unauffällig, prinzipiell recht simpel, am Ende jedoch genial – wer zwischen den teils recht enttäuschenden Mainstream-Neuheiten noch ein wirklich lohnenswertes Strategiespiel sucht, liegt bei „Saba – Palast der Königin“ goldrichtig!
http://www.goldsieber.de/
http://www.noris-spiele.de/