Follett, Ken – Sturz der Titanen

_Europa im Jahre 1911._ George V. besteigt den Thron des britischen Imperiums, Zar Nikolaus II. herrscht über das bereits von der russischen Revolution 1905 politisch geschwächte Russland, Wilhelm II. über das Deutsche Reich. Die Titanen wiegen sich in Sicherheit, ihnen ist nicht bewusst, dass ein Jahrhundertkrieg bevorsteht, der das Leben von Millionen Menschen verändern wird.

|England|: Ethel Williams, Tochter einer Bergarbeiterfamilie, arbeitet als Haushälterin für Earl Fitzherbert, lässt sich jedoch bald auf eine Romanze mit ihrem attraktiven Vorgesetzten ein. Als dieser erfährt, dass Ethel ein Kind von ihm erwartet, erkennt die junge Frau das wahre Gesicht ihrer ersten Liebe: Sie wird in Schande entlassen. Auch von ihrem Vater wird sie verstoßen und geht daraufhin nach London, um sich mit ihrem Sohn eine Zukunft aufzubauen und, gemeinsam mit Fitzherberts Schwester, der feurigen, emanzipierten Lady Maud, für die Rechte der Frauen in England zu kämpfen. Unterdessen beginnt ihr Bruder Billy mit der Arbeit als Bergarbeiter, wird nach Einbruch des Krieges jedoch, wie zahlreiche weitere junge Männer aus dem walisischen Dorf Aberowen und auch der kriegsbegeisterte Earl Fitzherbert, in die Armee einberufen und zur Unterstützung nach Frankreich geschickt. Bald beginnt Billy, seiner Schwester trotz strikter Geheimhaltungspflicht verschlüsselte Botschaften vom Schlachtfeld zu schicken, die Ethel bei ihrer politischen Arbeit verwendet. Bis der verbotene Schriftverkehr eines Tages entdeckt wird …

|Deutschland|: Der deutsche Diplomat Walter von Ulrich lernt bei einem Besuch in London die unbändige Lady Maud kennen und sofort verlieben sich die beiden. Eine Heirat erscheint jedoch in Anbetracht der politischen Konflikte zwischen den beiden Ländern unnenkbar. Dennoch geben sie sich im Geheimen das Ja-Wort und werden nach nur einer Nacht vom Ausbruch des Krieges auseinandergerissen. Jahre der Trennung stehen Walter und Maud bevor und keiner von beiden kann sich sicher sein, dass der andere noch an ihrer Beziehung festhält oder überhaupt noch lebt. Denn auch Walter wird an die Front geschickt. Kein Tag vergeht, an dem er nicht auf das Ende des Krieges und ein Wiedersehen mit seiner Geliebten hofft. Zugleich sehnt er sich nach einem demokratischen Deutschland, arbeitet im Geheimen an Friedensverhandlungen und an einer anschließenden Neuordnung des Deutschen Reiches.

|Russland|: Grigori und Lew Peschkow wuchsen als Waisen auf, nachdem ihr Vater aufgrund seiner revolutionären Ansichten gehängt und ihre Mutter beim Petersburger Blutsonntag ermordet wurde. Früh mussten die beiden lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, ums Überleben zu kämpfen und hart zu arbeiten. Doch sie träumen davon, in Amerika ein besseres Leben führen zu können und sparen all ihr Geld auf eine Überfahrt. Eines Tagen jedoch tritt die schöne Katherina in das Leben der Brüder und verdreht beiden den Kopf. Sie entscheidet sich für den abenteuerlustigen Lew, der jedoch bald in Konflikt mit dem Gesetz kommt, und kurzerhand anstelle von Grigori die Reise nach Amerika antritt, um der Polizei zu entkommen. Er lässt die schwangere Katherina zurück. Der schüchterne, nachdenkliche Grigori kümmert sich zwar zunächst um sie, wird jedoch auch bald an die Front geschickt. Schnell werden die Missstände in Russland aufgrund der Verarmung durch den Krieg immer größer, die Menschen haben nichts zu essen mehr und kämpfen ums pure Überleben. Die Wut auf die Obrigkeiten nimmt täglich zu und gipfelt schließlich im Ausbruch der Februarrevolution 1917. Der Zar wird gestürzt und kurz darauf übernehmen die Bolschewiken in der Oktoberrevolution gewaltsam die Macht an sich. Grigori, mittlerweile aus dem Krieg zurück gekehrt, wird zu einem der Anführer der Revolution, während sein Bruder Lew in Amerika zu Reichtum kommt.

_Mit dem Vorhaben,_ die bedeutenden geschichtlichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts literarisch anhand von den Schicksalen einzelner Menschen und Familien zu verarbeiten, hat sich Ken Follett zweifelsohne einer unglaublich schwierigen und anspruchsvollen Aufgabe gestellt. Doch der erste Band der Jahrhundert-Saga, „Sturz der Titanen“ beweist, dass Follett dem zweifelsohne mehr als gewachsen ist. Zum einen sind die Hintergründe des Werkes bis ins kleinste Details perfekt recherchiert und wiedergegeben. Und dabei hat sich Follett nicht nur mit offensichtlichen geschichtlichen Ereignissen selbst, wie dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo, dem Schlieffen-Plan, der Schlacht um Verdun, der Schlacht an der Somme, den verschiedenen Revolutionen in Russland, dem Ausbruch des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, Wilsons 14-Punkte-Programm, usw., sondern auch mit einzelnen Reden, den Persönlichkeiten, ihren Ansichten, Aufenthaltsorten über die Jahre und ihren Gepflogenheiten, beschäftigt. Gemäß der Regel des Autors |“Entweder ist die Szene so geschehen oder sie hätte so geschehen können. Endweder sind die Worte so verwendet worden oder sie hätten so verwendet werden können.“| fügt sich die Geschichte, die Follett um die tatsächlich geschehenen Ereignisse gewoben hat, perfekt und fehlerlos in die wirkliche Geschichte ein. Ein weiterer Bonus: Trennt man Wahrheit und Fiktion bewusst, kann man aus „Sturz der Titanen“ eine ganze Menge über den Ersten Weltkrieg lernen.

_Doch nicht nur die_ Wiedergabe der tatsächlichen Ereignisse und das Geschick, mit dem Follett Geschichte und Geschichte verwoben hat, sind bemerkenswert. Auch der erdachte Teil der Story ist ein Meisterwerk schreiberischen Schaffens. Voller Emotionen skizziert Follett die Charaktere, arbeitet ihre Schwächen und Stärken heraus, stellt ihre inneren Konflikte dar und verleiht ihnen so ausgeprägte Persönlichkeiten, in die sich der Leser hineinversetzen, die er verstehen oder verurteilen, für die er hoffen und bangen, mit denen er mitfiebern und um die er trauern kann. Auch vermittelt der Autor die damalige Lebenssituation der Menschen in den verschiedenen Ländern sehr gut, stellt dar, wie sie unter politischen Ränkespielen und Machtkämpfen leiden, um ihr Leben, ihre Zukunft, die ihrer Familien und Freunde und um politische Veränderungen kämpfen, welchen Risiken und Gefahren sie ausgesetzt waren, mit welchen Verlusten sie umgehen mussten und wie sie versuchten, mit der Machtlosigkeit des Einzelnen in einem solchen Weltkrieg umzugehen. Man könnte meinen, dass über 1000 Seiten, bedruckt mit winziger Schrift, schwer zu lesen sind und dass man vielleicht irgendwann die Lust daran verliert, wenn die Spannung mal nachlässt, doch dem ist hier keinesfalls so. Trotz der Ausführlichkeit und Länge der Darstellung verschlingt man „Sturz der Titanen“ so schnell es irgendwie geht und kann sich kaum von den Seiten losreißen, so unfassbar spannend und dramatisch ist die Story erzählt.

_Abschließend_ kann ich Liebhabern von historischer Literatur nur dazu raten, sich dieses Buch zu Gemüte zu führen. Fehlkauf ausgeschlossen!

|Taschenbuch, 1040 Seiten
Originaltitel: Fall Of Giants
Ins Deutsche übertragen von Rainer Schumacher und Dietmar Schmidt
ISBN 978-3404166602|

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[„Der Schlüssel zu Rebecca“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7252

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