Dennis Foon – Die Rückkehr der Novakin (Das Vermächtnis von Longlight, Band 3)

Das Vermächtnis von Longlight:

Band 1: „Die Stunde des Sehers“
Band 2: „Die Stadt der vergessenen Kinder“

Roan hat sich endlich dafür entschieden, die Rettung seiner Schwester Stowe ihrem Lehrmeister Willum und Mabatan anzuvertrauen. Er selbst hat sich zu den Apsara aufgemacht, jenen Amazonen, zu denen auch Saints Gefährtin Kira gehört. Von dort aus will er die Bewohner des Flusslandes gegen Darius einen. Doch das ist leichter gesagt als getan: Die Hhroxhi oder Bluttrinker können sich nicht einigen, ob sie Roan unterstützen sollen oder nicht, der Streit droht das Volk zu spalten. Die Bewohner der Oase wollen zwar Darius stürzen, die Vernichtung des Staubs, die Roan anstrebt, aber unbedingt verhindern. Der größte Teil der Gouverneure, die die Metropolis mit Rohstoffen und Lebensmitteln versorgen, kann nicht für den Aufstand gewonnen werden, und Roans Sabotageakte werden durch eine geheimnisvolle neue Waffe sabotiert, die unbedingt ausgeschaltet werden muss, soll der Aufstand erfolg haben. Am schwersten jedoch fällt Roan die Zusammenarbeit mit den Brüdern …

Stowe kämpft derweil ums Überleben. Der Staubesser Ferrell, der sich in ihr eingenistet hat, versucht, ihren Körper zu übernehmen, um ihre Fähigkeiten im Kampf gegen Darius einzusetzen. Die Vertreibung Ferrells und der Staubentzug kosten sie beinahe das Leben. Kaum hat sie sich mit Willums Hilfe wieder erholt, beschließt sie, nach Metropolis zurückzukehren. Sie will Rache! Und außerdem braucht Roan für seine Revolte dringend Informationen, die nur sie beschaffen kann …

_Charakterentwicklung_

Stowe ist inzwischen zu Stahl gehärtet. In dem zwölfjährigen Körper steckt kein Kind mehr, sondern eine Erwachsene. Mit geradezu beängstigender Zielstrebigkeit und perfekter Verstellung unterminiert sie Darius‘ Pläne und bringt sich dafür auch bereitwillig in gefährliche Situationen. Ihre Kaltblütigkeit kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch immer verletzlich ist. Vor allem ihre Treue zu Willum macht sie angreifbar, sorgt aber auch dafür, dass sie – im Gegensatz zu den Staubessern – jederzeit menschlich bleibt.

Roan, so jung er ist, hat sich tatsächlich zu einem echten Anführer entwickelt. Zwar tut sich sein offenes und geradliniges Naturell mit diplomatischen Formulierungen noch schwer, sodass Beule gelegentlich eingreifen muss, trotzdem gelingt es Roan, die misstrauischen und untereinander verfeindeten Gruppen des Flusslandes unter seiner Führung zu vereinen. Dabei lernt er so unangenehme Dinge wie notwendige Informationen gegen das Leben von Verbündeten abzuwägen, was ihn schwer belastet, aber auch, um des Zieles willen über seinen eigenen Schatten zu springen und seine eigenen Vorurteile anzugehen.

Eine gelungene Charakterzeichnung, die sich auch gegen Ende nicht zu Perfektion entwickelt hat, sondern in ihrer Entwicklung jederzeit glaubwürdig bleibt. Das Gleiche gilt für die Nebenfiguren, so zum Beispiel das äußerst gespannte Verhältnis zwischen Alandra und Mabatan, oder für die beiden Ärzte Othard und Imin, die als Neuzugänge zwar nicht so detailliert geschildert wurden wie die Übrigen, aber in ihrer eifrigen und überschwänglichen Art ein wenig frischen Wind in die Riege der Figuren bringen.

_Auch innerhalb der Handlung_ ist es Dennis Foon gelungen, weiterhin alle Schwarzweiß-Effekte zu vermeiden. So gelingt es Roan zwar, die zerstrittenen Grüppchen zur Zusammenarbeit zu bewegen, die Hhroxhi aber bleiben stets zurückhaltend, allein die junge Mhizah, die eine besondere Verbindung zu Roan hat, greift immer wieder aktiv ins Geschehen ein. Die Staubesser erklären ihnen sogar den Krieg, sodass Roan gezwungen ist, die Hardliner mit einem gezielten Angriff außer Gefecht zu setzen, ehe er sich dem Kampf gegen Darius zuwendet. Das Vertrauen Bruder Wolfs hat Roan erst dann endgültig gewonnen, als er sich dazu überwindet, sich mit dem Freund auseinanderzusetzen.

Die Sache mit dem Freund ist ein wenig schwammig geraten. Wie er Roan erklärt, gibt es eine Verbindung zwischen ihm und dem Schattenverschlinger, einem bösartigen Wesen aus dem Traumfeld, mit dem Darius sich verbündet hat. Welcher Art diese Beziehung ist, bleibt allerdings unklar, denn der Freund besteht zwar darauf, dass Roan ihn tötet, um den Schattenverschlinger zu besiegen, letztlich wird das Ungeheuer aber dadurch getötet, dass ihm die Augen ausgerissen werden. Das hätte Roan auch tun können, ohne den Freund vorher zu erschlagen; stattdessen war das Blut des Freundes für etwas ganz Anderes notwendig.

Letztlich stellt sich also die Frage, was der Freund eigentlich genau ist. Er wird immer wieder als Gott bezeichnet, wofür sein Opfertod spricht, andererseits war der Minotaurus, in dessen Gestalt der Freund auftritt, in der griechischen Mythologie kein Gott. Und wenn der Freund ein Gott war, war dann auch der Schattenverschlinger einer? Diese Frage bleibt unbeantwortet.

Die Ereignisse im Traumfeld bewegen sich auf schwankendem Boden. Das gilt auch für die Wazya, zu denen Mabatan gehört, und die ohne Einnahme von Staub ins Traumfeld gelangen können. Woher sie diese Fähigkeit haben, wird nirgends erklärt.
Der ganze Aspekt bleibt ein wenig diffus und verschwommen; hier zeigt sich der Tribut, der für die ungewöhnliche Mischung aus Fantasy und SF zu zahlen ist. In einer magischen Welt fragt niemand, woher außergewöhnliche Fähigkeiten kommen, SF dagegen fußt doch bis zu einem gewissen Grad auf der Realität.

Im Übrigen jedoch entwickelt sich die Handlung in jeder Hinsicht auf interessante und spannende Weise. Trotz der Unterstützung, die Roan nach seinen diplomatischen Bemühungen von verschiedenen Seiten erhält, ergeben sich immer neue Probleme, die gelöst werden wollen, der Autor macht es seinen Protagonisten niemals einfach. Dementsprechend steigt der Spannungsbogen kontinuierlich – selbst dann noch, als die zweite Front der Staubesser endlich gefallen ist – bis zum Showdown. Eine überraschende Wendung gegen Ende ist die zusätzliche Würze in der gelungenen Suppe.

Ein kleiner logischer Knacks hat sich allerdings eingeschlichen: bei Stowes Fähigkeiten. Als einer der Hhroxhi ihren Bruder angreift, tötet sie ihn mit einem durchdringenden Schrei, wie sie es auch in Band zwei mit Bruder Rabe getan hat. In diesem Fall trifft ihre Kraft allerdings nur den Hhroxhi, während seine Wirkung sonst immer alle Anwesenden trifft. Im Hinblick auf die ansonsten gelungene Trilogie sei das gern verziehen.

Das Lektorat war in diesem dritten Band leider nicht mehr ganz so gelungen wie zu Beginn. Verneinungen an der falschen Stelle oder Verwechslungen von Namen sind einfach nicht so leicht zu überlesen wie ein Tippfehler.

_Alles in allem_ war |Das Vermächtnis von Longlight| eine interessante Lektüre, die zwar nicht alle Fragen beantwortet hat, durch ihren ungewöhnlichen Entwurf, die gelungenen Charaktere und ihre vielen Schattierungen, die alle Polarisierung vermeiden, angenehm aus der Masse der Fantasy- oder SF-Bücher heraussticht. Empfehlenswert.

_Dennis Foon_ wurde in Detroit, Michigan, geboren und lebt seit 1973 in Kanada. Er war Mitbegründer eines Jugendtheaters und schrieb zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen, u. a. für die TV-Serie „Die Fälle der Shirley Holmes“, aber auch Theaterstücke. Seine Drehbücher und Dramen wurden vielfach ausgezeichnet, für das Stück „Invisible Kids“ erhielt er den |British Theatre Award|.

Gebundene Ausgabe: 424 Seiten