Franz, Andreas – Spiel der Teufel

Kommissar Sören Henning und seiner Partnerin Lisa Santos stehen besonders unangenehme Ermittlungen bevor. Ihr Freund und Kollege Gerd Wegner wird tot in seinem Auto gefunden, offenbar Selbstmord durch Kohlenmonoxid-Vergiftung. Es existiert jedoch kein Abschiedsbrief und niemand kann sich vorstellen, dass er sich umgebracht haben sollte. Vor allem seine schöne Witwe, die Russin Nina, glaubt nicht an die Selbstmord-Theorie.

Kurz darauf taucht die Leiche einer jungen Asiatin am Kieler Hafen auf, genau an jenem Ort, an dem sich Gerd kurz vor seinem Tod aufgehalten hatte. Weggeätzte Fingerkuppen deuten auf eine Auftragskillerin hin, die von ihresgleichen beseitigt wurde. Henning und Santos wittern einen Zusammenhang. Der Mordverdacht erhärtet sich, als sich herausstellt, dass Gerd verdeckte Ermittlungen für das Landeskriminalamt führte, die ihm womöglich zum Verhängnis wurden.

Leider stellen Henning und Santos auch fest, dass Gerd ein Doppelleben führte. Eine Frau meldet sich, die sich als seine Geliebte ausgibt, zudem kassierte Gerd anscheinend Schmiergelder, die ihm ein luxuriöses Leben ermöglichten. Die Spur führt zu einer russischen Organhandel-Organisation, die in ganz Europa Stützpunkte unterhält – und auch zu einer Kieler Schönheits-Klinik, in der illegale Operationen vorgenommen werden …

Nach „Unsichtbare Spuren“ gibt es in diesem Buch ein Wiedersehen mit dem Kieler Kommissar Sören Henning, das erfreulicherweise an die positiven Erwartungen des Vorgängers anknüpfen kann.

|Spannung bis zum Schluss|

Es ist in mehrfacher Hinsicht ein besonders aufreibender Fall für Sören Henning und Lisa Santos. Nicht nur, dass das Mordopfer ihr geschätzter Kollege Gerd Wegner ist, sondern im Laufe ihrer Ermittlungen erhärtet sich auch noch der Verdacht, dass die Mittäter in den eigenen Reihen zu finden sind. Brisant ist auch das Thema Organmafia, das im weiteren Verlauf die Handlung dominiert.

Schnell ist dem Leser ebenso wie den Ermittlern klar, dass der angebliche Selbstmord von Gerd Wegner fingiert wurde, doch die Frage nach dem Täter bleibt spannend. Ein persönlicher Racheakt ist ausgeschlossen, bleibt also nur noch die Möglichkeit, dass Gerd aufgrund von Ermittlungen ausgeschaltet wurde. Seine verdeckte Nebentätigkeit und der Verdacht der Korruption bringen Henning und Santos ins Wanken, immerhin betrachteten sie Gerd als einen ihrer engsten Freunde und wollen kaum glauben, dass der zuverlässige, ruhige Familienvater in dubiose Machenschaften verwickelt war. Für Bestürzung sorgt auch das Obduktionsergebnis, nach dem er kurz vor seinem Tod Sex mit einer Frau hatte, die unmöglich Ehefrau Nina gewesen kann, die sich zu der Zeit in Hamburg befand. Henning und Santos rätseln, ob die mysteriöse Geliebte an seinem Tod beteiligt war oder zumindest als Zeugin helfen kann. Besonders im letzten Viertel ist der Roman reich an überraschenden Wendungen. Sogar der Epilog kann noch mit neuen Ergebnissen aufwarten, sodass man sich bis kurz vor Schluss nie sicher sein kann, wie die Dinge wirklich liegen.

In einem Nebenstrang wird immer wieder zu den Organhändlern geschaltet. Durch leere Versprechungen von einem besseren Leben lotsen sie Kinder und junge Leute aus dem Armutsvierteln in St. Petersburg auf ein Schiff, das sie nach Deutschland führt. Anstatt jedoch von liebevollen Familien in Empfang genommen zu werden, erwarten sie eine ärztliche Untersuchung, eine Betäubungsspritze und der Tod auf dem OP-Tisch, wo ihnen wichtige Organe entnommen werden. Mit eiskalter Kalkulation wickeln die Macher ihre Geschäfte ab, ohne Scheu, den Immigranten ins Gesicht zu lügen.

Andreas Franz verzichtet bewusst auf Szenen mit Gewaltdarstellung; seine Schilderungen lösen dennoch beim Leser heftige Beklemmung aus. Inständig wünscht man sich, dass die jüngsten Opfer des Organhandels noch rechtzeitig gerettet werden können, während man verfolgt, wie den eingepferchten Gefangenen nach ihrer Ankunft langsam eine Ahnung aufsteigt, dass sie in eine Falle gelaufen sind. Die Verwicklung höchster Kreise von russischer Politik, Justiz und Polizei in das organisierte Verbrechen schockiert nicht zuletzt dank des Wissens, dass Andreas Franz sich hier mehr an recherchierten Fakten denn an Phantasie orientiert und das totgeschwiegene Thema Organhandel präsenter sein dürfte, als es einem lieb ist. Der Leser sei vorgewarnt, dass er sich auf ein sehr düsteres Werk einlässt, das dicht an der traurigen Realität bleibt.

|Gelungene Hauptcharaktere|

Sören Henning ist auch hier gerade durch seine überlegte Art ein Sympathieträger, von dem man sich noch viele weitere Romane wünscht. Kenntnisse über das Vorgänger-Werk sind nicht notwendig, denn die wichtigsten Informationen fließen wie nebenbei in die Handlung ein. Sören Henning ist ein geschiedener Kommissar Anfang vierzig, der sehr unter der Trennung von seinen Kindern leidet. Seine Ex-Frau stellt unablässig finanzielle Forderungen, während sie im Gegenzug versucht, jeden Kontakt zwischen Henning und den Kindern zu vermeiden.

Einziger Halt ist, wie schon im letzten Band, Lisa Santos, mit der er inzwischen eine Beziehung führt, die in Einklang mit dem Alltagsstress gebracht werden muss. Die Liebesbeziehung steht aber angenehm im Hintergrund. Franz benutzt sie weder, um Sexszenen noch Eifersüchteleien einzubauen. Einziger Konfliktpunkt ist Santos‘ ältere Schwester Carmen, die vor über zwanzig Jahren bei einem brutalen Überfall schwerste Gehirnverletzungen davontrug und seither im Wachkoma liegt. Für Henning ist es schwer zu akzeptieren, dass Carmen für Lisa den wichtigsten Punkt in ihrem Leben darstellt und sie nicht davon abrückt, sie mehrfach die Woche zu beobachten, obwohl wenig dafür spricht, dass Carmen ihre Gegenwart überhaupt registriert. Davon abgesehen werden Henning und Santos als gleichwertige Partner präsentiert, die einander in einem besonders belastenden Fall gegenseitig eine Stütze bieten. Der Fokus liegt eindeutig auf den Ermittlungsarbeiten statt auf dem Privatleben der Kommissare.

|Kleine Schwächen|

Auf der Gegenseite sind die Charaktere nicht ganz so überzeugend gelungen. Sowohl beim Leiter der Klinik als auch bei seinen niederen Handlangern vermisst man Züge abseits der Klischees. Der Leiter besticht nach außen hin durch Charme und weltmännisches Auftreten, um hintenrum seine grausamen Geschäfte abzuwickeln. Da gibt es keine Überraschungen in Verhalten oder Motivation der Figuren; die oberen Drahtzieher sind geld- und machtbesessen, die Untergebenen werden genötigt, da ihnen bei Zuwiderhandlungen der Tod oder der eines Familienangehörigen droht.

Etwas weniger Schwarzweiß-Malerei und etwas differenzierte Darstellungen wären schön, vor allem ein paar schwankende, an ihrer Tätigkeit zweifelnde Charaktere auf der Seite der Bösen hätten der Handlung gut getan. Und obwohl die Wendungen und der Ausgang generell sehr überraschend sind, gibt es zumindest zwei Personen, deren nähere Beteiligung man schon etwa in der Mitte des Buches zu erahnen beginnt, sodass die Bestätigung am Ende nicht allzu überraschend ausfällt.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr düsterer und realistischer Krimi über das brisante Thema Organmafia. Auch das zweite Werk mit den Kieler Kommissar Sören Henning überzeugt durch interessante Hauptcharaktere und Spannung inklusive Wendungen bis zum Schluss. Die kleinen Schwächen fallen dagegen kaum ins Gewicht.

_Der Autor_ Andreas Franz wurde 1956 in Quedlinburg geboren. Bevor er sich dem Schreiben widmete, arbeitete er unter anderem als Übersetzer, Schlagzeuger, LKW-Fahrer und kaufmännischer Angestellter. 1996 erschien sein erster Roman. Franz lebt mit seiner Familie in der Nähe von Frankfurt, wo die meisten seiner Krimis spielen. Weitere Werke von ihm sind unter anderem: „Jung, blond, tot“, „Das achte Opfer“, „Der Finger Gottes“, „Letale Dosis“, „Das Verlies“, „Teuflische Versprechen“ und „Unsichtbare Spuren“.

Mehr über ihn auf seiner Homepage: http://www.andreas-franz.org.

http://www.droemer-knaur.de

_Andreas Franz auf |Buchwurm.info|:_
[„Teuflische Versprechen“ 1652
[„Unsichtbare Spuren“ 3620

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