Freise, Charlotte – Seelenfotografin, Die

_Inhalt_

Berlin in der Gründerzeit: Der junge Ruven wittert die Freiheit. Seit er sich erinnern kann, war es ihm schlecht ergangen: Eines Morgens hatte man ihn vor dem Waisenhaus gefunden, verletzt und ohne Gedächtnis. Das Leben hier war alles andere als schön, und kurz war Hoffnung in ihm aufgeblitzt, als ein fahrender Fotograf ihn mitgenommen hatte. Dessen Gewerbe aber sorgte bei Ruven von Beginn an für Übelkeit, hatte er sich doch im Verborgenen auf schamlose Bilder von Frauen spezialisiert, die er unter der Hand verkaufte.

Ruven war diese Tätigkeit immer verhasst, und als sein Meister eines Tages wieder einmal dem Suff frönt und ein Arzt ihn einlädt, an seiner Klinik Bilderserien von den Patienten zu machen, zögert er nicht lange: Er nimmt, was er braucht – so auch die Fotoausrüstung -, und macht sich am angegebenen Tag auf den Weg zum Krankenhaus.

Die Patienten des Doktors sind überwiegend Geisteskranke, deren Bilder der Doktor will, um durch ihr genaues Studium in die kranken Seelen zu blicken. Die Patienten erschrecken Ruven ein wenig, doch ein Mädchen ist dabei, Isabell, das ihn irgendwie fasziniert. Sie lernen sich ein wenig kennen, und rasch findet Ruven heraus, dass der Geist der jungen Frau mitnichten gestört ist: Ein Nervenleiden zwingt sie in den Rollstuhl, und ihr eigentümliches Verhalten rührt von der Auflehnung ihres überlegenen Geistes her.
Das Mädchen begeistert sich für die Fotografie, lernt selbst nebenher aus Büchern darüber und entwickelt einen gewagten Plan: Sie hängt trotz ihrer Behinderung am Leben, und sie möchte zusammen mit Ruven eine besondere Platte für den Apparat entwickeln: Wenn es möglich ist, wie der Doktor sagt, die Seele auf den Bildern zu erkennen, dann muss es doch einen Weg geben, sie ganz dorthin zu bannen – sie dort aufzubewahren, bis es eine Möglichkeit gibt, sie wieder hervorzuholen, wenn der gequälte Körper längst den Kampf aufgegeben hat?

Ruven verliebt sich in Isabell und tut alles, um sie zu unterstützen. Doch es droht Gefahr: Medizinische Experimente bedrohen das junge Glück genau so wie Ruvens ehemaliger Meister, der die Suche nach dem diebischen jungen Mann keineswegs aufgegeben hat – und dann droht die längst versunkene Vergangenheit Ruven einzuholen …

_Kritik_

Die Beschreibungen des Elends, in dem Ruven sich zu Beginn des Romans befand und indem Isabell und die Menschen um sie herum hausen, sind eindringlich und abstoßend. Auch die Experimente, mit denen die Medizin sich beschäftigte, jagen dem Leser einen kalten Schauer über den Rücken.

Leider greift der Rest des Buches nicht so recht. Die Charaktere sind wenig glaubwürdig, mal überzeichnet, mal zu blass, und sie benehmen sich nicht immer so, wie es in der Figur angelegt ist. Wie Hercule Poirot gesagt hätte: Niemand kann etwas tun, das nicht „dans son charactère“ ist.

Der Held erweckt wenig Sympathien, und das überspannte Mädchen befremdet eher, als dass es herzerweichend wirkt. Das Vorhaben wirkt vollkommen unsinnig, und wenn zumindest nebenher noch ein wenig mehr Lokalkolorit oder atmende Szenerie eingeflossen oder vielleicht ein historisches Ereignis am Rande der Handlung beschrieben worden wäre, hätte man vielleicht darüber hinwegsehen können, dass man von vornherein weiß, dass die Hoffnung des Mädchens enttäuscht wird. Dazu kommen noch einige Wendungen in eine Richtung, die die sperrige Geschichte abzurunden nicht hilfreich ist, und im Ganzen hat man einen eher enttäuschenden Roman.

_Fazit_

Es ist wie immer Ansichtssache, was man von einem Roman hält, und es sind bereits gute Bewertungen zu „Die Seelenfotografin“ abgegeben worden – allein, ich kann mich ihnen nicht anschließen. Das Buch ist mir fern geblieben, sowohl was die Geschichte angeht als auch nach seinen Personen. „Die Seelenfotografin“ hat mir nicht besonders gefallen.

|Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN-13: 9783499255120|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de
[Mehr zur Autorin]http://www.rowohlt.de/autor/Charlotte_Freise.2846263.html

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