French, Tana – Grabesgrün

_Inhalt_

Dunkle Wolken ziehen auf am ganz persönlichen Himmel des irischen Detektive Rob Ryan, als er die Details des neuesten Falls hört, den er und seine Partnerin Cassie Maddox bearbeiten sollen: Eine Zwölfjährige wurde erschlagen und missbraucht auf einem alten Opferaltar auf einer Ausgrabungsstätte bei dem Städtchen Knocknaree gefunden. Was Ryan allerdings wirklich zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass diese Ausgrabungsstätte und der umliegende Wald der Ort sind, in dem vor zweieinhalb Jahrzehnten seine beiden besten Freunde verschwunden sind. Ryan selbst wurde damals nach langer Suchaktion mit blutigen Kleidern und Amnesie gefunden, während Jamie und Peter verschollen blieben. Das mutmaßliche Verbrechen wurde nie aufgeklärt.

Ryan, der nach der traumatischen Erfahrung nach England zur Schule geschickt wurde und die Kleinstadt seiner Kindertage nie wieder gesehen hatte, begibt sich nun mit gemischten Gefühlen zurück an den alten Tatort. Wüssten seine Vorgesetzten davon, dass er ein persönliches Interesse hat, in Knocknaree zu ermitteln, müssten sie ihn von dem Fall abziehen. Ryan weiß das nur zu gut, also enthält er ihnen diese Information vor. Cassie, die davon weiß, deckt sein Schweigen.

In Knocknaree warten alte Geister und neues Grauen auf Ryan und Cassie. Während die junge Frau allerdings mit einigermaßen klaren Sinnen an die Ermittlungen heran gehen kann, wird Ryans Nervenkostüm auf empfindliche Weise auf die Probe gestellt: Die Umgebung bedrückt ihn, seine Unfähigkeit, sich an etwas Relevantes zu erinnern, zermürbt ihn, und alte, längst vergessene Befürchtungen heben ihr hässliches Haupt. Ryan steuert dem Nervenzusammenbruch entgegen. Als ihm schließlich aufgeht, dass er dem Täter ganz nah ist, ist noch lange nicht heraus, ob er in seinem labilen Zustand nicht viel mehr kaputtmachen wird, als er zu helfen imstande ist …

_Kritik_

Tana French ist eine Wortkünstlerin. All das, was sie sagen möchte, umwebt sie mit einem feinen Schleier aus wohlgesetzten Formulierungen: Sie lockt und erklärt, verführt und verletzt, stößt fort und zieht an. Introspektive Erläuterungen, sachtes Philosophieren über Sinn und Zweck von Begebenheiten wechseln sich ab mit dem raschen, leichten Wortgeplänkel zwischen den Partnern und Freunden Ryan und Cassie und sind letztlich doch nur Überbau für die Dunkelheit des Verdorbenen. Es ist ein düsterer Zauber, den French wirkt, und doch folgt man ihr gern. Auf Ryans Spuren stolpert man in ein Netz aus Manipulation und Intrige, das man ebenso wenig erkennen konnte wie er und das umso erschreckender wirkt, als es am Anfang kaum ernstzunehmen wirkte.

Ich beneide Tana French um ihren Stil. Sie schafft es mit spielerischer Leichtigkeit, moderne Umgangssprache und gehobenen Sprachgebrauch miteinander zu verweben, während verschiedene ihrer Kollegen schon mit ersterem ein Problem haben. Hier wirkt nichts bemüht; jedes Wort findet sicher seinen Platz, und so ergibt sich am Ende ein Mosaik, das an linguistischer Schönheit und psychologischer Monstrosität seinesgleichen sucht.

Es ist jede Menge Trauer in diesem Erstling, Wut, Unverständnis und Wehmut, aber auch Witz, Freundschaft, Liebe, Nähe. Es ist eine Komposition, wie sie selten zu finden ist, und ich bin froh, dass ich sie genießen durfte.

_Fazit_

„Grabesgrün“ hat mich vollkommen in seinen Bann gezogen. Mein persönliches Fazit lautet, dass dieses Buch in jedes Regal gehört und jeder, der es nicht liest, wirklich etwas verpasst. Ich habe schon ziemlich viele Kommentare gelesen, die meine ehrfürchtige Begeisterung widerspiegelten, allerdings las ich auch verschiedentlich, dass das Buch langweilig bzw. zu lang sei oder vom Stil her nicht gefiel. Das will mir zwar nicht in den Kopf, aber es ist schon so, dass French mit einigen Dingen Neuland betritt. Hier ist nichts 08/15, es werden keine alten Schemata notdürftig befüllt, und wer auf Explosionen, literweise Blut, atemlos kurze Sätze und Showdown auf Seite 295 steht, der wird vermutlich enttäuscht sein, ja.

Sollten Sie aber einen wirklich spannenden, düsteren Krimi zu schätzen wissen und zu jenen gehören, die wie ich verzückt auf originelle Formulierungen starren und dann mit dem Buch in der Hand durch die Wohnung laufen, um das Ganze jemandem zu zitieren, der gerade nicht weglaufen kann, dann ist „Grabesgrün“ perfekt für Sie.

|Gebundene Ausgabe: 672 Seiten
ISBN-13: 978-3502101918
Originaltitel: In the Woods
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann|
http://www.fischerverlage.de
http://www.tanafrench.com

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