Fried, Amelie – Findelfrau, Die

Holly Berger ist 38 Jahre alt und führt ein vermeintlich perfektes Leben: Sie ist mit ihrem Traummann Chris verheiratet, den sie einst auf einer WG-Party kennen gelernt hat, als sie sich in der Gästetoilette eingeschlossen hatte und die Tür nicht mehr aufbekam. Chris wurde an dem Abend nicht nur ihr Retter in der Not, sondern auch ihre große Liebe. Aber auch nach 15 Ehejahren sind die beiden glücklich wie am ersten Tag und leben nun zusammen mit ihren beiden Kindern, die kurz vor der Pubertät stehen. Holly hat bereits zwei erfolgreiche Ratgeber geschrieben und sucht nun nach einem Thema für den nächsten Bestseller. In dieser perfekten Idylle erfährt Holly allerdings, dass sie als Neugeborenes ausgesetzt wurde und dass ihre Eltern demnach nicht ihre leiblichen Eltern sind. Holly ist schockiert, ihr ganzes bisheriges Leben ist für sie zu einer großen Lüge geworden.

Auf der Verlobungsfeier ihres „Bruders“ kommt es zum Eklat: Holly klagt ihre Adoptivmutter Margarete an und wirft ihr vor, sie 38 Jahre lang belogen zu haben, die ganze Familie droht auseinanderzubrechen. Als Holly aber auch noch erfahren muss, dass sogar ihr Mann Chris von dem großen Geheimnis gewusst hat, zerbricht alles, woran sie bislang geglaubt hat. Trotz der wenigen Hinweise, die sie auf die wahre Identität ihrer Mutter hat, macht Holly sich auf eine detektivische Suche nach ihren Wurzeln. Nach und nach kommt sie ihrer Mutter auf die Spur, die sie schließlich nach Ägypten in ein Frauenkloster führt.

In Ägypten erhält sie Hilfe durch die lebenslustige Inga und ihren Geschäftsführer Ashraf, die Holly bei ihrer Suche in allen Belangen unterstützen. Im Kloster angekommen, erfährt Holly allerdings, dass ihre Mutter sie gar nicht sehen will; eine Welt bricht für Holly zusammen, denn selbst ihre Ehe kriselt gewaltig, außerdem bemerkt Holly, dass sie Ashraf mehr als nur nett findet und kommt ihm immer näher …

Ob Holly ihre leibliche Mutter am Ende schließlich doch noch kennen lernen wird und ob sie ihre Ehe wieder kitten kann, das enthält Amelie Fried uns natürlich nicht vor, denn ganz am Ende wird sich alles auflösen. Gemeinsam mit Holly Berger erleben wir, wie ihr bisheriges Leben auseinanderbricht, als sie erfahren muss, dass sie als Kind ausgesetzt wurde und ihre Familie gar nicht ihre „echte Familie“ ist.

Zu Beginn lernen wir Holly als glückliche Familienfrau kennen, die in ihrem Beruf als Schriftstellerin erfolgreich ist und nun nach einem Thema für ihr nächstes Buch sucht. Ihr Verleger Jochen, der gleichzeitig ein guter Jugendfreund Hollys ist, schlägt ihr einen Ratgeber für eine glückliche Ehe vor, weil Holly und Chris das einzig glückliche Ehepaar im gesamten Freundeskreis sind. Während Holly nämlich die schwerste Krise ihres Lebens durchstehen muss, erleben auch ihre beiden besten Freundinnen Schlimmes: Diana, die beruflich außerordentlich erfolgreich ist und sich nebenbei einen Geliebten hält, weil sie dies für wesentlich unkomplizierter hält als eine Ehe, wird nun von der Frau ihres Geliebten verfolgt und tyrannisiert, aber Karins andere beste Freundin Karin hat es sogar noch übler getroffen: Ihr Ehemann sendet versehentlich eine für seine Geliebte bestimmte SMS an seine Frau, sodass seine Affäre auffliegt. Karin ist am Boden zerstört, denn ihr Mann weigert sich, die Affäre zu beenden und verlangt vielmehr Verständnis für seine außerehelichen Eskapaden von Karin. Ein Eheratgeber scheint also die perfekte Idee für einen neuen Sachbuchbestseller zu sein. Obwohl Holly sich einen Haufen Literatur zu dem Thema besorgt, kommt sie mit ihrem Buch aber nicht so recht voran, da die Suche nach ihrer Mutter und ihre persönlichen Probleme sie zu sehr ablenken.

Wir erleben jedes Hoch und jedes Tief in Hollys Leben mit; Amelie Fried zeichnet einen Charakter, der zu Beginn des Buches ins Bodenlose stürzt und ein emotionales Chaos erlebt. Wir lernen Holly zu einem Zeitpunkt kennen, als sich ihr gesamtes Leben verändert und sie zum ersten Mal eine große Krise meistern muss. Zugegebenermaßen können wir ihre teilweise irrationalen Handlungen nicht immer nachvollziehen, denn manchmal erscheint mir Holly für eine 38-jährige Erwachsene dann doch etwas zu stur. Außerdem reagiert Holly einige Male über, sodass sie hier auch mal einige Sympathiepunkte einbüßt. Doch über die meisten Strecken des Buches begleitet man Holly ausgesprochen gerne auf ihren verschlungenen Wegen, die am Ende zu ihrer Mutter führen sollen und zur Aufklärung der Frage, warum diese Holly damals ausgesetzt hat.

Auf herzerfrischende Art und Weise erzählt uns Amelie Fried die Geschichte einer Frau, deren Leben von einem Tag auf den anderen zerstört wird, als sie ein dunkles Familiengeheimnis aufdeckt. Fried schafft es, diese ungewöhnliche Geschichte zum größten Teil glaubwürdig zu schreiben, und macht Hollys Unglück spürbar, sodass Holly für uns zu einer guten Freundin wird. Mit ihrem sympathischen Schreibstil und einer gelungenen Figurenzeichnung erschafft Amelie Fried einen unterhaltsamen Roman, der alle eigenen Sorgen vergessen und Hoffnung darauf macht, dass man viele Krisen im Leben doch überstehen kann, wenn man es denn nur versucht. Getrübt wird das Lesevergnügen allerdings durch zahlreiche Tipp- und Rechtschreibfehler, die den Lesefluss stören und ein gutes Korrektorat offensichtlich vermissen lassen.

Insgesamt ist „Die Findelfrau“ ein erfrischendes Leseerlebnis, wenn auch sicherlich keine große Literatur. Dennoch hat Amelie Fried eine verwickelte Familiengeschichte mit sympathischen Charakteren zu erzählen, mit denen man gerne einige Lesestunden verbringt, auch wenn die Geschichte doch recht vergänglich ist und wohl schnell in Vergessenheit geraten wird. Aber für den bevorstehenden Sommer und Urlaube am Strand ist „Die Findelfrau“ genau die richtige Lektüre zum Entspannen, Träumen und um die Welt um einen herum zu vergessen.

http://www.heyne.de

|Amelie Fried bei Buchwurm.info:|

[„Liebes Leid und Lust“ 562
[„Taco und Kaninchen“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=561
[Interview vom September 2004]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=26

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