Funke, Cornelia – Herr der Diebe – Das Hörspiel zum Film

Wer Kinder hat oder gute Kindergeschichten mag, kennt sie: Cornelia Funke gehört in Deutschland schon seit Jahren zu den erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Doch der internationale Durchbruch gelang ihr erst mit ihrem fantastischen Kinderroman „Herr der Diebe“, dem sogar eine international produzierte Verfilmung zuteil wurde, welche seit Januar 2006 in den deutschen Kinos zu sehen ist.

Nachdem es bereits eine Lesefassung des Buchs gab, wurde pünktlich zum Filmstart ein Originalhörspiel mit den deutschen Synchronsprechern veröffentlicht. Appetitlich gekürzt auf 2 CDs, die man locker an einem Abend oder einem verregneten Nachmittag hören kann, ist dieses Hörbuch ein echter akustischer Leckerbissen für die ganze Familie.

_Die Story_

Vor der zauberhaften Kulisse Venedigs spielt das Abenteuer der beiden Brüder Prosper und Bo. Die beiden haben kürzlich ihre Mutter verloren, welche sie allein aufgezogen hat, und während der kleine, niedliche Bo von seiner Tante Esther Hartlieb adoptiert werden soll, wird der nicht mehr so kleine und weniger pflegeleichte Prosper ins Waisenhaus abgeschoben. Das lassen sich die beiden Brüder natürlich nicht gefallen.

Prosper flieht aus dem Waisenhaus und büxt gemeinsam mit Bo nach Venedig aus. Die Lagunenstadt, von der ihre Mutter ihnen so oft vorgeschwärmt hat – da zieht es sie hin. Sie schlagen sich mit Betteln und Stehlen mehr schlecht als recht durch, doch schon bald begegnen die beiden Scipio, dem mysteriösen Herrn der Diebe. Er ist der Anführer einer Jugendbande von Waisenkindern. Niemand kennt seine wahre Identität, doch er ist eine Art Lagunen-Robin-Hood, der sich zugleich um die Waisenkinder kümmert und ihnen ein Dach über dem Kopf gewährt: das „Sternenversteck“, ein altes, leer stehendes Kino.

Doch Bo und Prosper müssen sich nicht nur wie alle Bandenkinder vor den Carabinieri in Acht nehmen. Tante Esther hat den Privatdetektiv Viktor Getz auf sie angesetzt, und der bekommt ziemlich bald mehr über den Herrn der Diebe heraus, als den Kindern lieb ist. Zudem ist noch der dummdreiste Hehler Barbarossa hinter den Kindern her, denn der wittert ein Riesengeschäft, als er vom neuesten Auftrag des Herrn der Diebe Wind bekommt. Zum magisch-realistischen Showdown werden die Kinder auf eine versteckte Laguneninsel gelockt, deren Geheimnis erst ganz am Ende gelüftet wird. Zum Glück stellt sich heraus, dass Viktor und seine Freundin Ida eigentlich gar nicht so übel sind. Schon bald helfen sie den Kindern, wo sie können und alles läuft auf ein Happy-End hinaus … aber hören müsst ihr das schon selbst.

_Bewertung_

Obwohl am Ende ein wenig „Zauberei“ in die Geschichte hineinspielt, ist „Herr der Diebe“ eigentlich eher eine sehr realistische Abenteuergeschichte als ein Fantasyroman. Zwar verdiente sich „die Funke“ mit diesem Buch den Beinamen „die deutsche Rowling“, jedoch: Der Vergleich mit Harry Potter hinkt gewaltig. Für magische Momente sorgt natürlich immer wieder die zauberhafte Kulisse, welche Kindern wie Erwachsenen wirklich Lust auf einen Venedig-Besuch machen kann.

So weit ich mich an die schon einige Jahre zurückliegende Lektüre des Buchs erinnern kann, ist diese Hörspiel-zum-Film-Fassung sehr nah dran an der literarischen Vorlage. Selbst den Wortlaut mancher Dialoge glaubte ich wiederzuerkennen. Für mich ist es eine der besten Kindergeschichten, die in den letzten Jahren überhaupt erschienen sind, und beinahe schon ein moderner Klassiker. Oder besser: ein zeitloser Klassiker.

_Das Hörspiel_

Es gibt nur wenige Hörspiele, die eine solch ruhige, unaufgeregte Atmosphäre verbreiten, jedoch gleichzeitig so atemlos spannend inszeniert sind. Die Spannung, will ich damit sagen, rührt nicht von hektischen Geräuschen her und auch nicht von nervenzerfetzender Musik, sondern vorrangig von der Handlung, die ohnehin schon spannend genug ist und billige Effekte nicht nötig hat. Schon mal ein Pluspunkt.

Muss man nun den Film gesehen haben, um dem Hörspiel folgen zu können? Nein, die Inszenierung steht für sich. Sie lebt von der wunderbaren sonoren Stimme von Bernd Stephan, dem Erzähler. Der 1943 geborene Schauspieler ist – wen wundert’s – nicht nur auf Bühne und Leinwand zu sehen, sondern vor allem als Synchronsprecher zu hören. Er lieh u. a. John Cleese seine Stimme. Man könnte ihm mühelos stundenlang zuhören – mehr noch, man kann überhaupt nicht weghören. Doch nicht allein Bernd Stephan brilliert hier. Sämtliche Kinderstimmen wurden hervorragend ausgewählt, und durch die kluge Inszenierung kann man sie auch ohne Schwierigkeiten auseinander halten.

Während das Buch zum Selberlesen ab etwa 10 Jahren geeignet ist, können der Hörspielfassung nach meiner Einschätzung durchaus auch schon jüngere Kinder folgen, sofern sie länger konzentriert zuhören mögen. Da die Geschichte selbst zwar aufregend, aber kindgerecht und vor allem absolut gewaltfrei ist, würde ich sagen, etwa ab 6 bis 7 Jahren aufwärts. Überhaupt ist das Hörspiel etwas für die ganze Familie, für Kinder und Kindsköpfe jeden Alters, die sich vielleicht schon lange nicht mehr haben gefangen nehmen lassen von einem Schauspiel, welches sich sehr sinnlich über das Ohr in Herz und Hirn schleicht.

Der „Herr der Diebe“ ist eine prima Einstiegsdroge für das Medium Hörbuch und zugleich liefert es den Beweis, dass solche Adaptionen einem Buch eine ganz eigene Qualität verleihen können. Einen Zauber, der sicher auch einigen Lust machen wird, mal das Buch in die Hand zu nehmen. Obwohl es ein Hörspiel zum Film zum Buch ist, hier wird es mit seinen wohldosierten Erzählpassagen durchaus auch seiner literarischen Vorlage gerecht.

Äußerst erwähnenswert ist auch die hervorragende Hintergrund- und Begleitmusik des London Symphony Orchestra. Eher suggestiv und äußerst sparsam, aber wirkungsvoll instrumentiert, unterstreicht sie den geheimnisvollen, leicht melancholischen Charakter der Geschichte um Prosper und Bo.

Hörproben finden sich unter http://www.jumboverlag.de.

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