Rebecca Gablé – Das Spiel der Könige

„Das Spiel der Könige“ ist die direkte Fortsetzung von „Die Hüter der Rose“, und somit der sechste historische Roman der deutschen Bestsellerautorin Rebecca Gablé (* 25.09.1964), die sich mit dem Roman „Das Lächeln der Fortuna“ und ihren weiteren historischen Werke einen Namen gemacht hat. Sie studierte nach mehrjähriger Berufstätigkeit als Bankkauffrau Anglistik und Germanistik mit Schwerpunkt auf Mediävistik, wobei ihr besonderes Interesse offenkundig den englischen Königshäusern galt, insbesondere dem Haus Lancaster.

„Das Spiel der Könige“ schließt an den Tod Henry V. im Hundertjährigen Krieg mit Frankreich an. Im Sterben hat dieser John von Waringham das Leben seines minderjährigen Sohns anvertraut, ihn zum „Hüter der Rose“ von Lancaster bestimmt. Das kommt die Familie Waringham in den nun folgenden Konflikten um die Krone teuer zu stehen, die als die |Rosenkriege| zwischen den Häusern Lancaster und York sowie später Tudor bekannt wurden:

1455 tötet Arthur Scrope in der Schlacht von St. Albans hinterrücks John of Waringham, der mit seinem letzten Atemzug das Haus York verflucht. Doch es kommt noch schlimmer. Scrope überfällt Waringham selbst und tötet den unbeliebten Robert of Waringham, verliert dabei aber selbst das Leben. Nun ist es an Julian, die Familie Waringham vor den Unbilden des Krieges zu bewahren. Doch Julian ist das „weiße Schaf“ in der Familie: Seine Sympathien gelten dem Herzog von York; für den physisch und psychisch schwachen Lancasterkönig Henry VI. hegt er keine Sympathien. In „Die Hüter der Rose“ hatte deshalb John of Waringham mit ihm gebrochen und ihn als eine schlimmere Schande für die Familie als den missratenen Richard bezeichnet. Zusätzlich wuchs Julian bei seinem väterlichen Freund, Richard Neville, dem 16. Earl of Warwick auf. Dieser ist zu Recht in der Geschichte als „Königsmacher“ bekannt geworden und unterstützte zu Beginn der Rosenkriege das Haus York.

Der Herzog von York möchte Julian als Sympathisanten dank dieser Verbindung auf seine Seite ziehen, doch die Mischung aus Erpressung und Bestechung, mit der er es versucht, widert Julian an. Als er nur knapp einem Anschlag auf sein Leben entkommen kann, bricht Julian mit dem Earl of Warwick und dem Haus York.

Seine Schwester Blanche leidet unter einer unglückliche Ehe mit einem Yorkisten und flieht zu Jasper Tudor. Dasselbe Schicksal erleidet auch Julian: Nach der Schlacht von Towton 1461 wird Edward Earl of March zu König Edward IV. von England und verheiratet ihn mit einer Yorkistin, die zudem noch mit seinem Bastard schwanger ist. Doch der Sieg des Hauses York ist nicht vollkommen, die Fronten zwischen Lancasterianern und Yorkisten sind verhärteter denn je, eine Versöhnung scheint trotz all seiner Bemühungen nicht möglich. Nach seiner Heirat mit Elizabeth Woodville kommt es zum Bruch mit dem Earl of Warwick, seinem wichtigsten Verbündeten, und die Rosenkriege flammen erneut auf …

Dreißig Jahre englische Geschichte

Leicht kann man in dem Wirwarr der Rosenkriege den Überblick verlieren. Im Nachwort schreibt Rebecca Gablé zu Recht |“Ich habe früher gelegentlich gesagt, ich würde niemals einen Roman über die Rosenkriege schreiben. Nur ein Wahnsinniger könnte seinem Publikum eine Geschichte zumuten, in der beinahe alle Hauptakteure Edward oder Henry heißen und alle Frauen Margaret.“| Die Namensproblematik konnte Rebecca Gablé durch einige geschickt gewählte Spitznamen (Henry VII. Tudor wird als Kind „Richmond“ gerufen, da er der Earl of Richmond ist. Seine französische Gemahlin Margaret von Anjou wird „Marguerite“ genannt, Margaret Beaufort typisch englisch „Megan“) etwas entschärfen; um die Genealogie und die daraus resultierenden Herrschaftsansprüche zu verstehen, hat sie drei relativ übersichtliche Stammbäume der Häuser Lancaster, York, Tudor und der Nevilles beigelegt.

Dieser Roman umfasst die gesamte Zeitspanne der Rosenkriege, beginnend 1455 bei St. Albans und endend 1485 mit dem Sieg Henry VII. über Richard III. in der Schlacht von Bosworth. Auch die Affäre um den bis heute nicht vollständig aufgeklärten Mord an den „Zwei Prinzen im Tower“ ist enthalten.

Die Handlung verläuft hundertprozentig in historischen Bahnen, womit ich zu dieser nichts weiter zu sagen brauche, man kann sie sehr einfach auf den unten genannten Webseiten nachlesen. Es ist Rebecca Gablé hervorragend gelungen, die Waringhams stimmig in den tatsächlichen Verlauf der Geschichte einzubetten. Der Earl of Warwick und sein Opportunismus und die Rolle als „Königsmacher“ sorgten historisch für Überraschungen, und auch in diesem Roman sorgt er für spannende Unterhaltung. Warum also sollte Gablé eine eigene Geschichte erfinden, wenn die tatsächliche Historie bereits romanreif ist?

Ihr Verdienst ist es, die langen 30 Jahre dieses Krieges kurzweilig zu gestalten. Am besten gefiel mir allerdings die „Leerlaufphase“ nach der Krönung Edwards. Die Zwangsheirat zwischen Julian und Janet ist ein typisches Beispiel für Hochzeitspolitik, die entweder der „Versöhnung“ diente oder wie in Julians Fall dazu, ihm eine Spionin der Yorkisten unterzuschieben. Doch die beiden lieben sich, auch wenn sie wenig Verständnis für die jeweils andere Seite haben. Wie die beiden sich lieben lernen und damit arrangieren, ohne dass es kitschig wird, ist für mich die herausragendste Leistung Gablés in diesem Roman. Das Interessante an den Rosenkriegen war, dass beide Parteien oft Verwandte im anderen Lager hatten. Oft gingen die Risse wie bei den Waringhams auch mitten durch die Familien. Die meisten Burgen fielen nicht nach langer Belagerung, sondern durch Verrat von Sympathisanten, die heimlich das Burgtor öffneten. In den entscheidenden Schlachten wechseln stets ganze Truppenteile die Seiten, was dem heutigen Leser recht schwer verständlich, allerdings historische Tatsache ist und keine Erfindung der Autorin.

Die Gräueltaten bei Plünderungen oder während und nach den Schlachten sorgen für ein Anschwellen des Hasses auf beiden Seiten, der schließlich sogar auf die Bevölkerung überschwappt, die sich zuvor nichts aus diesem Krieg zwischen Adeligen nichts gemacht hat, denen es recht egal war, wer König ist, solange er gut regiert. Es ist sehr interessant zu sehen, wie am Ende die Dynastie der Tudors siegreich aus diesem Ringen um die Macht hervorgeht, die zuvor lange keine Chance hatte. Warum Jasper Tudor so lange nicht geheiratet hat, wird mit seiner Liaison mit Blanche erklärt. Rebecca Gablé hat zahlreiche Figuren aus ihren vorherigen Romanen eingebaut: Julians Ritter Sir Lucas Durham zum Beispiel entstammt der Durham-Dynastie aus ihrem Roman „Der König der purpurnen Stadt“.

Was mir an diesem Roman besser gefällt als an seinem Vorgänger „Die Hüter der Rose“, ist die Charakterisierung der Hauptcharaktere. Julian ist kein unheimlich treuer Strahlemann wie Robin of Waringham, noch ist er so bösartig wie Robert. Auch die unheimliche Treue John of Waringhams ist ihm fremd. Er hat seine Stärken und Schwächen, sympatische und unsympathische Seiten, ohne dass diese „charmante“ Schwächen wären wie bei seinen Vorfahren. Mit der ehelichen Treue hält er es nicht so genau, er kann grausam sein, aber ist im Allgemeinen beliebt bei seinen Vasallen und Freunden. Auch bei den „Bösewichten“ ist Gablé lobenswerterweise von dem Schwarzweißschema der Vorgänger abgekommen und zeichnet ihre Figuren insgesamt viel differenzierter. Zurückgesteckt hat sie bei der Gewalt, die in den Folter- und Schlachtszenen des Vorgängers und generell im Leben John of Waringhams sehr präsent waren. Gerade bei den zahllosen Schlachten der Rosenkriege hätte sie sich hier verlieren können, was sie geschickt vermieden hat.

Fazit:

Dreißig höchst spannende Jahre englischer Geschichte, unterhaltsam und kurzweilig erzählt. Rebecca Gablé übertrifft sich mit dem dritten Roman um die Familie Waringham selbst. Sie hat sich bei der Charakterisierung der zahllosen Figuren von dem simplen Schwarzweißschema wegentwickelt, ist diesmal wesentlich differenzierter als in den Vorgängerromanen. Die immens lange Zeitspanne mit ihren zahllosen Verwicklungen wird von ihr sehr klar strukturiert; ich habe einiges über die Rosenkriege und ihren historischen Ablauf gelernt. Nur dass Julian of Waringham innerhalb dieser 30 Jahre nicht zu altern scheint und stets bei blendender Gesundheit ist, hat mich verwundert. Ihn mit über 50 Jahren noch in einer Schlacht kämpfen zu lassen wie einen jungen Knappen, erscheint mir als ein kleines Versäumnis Rebecca Gablés.

Ansonsten bin ich voll des Lobes – dies ist eindeutig der beste Roman rund um die Waringhams. Mit denen soll vorläufig erstmal Schluss sein laut Gablé, allerdings mit Einschränkungen: „Das habe ich noch nicht endgültig entschieden. Eigentlich sollte nach drei Teilen Schluss sein, aber ich ertappe mich gelegentlich dabei, dass ich mir überlege, wie es den Waringhams unter Henry VIII. oder Elizabeth I. wohl ergehen könnte. Auf jeden Fall aber gibt es erst einmal eine Waringham-Auszeit.“

Da einer der zahlreichen Nachfahren von Julian und Janet sehr seefest ist und bereits mit seinem Vater sehr geschickt für das Haus Lancaster Piraterie betrieben hat, und Gablé eine sehr positives Bild der jungen Elizabeth of York zeichnete, würde ich fast darauf wetten, dass irgendwann einmal ein Waringham unter der Flagge Englands unter Sir John Hawkins oder Sir Francis Drake für ihre Nachfahrin Elizabeth I. segeln wird. Die Autorin hat die Weichen bereits gestellt, und unübersehbar Sympathien für die für sie (noch) fremden Gewässer der Seefahrt gezeigt.

Gebundene Ausgabe: 1200 Seiten
www.gable.de
Verlagsspezial zum Buch: http://luebbe.tellmedia.ch/index.html?mediacode=VGL03010393a1
www.ehrenwirth.de

Sehr gute Übersicht über die Rosenkriege:
www.warsoftheroses.com/