Galgut, Damon – In fremden Räumen

_Inhalt_

Damon reist, und zwar nicht wie jeder andere: Mal in den Urlaub, mal zu Freunden. Damon reist wie ein Getriebener, immer auf der Suche nach etwas, immer angespornt von einer bestimmten inneren Unruhe. Zuhause fühlt er sich nirgends, ein Haus hat er nicht, ein bestimmter Ort erfüllt ihn nicht mit Ruhe und Frieden.

Er hat Freunde in der ganzen Welt, wie es scheint, und nur wenig Berührungsängste: Besucht hier mal jemanden, trifft sich dort mit einem Bekannten, reist hier wiederum ein Stück mit einem Fremden. Aber enge Bindungen aufzubauen und zu erhalten, scheint ihm schwer zu fallen, und das Wissen darum macht ihm zu schaffen.

Damon ist in drei Geschichten jedes Mal ein Anderer: Er ist der Gefährte eines Grenzgängers, ein Mitreisender, ein Gefangener in einem sehr komplizierten Abhängigkeitsverhältnis, das von Anfang an von einem gewissen Fatalismus geprägt ist. Er ist der Liebende, der die bindende Macht der Anziehung und die trennende Kraft der Sprachbarrieren neu ausloten muss, für den Wunsch und Umsetzung zu zwei Lichtjahre voneinander entfernten Welten gehören. Und er ist der Beschützer, der guten Glaubens und blauäugig sich einer Freundin erbarmt, in deren Brust zwei Seelen streiten: Persönlichkeitsspaltung.

Immer ist die Ausgangssituation dieselbe: Es ist die Reise, das Fernsein vom Altbekannten, das es einfacher macht, sich auf Fremdes einzustellen, Unbekanntes als gegeben hinzunehmen. Damon, so in sich gekehrt und wenig glücklich er sein mag, ist auf gewisse Art und Weise völlig frei: Frei, sich auf Neues einzulassen, frei von Bindungen. Dass die andere Seite der Medaille Einsamkeit heißt, ist ihm schmerzlich bewusst, und es ist nicht zuletzt die Suche nach Nähe, die ihn immer wieder in die Ferne treibt.

_Kritik_

Damon Galgut ermöglicht in seinen drei Reisegeschichten jedes Mal einen faszinierend neuen Blick auf seinen namensgleichen Protagonisten: Da wir über diesen Damon wenig erfahren, wird er durch die Interaktion mit den anderen Personen jedes Mal in einem etwas anderen Blickwinkel dargestellt und erhält Facetten hinzu, die man früher nicht an ihm vermutet hätte.

Durch Galguts Kunstgriff, teilweise in der dritten und teilweise in der ersten Person zu berichten, wird eine ganz besondere Form von Nähe geschaffen, die wahrscheinlich durch einen ausschließlichen Ich-Erzähler nicht so gegeben gewesen wäre: Es scheint, als würde der Autor versuchen, objektiv und mit Blick von außen zu berichten, aber immer wieder daran scheitern, sobald eine Situation emotionaler wird, so dass er unwillkürlich in die Introspektion der ersten Person zurückfällt. Natürlich ist das beabsichtigt, aber es ist genial erdacht und toll umgesetzt: Die stille, zurückgenommene Erzählweise bekommt dadurch eine weitere, intensive Dimension hinzu.

Es ist fast schon absurd, wenn man im Nachhinein auf die beschriebenen Personen zurückblickt und feststellt, dass fast keine davon ein tatsächlicher Sympathieträger war. Es ist Galguts Blick auf die Menschen, auch auf sich selber, der Fehler und Unzulänglichkeiten aufnimmt, nicht zu Gunsten schönerer Punkte über sie hinwegsehen kann. All die dargestellten Menschen sind befangen in ihren Ansichten, Überzeugungen, Ängsten; selbst diejenigen, die dem Protagonisten ganz offensichtlich sympathisch sind, erreichen immer irgendeinen Punkt, an denen Kleinmut oder auch Fatalismus sie plötzlich innerlich hässlich macht. Und das ist wohl die traurigste Begründung für Einsamkeit, die man sich nur ausdenken kann.

_Fazit_

„In fremden Räumen“ ist kein rasantes Buch. Es sind drei sehr fein konstruierte Erzählungen, die aber alle eine gewisse Form von Wucht besitzen. Es überrascht kaum zu erfahren, dass der Autor selbst sehr viel auf Reisen ist: Er weiß genau, was ein fremdes Umfeld mit den Menschen anstellen kann, kennt die Grenzen des Möglichen und hat ganz offensichtlich ausgelotet, wie Nähe und Ferne in der Fremde und zwischen Fremden entstehen können.

Es handelt sich um melancholische Geschichten, sprachlich betörend und menschlich bedrückend. „In fremden Räumen“ ist schön, aber hoffnungsarm. Man muss wissen, ob man sich darauf einlassen möchte, wenngleich ich es jedem nur ans Herz legen kann, denn die Güte dieser Geschichten ist unbestritten.

|Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Originaltitel: In a Strange Room
Aus dem Englischen von Thomas Mohr
ISBN-13: 9783442546756|
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