Gaspard, Jan / Lueg, Lars Peter / Sieper, Marc – Ausgespäht und ausgetrickst (Offenbarung 23, Folge 24)

_Ironisch: Überwache deine Überwacher!_

Was bisher bloße Verschwörungstheorie war, wird Realität: Die geheimnisvollsten Tragödien, die skrupellosesten Verbrechen werden entschlüsselt. Die Welt wird nicht mehr die gleiche sein, denn auch das letzte Rätsel wird gelöst.

Kann das sein? Eine Leuchtreklame irgendwo an einer Hauswand, die plötzlich mit einem „redet“? Dem Berliner Studenten Georg Brand passiert genau dies. Und es scheint, dass der tote Hacker Tron alias Brois F. über diese Werbetafel mit ihm in Kontakt zu treten versucht. Oder wer treibt da sein makaberes Spiel – und nutzt dafür die Informationstechnologie einer ganzen Stadt? (Verlagsinfo)

_Der Autor und die Macher_

Jan Gaspard ist ein Pseudonym. Der reale Mensch hat immerhin eine Mailadresse – das ist doch schon mal was. Laut Verlag soll der Rechercheur für Unternehmer wie Axel Springer, Ross Perot, Rupert Murdoch und sogar Dick Cheney gearbeitet haben. Wer’s glaubt, sollte ihn engagieren. Er zeichnet für „Idee, Konzeption, Recherche & Buch“ verantwortlich.

Für die praktische Umsetzung dieser Steilvorlage sorgte hinsichtlich Regie, Produktion & Dramaturgie Lars Peter Lueg, seines Zeichens Verlagsleiter von |LPL records|. Für den „heiligen Geist“ in Form von „Inspiration“ sorgte Koproduzent Marc Sieper. Schnitt, Musik und Tontechnik lagen in den kompetenten Händen von Andy Matern. Markus Wienstroer bearbeitete die Gitarren in der Titelmelodie – das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Die Aufnahmeleitung oblag Anno Storbeck.

|1. Staffel von „Offenbarung 23“:|
1) [„Wer erschoss Tupac?“ 1934
2) [„Tupacs Geheimnis“ 1948
3) [„Die ‚Titanic‘ darf nie ankommen“ 2012
4) [„Die Krebs-Macher“ 2015

Einschub: [„Offenbarung 23 – Machiavelli“ 2472

|2. Staffel:|
5) [„Das Handy-Komplott“ 2576
6) [„Der Fußball-Gott“ 2577
7) [„Stonehenge“ 2590
8) [„Macht!“ 2591

|3. Staffel:|
9) [„Gier!“ 3104
10) [„Die traurige Prinzessin“ 3113
11) [„Die Hindenburg“ 3131
12) [„Der Piratenschatz“ 3136

|4. Staffel:|
13) [Das Wissen der Menschheit 3885
14) [Das Bernsteinzimmer 3887
15) [Durst! 3900
16) [Krauts und Rüben 3934

|5. Staffel:|
17) [Die Waterkant-Affäre 4340
18) [Menschenopfer 4362
19) [Angst! 4537
20) [Die Pyramiden-Saga 4554

Einschub: 21) [Jack the Ripper 4875 (Live-Lesung)

|6. Staffel:|
22) [Der Fluch des Tutanchamun 5040
23) [Der Jungbrunnen 5171
24) Ausgespäht und Ausgetrickst
25) Sex and Crime

Mehr Infos: http://www.offenbarung-23.de sowie http://wiki.jan-gaspard.net/ und http://www.vertraue-niemandem.net.

_Die Sprecher_

In der Riege der Sprecher finden sich etliche einschlägig vorbelastete Herrschaften, die man schon aus dem Hause |LPL records| kennt:

„Stimme der Wahrheit“: Friedrich Schoenfelder (David Niven, Peter Cushing, Vincent Price)
Ian G.: Till Hagen (Kevin Spacey, Billy Bob Thornton)
Georg Brand alias T-Rex: David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale)
Tatjana Junk alias Nolo: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Nat Mickler: Helmut Krauss (Marlon Brando, James Earl Jones)
Boris F. alias Tron: (Adrien Brody in „King Kong“)
Nachrichtensprecherin: Ulrike Hübschmann
UPS-Bote: Rainer Fritzsche
Intro: Benjamin Völz (Keanu Reeves, James Spader) & Jaron Löwenberg

_Vorgeschichte_

Der Berliner Informatikstudent Georg Brand, in Hackerkreisen als „T-Rex“ bekannt, ist auf eine Verbindung zwischen dem besten deutschen Hacker Boris F. alias „Tron“ und dem Rapper Tupac Shakur gestoßen. Alle möglichen Leute, die Geheimnisse aufdecken oder vertuschen wollen, interessieren sich auf einmal für T-Rex. Während Georg mit Trons ehemaliger Freundin Tatjana Junk alias Nolo anbandelt, meldet sich Tron quasi aus dem Jenseits: Er ist seit 1998 offiziell tot. Ist er das wirklich? Jedenfalls gibt Nolo Georg eine „Chiffre“ nach der anderen in die Hand. Chiffren sind eine Umschreibung für Hinweise auf die Geheimnisse, die Tron vor seinem Tod aufgedeckt hat – brisanter Stoff sozusagen.

_Handlung_

Man schreibt das Jahr 2004. Es ist Samstag um 11:45 Uhr nahe Frankfurt/Main, als Georg Brand mit seiner Freundin Nolo in Nathan Micklers Wagen fährt. Mickler ist der Vater von Margo, die Georg schon oft gepiesackt hat. Nun haben sie ein aufregendes Abenteuer im Osterwald hinter sich und möchten sich eigentlich etwas erholen (vgl. „Der Jungbrunnen“).

Da sieht Georg auf einem Online-Werbedisplay an einer Hauswand den Satz: „Georg, ich rufe dich. Tron.“ Er wird ziemlich aufgeregt, ist sich seiner Beobachtung aber sicher. Mickler versichert ihm, dass diese lokal abgestimmte Botschaft technisch realisierbar sei. Er kannte Tron alias Brois F, der einer seiner Patienten gewesen sei. Auf einer anderen Werbetafel lesen sie: „Georg, zum Flughafen, schnell!“ Auf dem Parkleitsystem lesen sie weitere Anweisungen, die sie zum Ankunftsbereich des Terminals 1 führen. Mickler vermutet, dass eine „starke KI“ dahintersteckt, also eine Künstliche Intelligenz. Doch wohin führt sie diese?

In den Bereich, der dem Bundesgrenzschutz vorbehalten ist. Aber genau im richtigen Moment wird die Absperrung entriegelt und sie können in den Bereich der Gepäckbänder vordringen. Über einem davon zeigt eine Anzeigetafel den seltsamen Stadtnamen „Tel Avis“ an. Georg checkt es sofort: Hier gibt es etwas für ihn, das Tron geschickt hat.

Die Beobachter, die Georg mit den Überwachungskameras folgen, rätseln ebenfalls. Ian G macht heute Innendienst und fragt sich: Woher kommen diese Botschaften? Höchstens Tron könnte so schnell sein, um auf jede dieser Botschaften sofort zu reagieren. Aber Tron starb 1998.

Nolo entdeckt auf dem Tel-Avis-Gepäckband eine Laptoptasche, auf deren Anhänger „Boris F“ steht. Georg greift sich die Tasche, öffnet sie und staunt über das sieben Jahre alten |Apple|-Notebook mit WLAN-Antenne. Herrje, war das Ding so lange unterwegs? Er schließt es an, fährt es hoch und staunt: jede Menge Regierungsanwendungen – brisantes Zeug. Er hat hier sogar Zugriff auf Überwachungskameras, so etwa in Bagdad, bei der US-Luftwaffe. Oder hier im Flughafen auf – Ian G und seine Mannen. Die beobachteten Beobachter verduften schleunigst. Als schwarze Sheriffs nahen, machen auch Georg und Co. die Fliege.

Als er sich über WLAN in den DENIC-Knoten des deutschen Internets einhackt, lokalisiert er mit Trons Supermaschine sogar Ian G. In Mainz. Wie es scheint, hat Ian Gs Geheimorganisation ihr Überwachungszentrum im oder unter dem Mainzer Dom. Georg ist fassungslos. Er muss sofort hin. Ob er Ian G diesmal erwischt?

_Mein Eindruck_

In dieser Folge geht es einerseits um den Heiligen Gral für Georg: Trons Computer. Das ist der endgültige Ritterschlag, und fortan kann Georg wie der verheißene Erlöser auftreten. Wollen wir hoffen, dass ihm diese Rolle nicht zu Kopfe steigt. Der zweite Aspekt ist der gläserne Bürger. Mit Trons Notebook hat Georg nun einen derart umfassenden Zugriff auf alle möglichen Daten, dass dies jedem Datenschutzbeauftragten schlaflose Nächte voller Albträume bescheren würde.

Nicht nur die allseits bekannten Personenstandsdaten (Geburtstag, Wohnort usw.) stehen T-Rex nun auf ein Fingerschnippen und Mausklicken hin bereit, sondern auch so heikle Dinge wie Finanzdaten, Kreditwürdigkeit und natürlich Patientenakten, die begehrtesten Daten von allen. Denn wenn eine Versicherung wirklich wüsste, wie es der Person gesundheitlich geht, die sie gegen Risiken versichert, dann würde sie gleich die Tarife verdoppeln. Mindestens.

|Totale Überwachung|

Das Sahnehäubchen der totalen Erfassung durch Big Brother ist dann schon gar nicht mehr so spektakulär: die audiovisuelle Überwachung und Verfolgung (Tracking) mit Hilfe biometrischer Daten wie etwa Gesichtsmerkmalen, Haarfarbe und Kleidung. Videokamera-Überwachung erfolgt bereits in allen Städten Deutschlands, in England zusätzlich auch in Kleinstädten und sogar Dörfern. CCTV macht’s möglich: Closed-circuit Television. Seltsamerweise ist auf der britischen Insel die Verbrechens- und Aufklärungsrate nicht signifikant zurückgegangen, vielmehr hat die Todesrate durch Messerstechereien erheblich zugenommen. Irgendetwas läuft dort furchtbar falsch. Bei uns demnächst auch?

Was Tron mit seinem Nachfolger macht, um mit ihm auf Schritt und Tritt zu kommunizieren, ist ebenfalls schon ohne weiteres realisierbar. (Ob es auch sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt.) Mit Hilfe von öffentlichen Anzeige- und Werbetafeln weist er Georg den Weg. Diese Tafeln sind elektronisch gesteuert, so weit klar. Aber woher weiß Tron – der ja bekanntlich 1998 starb -, wo sich Georg gerade befindet?

|Spezielle Services|

Dies wird nur durch Ortung mit Hilfe von Mobilfunkzellen möglich. Jedes eingeschaltete Handy meldet sich in den Zellen eines Mobilfunkgebietes an und lässt sich auf seinem Weg von Zelle zu Zelle verfolgen. Momentan kann dies jeder ungestört tun und bekommt Mail- und SMS-Spam nur von seinem zentralen Provider.

Location-based Services, also ortsgebundene Dienste, sollen es künftig ermöglichen, dass auch lokale Dienstanbieter entsprechende Werbebotschaften schicken können. Peinlich: Wer früher mal das bekannte Drei-Farben-Haus, Stuttgarts größtes Bordell, besucht hat, könnte noch nach Jahren entsprechende Werbung für dessen spezielle „Services“ erhalten. Auch dann, wenn die werte Gattin das Handy benutzt … (Beim Verkauf des Handys wird stets die SIM-Karte entfernt, daher funktioniert der Trick nicht nach einem Veräußern des Mobiltelefons.)

|Der Geist in der Maschine|

Aber wie kommt es, dass Tron sechs Jahre nach seinem offiziellen Tod noch in den elektronischen Kreisen Frankfurts herumgeistert? Mickler erwähnt etwas von einer „starken KI“ und meint damit eine menschenähnlich denkende und agierende Künstliche Intelligenz. Meines Wissens existiert so etwas noch nicht, ist aber in der Entwicklung. Das Problem ist lediglich, dass das menschliche Gehirn so ungeheuer komplex ist, dass es sich nicht nachbilden lässt. Schließlich geht es um rund zehn Milliarden Nervenzellen. Die Robotik verspricht demgegenüber mehr Erfolge, und die Japaner arbeiten dabei an der vordersten Front.

|Unter dem Dom|

Dass sich ein Geheimdienst wie der von Ian G (vermutlich russischer GRU) unter einer Kathedrale wie dem Mainzer Dom einrichtet, ist schon ein starkes Stück, denn das kommt ja einer Entweihung dieses heiligmäßigen Ortes gleich. Nicht nur das: Ian G hat eine ganze Serverfarm mitsamt Antennen eingerichtet. Und darf nun beim Nahen des „Weißen Ritters“ Georg Brand umziehen. Dabei unterläuft seinen hirnamputierten Untergebenen ein folgenschwerer Fehler. Man muss eben alles selber machen *seufz*.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Es ist schon lustig, wenn man in einem Serienhörspiel all jene Schauspieler sprechen hört, die man sonst mit bildschirmfüllenden Actionkrachern oder großartigen Romanzen in Verbindung bringt. Das hebt die Handlung doch gleich eine Stufe höher, verleiht ihr den Glanz von Hollywood.

Besonders David Nathan als T-Rex hat mir gefallen, denn man hört immer einen leichten ironischen Zungenschlag bei ihm heraus, und häufig verfällt er in herrlichen Sarkasmus. Diesmal allerdings erleidet Georg Brand einen kleinen Tobsuchtsanfall angesichts der totalen Überwachung, die mit Trons Laptop möglich ist, und besonders dann, als er seine eigenen Überwacher ertappt.

Nat Mickler kann dabei noch halbwegs mithalten, und Helmut Krauss verleiht dieser Figur die nötige Autorität, aber auch Freundlichkeit. Nolo kommt diesmal schlecht weg, und Marie Bierstedt hat wenig zu tun. In der nächsten Folge „Sex and Crime“ ist ihre Rolle völlig gestrichen. Es ist an der Zeit, sie in den Mittelpunkt zu rücken. Denn diesmal entdeckt auch Georg, dass Nolo gar nicht Nolo ist. Folglich muss ein kleines Identitätsproblem abgearbeitet werden.

|Geräusche und Musik|

Alle Geräusche sind natürlich aus der Realität entnommen und verleihen der Handlung den Anstrich von Filmqualität. Aber sie kommen nie den Dialogen in die Quere, sondern sind in dieser Hinsicht zurückhaltend. Durch die Handhabung der Lautstärke können zum Beispiel Bauarbeiten in den Hintergrund gerückt werden, während im Vordergrund die Figuren noch miteinander reden. Bauarbeiten sind ja generell nicht so wahnsinnig interessant, wenn man sie nicht sehen kann. Sehr heikel sind jedoch Szenen in Straßenzügen oder in einem Lokal; die Geräuschkulisse ist einerseits detailliert zu halten, um glaubwürdig zu bleiben, muss aber so dezent gehalten werden, dass sie den Dialog nicht stört. Knifflig, aber lösbar. Und in „Offenbarung 23“ fast immer optimal gelöst.

Die wenige Musik, die erklingt, fungiert meist als Pausenfüller: Fetzige Gitarren, für die Markus Wienstroer verantwortlich zeichnet, bestimmen das In- und Outro. Während der Szenen plätschert im Hintergrund hin und wieder etwas lokale Muzak (kommerzielle Musik für Cafés und Kaufhäuser) oder elektronische Musik und Tablas so vor sich hin. Mir gefielen mehr die Gitarren.

_Unterm Strich_

Die Botschaft ist klar, Herr Kommissar: Überwacht die Überwacher! Georg Brand kommt seinem Schatten Ian G auf die Schliche und verfolgt ihn in dessen Fuchsbau. Gibt es einen Showdown? Das soll nicht verraten werden. Darum geht es auch nicht, sondern darum, dass der Autor ein Menetekel an die Wand schreibt: Wehret den Anfängen in der totalen Überwachung des gläsernen Bürgers.

Gerade habe ich meine Steuer-Identifikationsnummer zugeschickt bekommen, die mich noch 20 Jahre nach meinem Ableben wie ein treuer Floh im Pelz verfolgen wird. Und als Selbständiger werde ich sogar noch eine zweite Nummer bekommen: die Wirtschafts-Identifikationsnummer. Als ob eine nicht gereicht hätte. Der Bundesfinanzminister hat bereits den [Big Brother Award]http://www.bigbrotherawards.de/2007/.pol erhalten, aber man sollte auch einen Big Buddha Award stiften: denn die Überwachung geht ja nach dem Tod, wenn ich schon im Nirvana bin, munter weiter.

Diese Folge ist recht spannend und informativ geschrieben und auf dramatische und abwechslungsreiche Weise inszeniert. Das kann man von der nächsten Folge nicht gerade behaupten. Das Hörspiel ist von |Lübbe| und |LPL records| gewohnt sorgfältig produziert worden und ich habe an der Technik nichts auszusetzen. Die Stimmen der Hollywoodschauspieler verleihen der gewohnt abwechslungsreichen Handlung etwas Filmglamour.

Die Story wartet in der Regel mit Verschwörungstheorien, Kurzinfos, Hacker-Eskapaden und allerlei zwielichtigen Aktionen auf. Abzug gibt es für das erneute Aufwärmen der abgedroschenen Mithras-Theorien im Zusammenhang mit dem Mainzer Dom. Sie lenken bloß von der Action ab.

|72 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3567-1|
http://www.offenbarung-23.de
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de