Geagley, Brad – Jahr der Hyänen, Das

Ägypten im 12. Jahrhundert v. Chr., zur Zeit von Ramses III: Die Einwohner Thebens feiern das Osiris-Fest, bei dem sie den Verstorbenen gedenken. Die alte und nahezu blinde Priesterin Hetephras wird auf dem Weg zum Tempel ermordet, ein kleiner Junge entdeckt die Leiche bald darauf im Schilf. Eine tote Priesterin verheißt Unglück und das Verbrechen soll daher so schnell wie möglich geklärt werden, zumal die Verstorbene in enger Bindung zur Königin stand. Dabei stellen sich jedoch Probleme in den Weg: Theben wird in Osten und Westen von zwei verschiedenen Bürgermeistern, Paser und Pawero, regiert; die Tote gehörte dem einen Bezirk an, wurde jedoch im anderen gefunden. Die Feindschaft der Regierenden sorgt für zusätzliche Spannungen, jeder der beiden beansprucht den Fall für sich.

Überraschend erhält der Detektiv Semerchet den Auftrag, den Mord zu klären. Semerchet ist zwar ein scharfsinniger Ermittler, doch sein Ruf dagegen miserabel. Erst vor kurzem wurde er von seiner Frau Naia verlassen, die obendrein ein Kind von einem anderen Mann erwartet. Seitdem ist Semerchet, der zu cholerischen Anfällen neigt, dem Alkohol verfallen – doch dieser hochbrisante Fall weckt wieder den Lebenswillen in ihm.

Mit der Unterstützung seines Bruders Nenri, Oberster Schreiber des Bürgermeisters Paser, der ihn dem Großwesir als Ermittler empfahl, stürzt sich Semerchet auf seine Aufgabe, die sich als äußerst knifflig erweist. Er ahnt sehr bald, dass der Mord größere Bedeutung hat als zunächst angenommen – und dass er den Auftrag gerade wegen seiner Trunkenheit erhielt, in der Hoffnung, keinen Erfolg zu haben. Semerchet fühlt sich herausgefordert und entsagt dem Alkohol. Die Dorfbewohner verweigern die Mitarbeit, mysteriöse Reichtümer tauchen auf und die Grabwächter leiden seit geraumer Zeit an einer unerklärlichen Müdigkeit und Albträumen. Semerchet wird klar, dass alle Vorkommnisse zusammengehören. Mehr noch: Der Mordfall ist Teil einer viel größeren Verschwörung, die sich gegen Pharao Ramses III richtet und Semerchet in höchste Gefahr bringt …

An Detektivromanen herrscht kein Mangel auf dem Buchmarkt. Aus aller Herren Länder treten die Privatermittler hervor und auch Historienkrimis sind nichts Neues, man denke beispielsweise an die Serienhelden von Paul Harding oder Ellis Peters, die im mittelalterlichen England ihre Fälle aufklären. Das Ägypten zur Zeit der Pharaonen ist jedoch ein orgineller Schauplatz, sodass selbst eingefleischte Krimifans hier auf abwechslungsreiche Kosten kommen.

|Hardboiled-Detektiv im Lendenschurz|

Im Zentrum steht die Gestalt des ungewöhnlichen Detektivs Semerchet, eigentlich eher ein Antiheld mit seinem Hang zum Alkoholismus und seiner oft unleidlichen, sturen Art. Die Handlung spielt zwar vor tausenden von Jahren, doch Semerchet verkörpert ein menschliches Schicksal, das sich genauso gut zur heutigen Zeit ereignen könnte. Der Leser lernt ihn während eines verzweifelten Versuches kennen, seine Ex-Frau zurückzugewinnen. In seiner Not schwört er ihr, von nun abstinent zu leben, was die traurige Naia nicht mehr ernst nehmen kann, woraufhin er sie kurzzeitig sogar mit einem Messer bedroht. Mit seiner kaputten Psyche erinnert Semerchet nicht selten an die Protagonisten der Hardboiled-Schule, nur dass sein Revier nicht in der verregenten Großstadt, sondern am sonnigen Nil liegt und er statt staubigem Trenchcoat einen Lendenschurz trägt.

|Humor und Faktentreue|

Sehr positiv fällt auf, dass sich das Buch als ausgewogene Mischung zwischen Historienroman und Krimi präsentiert. Autor Brad Geagly ist ein Experte auf seinem Gebiet, nicht zuletzt durch seinen Einsatz als zentraler Berater beim Hollywood-Klassiker „Cleopatra“ mit Liz Taylor in der Titelrolle. Auch wenn der Roman ins Reich der Fiktion gehört, stützt sich die Handlung auf historische Fakten, nämlich auf die ältesten bekannten Gerichtsakten und nicht nur Pharao Ramses III. – der tatsächlich beinahe einer Verschwörung zum Opfer fiel -, sondern auch weitere Figuren wie sein Großwesir To beruhen auf realen Personen. Ägyptenkenner werden sich am Detailwissen des Autors erfreuen, der viele historische Fakten einfließen lässt, angenehmerweise ohne dabei je trocken zu werden oder ins Dozieren zu verfallen. Im Gegenteil gelingt es ihm sogar, dem Roman einen humorvollen Unterton zur Seite zu stellen, etwa wenn der wütende To mit Wendungen wie „Bei den Eiern des Horus“ um sich wirft oder der volltrunkene Semerchet in den Lotusteich seiner entsetzten Schwägerin uriniert, woraufhin alle Fische das Zeitliche segnen.

|Kleine Schwächen|

Wenn man vom Schauplatz der Geschichte absieht, ist der Aufbau der Handlung allerdings sehr konventionell geraten. Wie in zahlreichen anderen Krimis auch wird hier das beliebte Schema verwendet, in dem sich ein anfangs nebensächlich erscheinender Mord zu einer gewaltigen Verschwörung ausweitet und ein unscheinbarer Ermittler, dem niemand viel zuzutrauen scheint, letztlich einen großen Erfolg landet. Auch dass höchste Regierungskreise in das Verbrechen verwickelt sind, ist eine altbewährte Idee, inklusive der Korruption und der Beteiligung von Charakteren, die im Privatleben des Ermittlers eine Rolle spielen – wie in diesem Fall seine Ex-Frau Naia, deren neuer Mann Nacht keine unwichtige Figur in der Angelegenheit ist.

Und auch wenn der Autor eine kurze Einleitung in die geschichtlichen Umstände liefert, können Leser, denen das pharaonenregierte Ägypten kein gewohntes Terrain ist, vom Detailreichtum zeitweise überfordert werden. Das Buch besitzt zwar eine doppelseitige Landkarte, in der die wichtigsten Orte verzeichnet sind, aber es fehlt dringend an einem Glossar mit Namens- und Worterklärungsverzeichnis. Allein die Personennamen können am Anfang verwirren, schließlich klingen „Naia“, „Nenri“ und „Nacht“ nicht unähnlich, zumal es nicht leicht ist, den ungewohnten Namen auf Anhieb einen weiblichen oder männlichen Träger zuzuordnen. Ebenso verhält es sich mit ägytptischen Bezeichnungen, die nicht unbedingt jedem Leser geläufig sind, vor allem Götternamen, die sicher jeder schonmal gehört hat, aber bei denen es möglicherweise am Hintergrundwissen hapert. Von diesen kleinen Mängeln abgesehen, ist Geagley jedoch ein unterhaltsamer Roman gelungen, dem zu wünschen ist, dass ihm noch einige Nachfolgebände folgen – der zweite Krimi um Semerchet ist in den USA bereits erschienen.

_Fazit:_ Ein Krimi aus dem alten Ägypten mit einem Antihelden als Privatdetektiv, der mit einem scheinbar unwichtigen Mord beginnt und in eine große Verschwörung mündet, die bis in die Kreise des Pharaos reicht. Die Handlung ist eher konventionell gehalten, der Schauplatz dagegen originell und fundiert aufbereitet, sodass vor allem Historienfans auf ihre Kosten kommen. Für weniger geschichtsversierte Leser fehlt leider ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen, das die Lektüre erleichtern würde.

_Der Autor_ Brad Geagley ist seit vielen Jahren ein Experte für das Alte Ägypten und zugleich als Produzent und Drehbuchautor in Hollywood tätig. „Das Jahr der Hyänen“ ist sein erster Roman, der Nachfolger „Day of the false king“ ist in den USA bereits erschienen. Heute lebt er in Palm Springs, Kalifornien.
Mehr Informationen über den Autor und seine Werke findet man auf seiner Homepage: http://www.yearofthehyenas.com/

http://www.rowohlt.de

Schreibe einen Kommentar