Gerber, Rip – Pharma

Im brasilianischen Regenwald werden zwei Touristinnen von einer riesigen Venusfliegenfalle angegriffen und beinahe getötet. Auch die Forscherin Susan Plotkin muss sich einer höchst aggressiven Aya-Ranke erwehren, die sie nur dadurch vernichten kann, indem sie den Jeep, in welchem sie die Pflanze transportierte, in die Luft jagt. Susan und ihr Kollege Ben Maxwell sehen in der Entdeckung die unglaubliche Chance, die Schließung ihres Labors im Regenwald zu verhindern.

Ursprünglich sollte die Einrichtung, welche die Firma ChemGen finanziert, der Entdeckung eines Medikaments gegen Progerie dienen. Doch diverse Experimente schlugen fehl, und als ein Indianermädchen, an dem das Arzneimittel getestet wurde, starb, wurde das Projekt beendet. Nun stehen die Arbeitsplätze der Wissenschaftler auf dem Spiel. Doch das ist nur das geringste Problem von Susan und ihren Mitarbeitern, denn der fanatische und stinkreiche Urwaldschützer Hopkins hat Wind von den killenden Riesenpflanzen bekommen und schickt sich an, das Geheimnis des Gigantismus zu ergründen, notfalls auch mit Gewalt durch hiesige Söldner …

Rip Gerbers Debütroman wird direkt mit folgendem Werbeslogan angepriesen: „Ein rasanter Wissenschafts-Thriller von erschreckender Aktualität“. So oder ähnlich werden allerdings zahllose Romane dieses Genres beschrieben, aber im Gegensatz zu vielen anderen Werken beschäftigt sich das vorliegende Buch nicht mit Viren oder mutierten Tieren, sondern rückt erstmals die Welt der Pflanzen in den Mittelpunkt des Geschehens. Dass dabei riesige Venusfliegenfallen Menschen angreifen, hört sich im ersten Moment sehr plakativ und trashig an – und ist es letztendlich auch. In erster Linie interessiert den Autor mit Sicherheit der Unterhaltungswert seines Buches und weniger die Glaubwürdigkeit oder Authentizität. Auch wenn auf der sehr anschaulich gestalteten [Internet-Seite]http://www.pharmathriller.de einige interessante Fakten zu den Pflanzen des Regenwaldes und den genetischen Versuchen, die mit ihnen gemacht werden, stehen, so ist der größte Teil der Geschichte reine Fiktion.

Bei den Charakteren bedient sich Gerber kräftig bei den üblichen Klischees und kreiert nicht nur die taffe, attraktive Forscherin Susan, sondern auch den etwas heruntergekommenen, aber dafür umso brillanteren Wissenschaftler Ben Maxwell, der neben dem ganzen Trubel um Firmenverschwörung und Killerpflanzen auch noch sein verkorkstes Familienleben auf Vordermann bringt. Leider ließ es sich der Schriftsteller auch nicht nehmen, ebenfalls einen dieser klugscheißenden und über die Maßen hinaus mutigen Jugendlichen in den Roman einzubauen, der dank seiner genialen Computerkenntnisse selbstverständlich einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Falles leistet. Als der knapp 14-jährige Bengel aber dann auch noch einen Hubschrauber steuert, dessen Handhabung er allenfalls aus diversen Computersimulationen her kennt, verlässt der Autor endgültig die Ebene der Glaubwürdigkeit. Der habgierige Geschäftsmann Hopkins weist zunächst noch überraschend differenzierte Charakterzüge auf, wird aber zum Ende hin ein genauso wahnsinniger wie bösartiger Gegenpart zu den oben erwähnten Gutmenschen, wie man ihn aus unzähligen Geschichten solcherlei Art her kennt.

So hervorragend Gerber in Sachen Botanik und Chemie recherchiert haben mag, was an sonstigen Fakten dem Leser geboten wird, ist gelinde gesagt haarsträubend für einen Wissenschaftsthriller. Susan Plotkin jagt ihren Jeep nebst Monsterpflanze allein dadurch in die Luft, dass sie eine Kugel in den Tank schießt. Ein Motorrad, welches aus einigen Metern zu Boden stürzt, fängt ebenfalls sofort Feuer, und als Vater und Sohn den Urwald erkunden, finden sie zufällig eine zehn Meter lange Anakonda im Wipfel eines Baumes, wo die Riesenschlange einen Hirsch (!) verschlingt und blitzschnell die Flucht ergreift, als der Junge einen Stein nach ihr wirft. Abgesehen davon, dass man Anakondas auch im Regenwald Amazoniens nicht an jeder Ecke sieht, ist ein Exemplar von zehn Metern Länge eine echte Seltenheit. Eine Schlange von diesen Ausmaßen ist aber auch derart schwer, dass sie meistens im Wasser jagt und kaum in der Lage ist, einen Baum zu erklimmen, schon gar nicht mit einem Hirsch in den Fängen. Hinzu kommt, dass eine Riesenschlange beim Fressen und anschließend beim Verdauen kaum in der Lage ist, irgendwohin zu kriechen bzw. die Flucht zu ergreifen. Hier hat sich der Autor sein Wissen wohl in schlechten Filmen angeeignet.

Der Storyaufbau ist allerdings wirklich rasant und der Schreibstil sehr flüssig, so dass man das Buch recht zügig durchlesen kann, zumal die einzelnen Kapitel auch nicht sonderlich lang sind. Der Spannungsbogen wird trotz aller Mängel konstant gehalten. Wer es mit den Fakten nicht so genau nimmt und sich einfach für ein paar Stunden unbeschwert unterhalten möchte, der kann bei diesem Schmöker getrost zugreifen.

Die Aufmachung des Romans ist ebenso schlicht wie wirkungsvoll. Der Titel wurde in erhaben blutroten Lettern auf den Einband gedruckt und der schwarze Hintergrund mit dem grünen Fangblatt einer Venusfliegenfalle macht dem potenziellen Leser sofort klar, worum es in dem Buch geht. Für die Innenseiten des Bandes hat sich der Verlag auch eine originellere Lösung als die langweilige weiße Pappe einfallen lassen. Wenn man das Buch aufklappt, sieht man unter der vergrößerten Abbildung des Fangblattes vom Cover ein Foto des Autors. Auf der Innenseite des Klappentextes hat der Verlag die Chance für ein wenig Eigenwerbung ergriffen und präsentiert aktuelle Wissenschafts-Thriller in farbigen Abbildungen.

Fazit: Ein flüssig geschriebener Thriller über die Abgründe moderner Pharmazeutikunternehmen. Wer auf anspruchsvolle Unterhaltung hofft, wird bei diesem Buch sicherlich enttäuscht werden. Wer sich allerdings nur die Zeit mit einer kleinen Horror-Story à la Hollywood vertreiben will und nicht viel Wert auf Charakterzeichnung legt, der kann sich den Roman bedenkenlos zulegen.

http://www.pharmathriller.de
http://www.heyne.de

_Florian Hilleberg_

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