Giménez-Bartlett, Alicia – Stimme des Blutes. Petra Delicado ermittelt

Alicia Giménez-Bartlett gehört zu den Schriftstellerinnen, die ihren Büchern einen unverkennbaren Stempel aufdrücken, wie das auch ihre französische Kollegin Fred Vargas und einige der skandinavischen Krimiautoren tun. Sieben Bücher gibt es bereits mit dem ungleichen und höchst amüsanten Ermittlerpaar Petra Delicado und Fermín Garzón. „Stimme des Blutes“ ist wider Erwarten kein neuer Fall der beiden, sondern ein Sammelband mit vier Kurzgeschichten.

An Kriminalkurzgeschichten haben sich schon zahllose Autoren vor Alicia Giménez-Bartlett versucht. Das Problem dabei ist, dass sowohl die Kürze als auch die Handlung stimmen müssen und der Leser bei seinen geliebten Ermittlern aber nichts vermissen möchte. Die spanische Bestsellerautorin schlägt sich dabei mit ihrem Versuch ziemlich gut. Ihre Kurzgeschichten haben diesen Titel auch verdient, denn sie versuchen nicht, einen verworrenen, groß angelegten Kriminalfall auf wenige Seiten zu quetschen, sondern widmen sich mit voller Absicht sehr einfachen Fällen und der kompakt gehaltenen Suche nach Täter und Motiv.

Tiefer auf den Inhalt einzugehen, würde daher an dieser Stelle kein besonders stimmiges Bild von diesem Sammelband geben. Giménez-Bartlett lässt ihre Ermittler in sehr unterschiedliche Settings eintauchen, so viel sei gesagt. Neben dem Mord an einem arroganten Bodybuilder in einem Fitnessstudio ermitteln sie in einem Bordell, in dem vier Prostituierte umgebracht wurden. Außerdem kommen ein zwielichtiger Litauer und ein Lehrer zu Tode, wobei Petra Delicado bei Letzterem bedauert, dass es ausgerechnet ein Lateinlehrer und kein anderer war, weil die westliche Kultur dadurch noch ein wenig ärmer wird.

Die Autorin geht bei ihren vier Geschichten stets nach dem gleichen Aufbau vor: Am Anfang gibt es einen Toten, der eindeutig nicht auf natürlichem Weg verstorben ist, und eine Reihe von Tatverdächtigen. Die Ermittlung des Mörders erfolgt nun weniger über Actionszenen und tausend mögliche Spuren, sondern über die Kopfarbeit der Ermittler und die Verhöre der Verdächtigen.

Tatsächlich ähneln die vier Geschichtlein eher einem erzählten Bericht von Petra Delicado. Wie gewohnt in der ersten Person erzählt sie von den Ermittlungen und klingt dabei, als säße sie dem Publikum direkt gegenüber und würde einen kleinen Schwank aus ihrem Arbeitsleben erzählen. Dementsprechend skelettiert sind die Beiträge im vorliegenden Band. Weder das Privatleben der Ermittler noch irgendwelche äußeren Umstände spielen eine Rolle; die Autorin konzentriert sich auf die bloße Darstellung des jeweiligen Kriminalfalls. Wegen dessen Einfachheit passt die Kürze der Geschichte sehr gut. Die knapp 20 bis 60 Seiten, die eine Geschichte umfasst, sind spannend und konzentrieren sich nur auf das Kernproblem. Auflockerung erfahren sie dabei durch das Zusammenspiel von Inspectora und Subinspector.

Die beiden Hauptfiguren werden, genau wie die Nebencharaktere, mit wenigen, deutlichen Strichen skizziert. Langwierige Personeneinführungen finden keinen Platz, aber wer bereits andere Bücher von Giménez-Bartlett kennt, der wird sich in den Geschichten sofort zurechtfinden. Für Einsteiger bietet das Buch zwar gute Unterhaltung, aber sie werden einige Zusammenhänge nicht verstehen – und verpassen vor allem den Humor, der in „Stimme des Blutes“ natürlich auch etwas kürzertreten muss als sonst. Trotzdem blitzt der rabenschwarze Witz der Autorin immer wieder durch, vor allem in den fantastischen Dialogen zwischen Delicado und Garzón.

Diese Geplänkel gehören ebenso wie in den Langfassungen zu den Highlights des Erzählbandes und lockern die Geschichten unheimlich auf. Wie gewohnt schreibt Giménez-Bartlett zackig, mit Schmiss und unwiderstehlichem Charme. Sie präsentiert sich sprachgewandt und beweist, dass sie auch auf wenigen Seiten ein kleines Feuerwerk entfachen kann, um den Leser an die Geschichte zu binden. Tatsächlich fällt es vor allem dank des Humors schwer, das Buch aus der Hand zu legen, da man sehnsüchtig auf die nächste gelungene Pointe aus dem Munde der Ermittler wartet.

Viele sind daran bereits gescheitert, aber Alicia Giménez-Bartlett meistert den Kurzgeschichtensammelband souverän. Kleine, niedliche Kriminalfälle mit einem übersichtlichen Personenkreis, die sich auf das Finden des Täters konzentrieren – die Spanierin nimmt den Begriff „Kurzgeschichte“ ernst und fasst sich kurz. Der funkensprühende Humor der Ermittler und die geschickten Personenzeichnungen dürfen sich nach wie vor austoben und sorgen dafür, dass der Leser die vier kleinen Geschichten lieben wird.

|Originaltitel der Geschichten: Muerte en el Gimnasio, El Caso del Lituano, La Voz de la Sangre, Muerte en el Liceo
Zuerst erschienen in „El Mundo“
Aus dem Spanischen von Sybille Martin
Taschenbuch, 156 Seiten|
http://www.blt.de

_Alicia Giménez-Bartlett bei |Buchwurm.info|:_

[„Das süße Lied des Todes“ 3815
[„Boten der Finsternis“ 4203

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