Giménez-Bartlett, Alicia – süße Lied des Todes, Das

Alicia Giménez-Bartlett gehört laut ihres deutschen Verlages zu den beliebtesten Autorinnen in Spanien. In Deutschland hat sie bis jetzt nicht ganz so viel Wind aufgewirbelt – zu Unrecht, wie „Das süße Lied des Todes“ beweist.

Die emanzipierte Inspectora Petra Delicado besucht nichtsahnend die Toilette in einem Einkaufszentrum, als plötzlich eine kleine Hand über die Trennwand greift und sich ihre Handtasche nimmt. Petra sieht ein kleines Mädchen damit wegrennen, und als man die Tasche wenig später wiederfindet, fehlt ihre Dienstwaffe.

Ein weiteres Fundstück ist eine namenlose, aber sehr gut angezogene Leiche in den Straßen Barcelonas. Der Mann wurde ausgerechnet mit Petras Dienstwaffe erschossen. War es das kleine Mädchen oder hat sie die Waffe weiterverkauft? Petra ermittelt in alle Richtungen und verwickelt sich in einem Sumpf aus illegaler Immigration, Prostitution, Zwangsarbeit und Kindesmissbrauch. Dabei muss sie entdecken, dass die Welt um einige Grad kälter ist, als sie dachte …

Alicia Giménez-Bartlett bietet einen klassischen Ermittlerkrimi, der nur auf einer Perspektive basiert – der wichtigsten. Petra Delicado, manchmal etwas übereifrige Inspectora, zweifach geschieden und emanzipatorische Vorkämpferin, ist eine sehr interessante Persönlichkeit, die dem Leser sofort sympathisch ist. Ihre offene, schlagfertige Art und ihre Lebenserfahrung wirken sehr echt und zeichnen das runde, wohlschattierte Bild einer starken Frau.

Ihr Gegenstück ist Fermín Garzón, der mit ihr zusammenarbeitet. Er ist ebenso schlagfertig wie sie und zeichnet sich durch eine stoische Ruhe aus, die auch notwendig ist, um den Wirbelwind Petra zu ertragen.

Viel Charme erlangt das Buch durch die Schlagabtausche zwischen den beiden Polizisten. Mit einer guten Portion böser Ironie nehmen sie sich gegenseitig aufs Korn und sind sich für keinen Witz zu schade. Hätte die Autorin Petra Delicado nicht mit dieser guten Portion Humor ausgestattet, würde sie wie eine alte, verbitterte Jungfer wirken, doch diese Klippen hat Giménez-Bartlett wunderbar umschifft.

Beim Handlungsaufbau hätte ihr ein Lotse an der einen oder anderen Stelle sicher nicht geschadet. Sie baut den Kriminalfall, der sich hauptsächlich mit dem Schicksal von Immigranten in Spanien beschäftigt, sehr logisch mit einem Anfang und einer sauberen Lösung des Falls auf. Der Spannungsbogen dazwischen ist jedoch recht flach geworden. Es fehlt an Wendungen und Ankern, die dem Leser versteckte Hinweise geben und ihn zum Miträtseln einladen. Insgesamt liest sich das Buch etwas zu geradlinig, um wirklich spannend zu sein. Hinzu kommen ein paar voreilige Schlüsse, die zu selbstverständlich abgetan werden und empfindliche Sprünge in der Handlung offenbaren. Glücklicherweise passiert das aber so selten, dass das Lesevergnügen, welches „Das süße Lied des Todes“ bereitet, nur oberflächlich gestört wird.

Eine nette Nebenhandlung stellen die privaten Querelen im Polizeirevier dar. Das Privatleben der Polizisten, in dem auffällig oft vom Heiraten gesprochen wird, kommt nicht zu kurz, wirkt aber wesentlich leichtfüßiger als die deprimierten Gedanken mancher schwedischer Kommissare. Im Gegenteil ist das Alltagsgeschehen störungsfrei eingearbeitet und sorgt immer wieder für eine kurze Auflockerung. Einzig das überlange Ende, in dem es nur noch um das Privatleben geht, hätte gekürzt gestaltet beziehungsweise weggelassen werden können, denn normalerweise liest man keinen Krimi, um Hochzeitsbeschreibungen zu erhalten.

Um das Buch abzurunden, benutzt Giménez-Bartlett einen sehr subjektiv gefärbten, persönlichen Schreibstil, der perfekt zu Petras satter Ich-Perspektive passt. Dementsprechend versucht sie nicht, künstliche Metaphern und hochgestochene Satzstrukturen in die Gedankenwelt ihrer Protagonistin zu pressen, sondern benutzt ein einfaches, aber durchaus gebildetes Vokabular, das sich flüssig lesen lässt. Mit der Einfachheit und der sehr persönlichen Note in den Sätzen schafft sie es, den Leser zu fesseln, auch wenn ihr Schreibstil sich nicht sonderlich hervortut.

Im Großen und Ganzen ist „Das süße Lied des Todes“ eines von diesen Büchern, bei denen alles, trotz ein paar kleiner Fehlerchen, zu passen scheint. Das liegt vor allem an der starken Hauptfigur, die es schafft, dem gesamten Krimi ihren persönlichen Stempel aufzudrücken, und dadurch alles miteinander verbindet. Ebenfalls für einen positiven Eindruck sorgen der trockene Humor sowie die schlagfertigen Dialoge, die Petra Delicado mit ihrem Kollegen Fermín Garzón führt.

http://www.edition-luebbe.de

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