Terry Goodkind – Debt of Bones / Das Verhängnis der Schuld (Das Schwert der Wahrheit – Prequel)

Die Errichtung der Grenzen: trickreiche Zauberer

Zeddicus Z’ul Zorander, der Erste Zauberer von Aydindril in den Midlands, besteht ein Abenteuer. Sein Land befindet sich im Krieg gegen die Armeen von D’hara und die Magier des Widersachers Rahl. Als eine junge Frau ihn im Namen einer Schuld zu Hilfe ruft, bestätigt Zed seinen Ruf als Trickser: Er überwältigt die gegnerische Armee und deren Magier. Die junge Abbi erlebt einige Überraschungen.

Der Autor

Mit seinem mehrbändigen Zyklus um „Das Schwert der Wahrheit“, die er 1994 begann, hat sich der 1948 in Nebraska geborene Amerikaner Terry Goodkind in die erste Reihe der meistverdienenden Fantasyautoren geschrieben. Heute lebt er in Neuengland.

Aus der Masse der High-Fantasy-Bücher heben sich seine Romane wie „Wizard’s First Rule“ oder „Stone of Tears“ durch eine nüchterne, wenn nicht sogar düstere moralische Vielschichtigkeit und durch Momente von Erfindungsreichtum – meist hinsichtlich unangenehmer Überraschungen – heraus.

Der Zyklus „Das Schwert der Wahrheit“ umfasst ein Dutzend Romane (in ersten deutschen Ausgaben jeweils aufgeteilt) und ist vorerst mit „Konfessor“ beendet worden. Mit „The Omen Machine“ scheint die Saga einen Neustart zu erleben.

Der Zyklus „Das Schwert der Wahrheit“:

Band 0: „Das Verhängnis der Schuld – Die Vorgeschichte von ‚Das Schwert der Wahrheit'“
Band 1: „Das erste Gesetz der Magie“ („Wizard’s First Rule 1“)
Band 2: [„Der Schatten des Magiers“ („Wizard’s First Rule 2“)
Band 3: „Die Schwestern des Lichts“ („Stone of Tears 1“)
Band 4: „Der Palast des Propheten“ („Stone of Tears 2“)
Band 5: „Die Günstlinge der Unterwelt“ („Blood of the Fold 1“)
Band 6: „Die Dämonen des Gestern“ („Blood of the Fold 2“)
Band 7: „Die Nächte des roten Mondes“
Band 8: „Der Tempel der vier Winde“ („Temple of Winds 2“)
Band 9: „Die Burg der Zauberer“ („Soul of Fire 1“)
Band 10: „Die Seele des Feuers“ („Soul of Fire 2“)
Band 11: „Schwester der Finsternis“ („Faith of the Fallen 1“)
Band 12: „Der Palast des Kaisers“ („Faith of the Fallen 2“)
Band 13: „Die Säulen der Schöpfung“ („The Pillars of Creation“)
Band 14: [„Naked Empire: Das Reich des dunklen Herrschers“ (2003; dt. im Sept. 2004)
Band 15: „Die Magie der Erinnerung“ („Chainfire“, 2004, dt. im Mai 2006)
Band 16: „Das Ende der Welten“ („Phantom“, 2006, dt. im April 2007)
Band 17: „Konfessor“ („Confessor“, 2008)
Band 18: „The Omen Machine“ (August 2011)

Handlung

Die Festung Aydindril erhebt sich stolz und ehrfurchtgebietend in den nördlichen Bergen der Midlands. Die Midlands sehen sich gerade einer Invasion des östlich der Berge gelegenen Königreichs D’Hara gegenüber, das von Lord Panis Rahl, einem Zauberer, regiert wird. Die junge Abby ist eine Mutter und Ehefrau, deren Tochter und Gatte von den Truppen Lord Rahls geraubt wurden. Nun steht sie in der Schlange der Bittsteller vor dem Tor der Festung, um Hilfe zu erflehen. In der Hand trägt sie einen Beutel mit einem ganz besonderen Inhalt.

Bittsteller

Als eine der Zauberinnen aus der Festung zu den Bittstellern kommt, um sie hineinzugeleiten, stellt sich ihr ein Adliger in den Weg. Er und seine zwei Begleiter wollen den Ersten Zauberer zuerst sehen. Keine Widerrede. Wenigstens dürfen Abby und eine alte Frau namens Mariska mitkommen. Der Weg führt durch gewundene Gänge, durch Kammern und Hallen bis zur Befehlszentrale, wo Abby endlich den Ersten Zauberer erblickt: Zeddicus Z’ul Zorander. Er ist erstaunlich jung für sein hohes Amt, findet sie.

Konfessor

Mit wachsender Verwunderung beobachtet sie, wie er mit mehreren Leuten gleichzeitig Gespräche fortführt: eine Debatte mit dem Zauberer Thomas, Befehle für die Obersten der Truppen, ein Wort mit der Mutter Konfessorin … Vor Schreck fällt Abby auf die Knie und verbeugt sich bis zum Boden.

Wie selbst jeder Bauer in der abgelegensten Siedlung weiß, können Konfessorinnen mit ihrer Macht auch den widerspenstigsten Menschen zu einem willfährigen Kriecher verwandeln. Ein solches Schicksal möchte sich Abby lieber nicht einhandeln. Sie selbst ist keine Zauberin, obwohl ihre Mutter eine wahr. Sie hat ihr bloß ein Armband hinterlassen, und dieses prickelt gerade wie verrückt.

Kopflos

Auch im Wartesaal vor der Befehlszentrale, die eher einer Universitätsbibliothek gleicht, drängt sich der Adlige vor. Abby kann nicht sehen, was passiert, wohl aber hören: ein Knall, ein entsetzlicher Schrei, dann unheilverkündende Stille. Die zwei Begleiter des Adliger kehren zurück. Sie tragen den abgetrennten Kopf des Unglückseligen mit sich und verschwinden eilends aus der Burg. Abby erschauert. Der Erste Zauberer macht seinem Beinamen „Wind der Todes“ alle Ehre.

Die alte Mariska zieht es weise vor, sich ihnen anzuschließen. Nun ist nur noch die vor Schreck erstarrte Abby übrig. Die Zauberin – sie heißt Delora – kommt, um sie zu holen. Da Abbys Auftrag zu wichtig ist, um nun umzukehren, setzt sie zitternd einen Fuß vor den anderen, um sich diesem blutrünstigen Zauberer zu nähern.

Die Petition

Abby hat Mühe, sich in den fortwährenden Konversationen, die Zeddicus führt, Gehör zu verschaffen, aber schließlich hat sie es geschafft. Ihr Dorf Coney’s Crossing sei von Truppen aus D’Hara überfallen worden. Alle Einwohner bis auf sie seien entweder gefangengenommen oder, wer Widerstand leistete, getötet worden. Nur sie habe man nicht entdeckt, weil sie sich gut versteckt hatte.

Schließlich holt Abby den Gegenstand aus ihrem Beutel, den sie so sorgfältig beschützt hat: Es ist der Schädel ihrer Mutter, ausgegraben aus ihrer letzten Ruhestätte. Ihre Mutter beansprucht eine Knochenschuld gegenüber Zeddicus, denn sie half seinem Vater. Wird der Erste Zauberer die Schuld, die er einlösen soll, anerkennen?

Urteil

Mit seiner Magie erkundet Zedd den Schädel und verkündet nach reiflicher Überlegung seine Entscheidung: Ja, er werde die Schuld einlösen und mit Abby in ihr Dorf kommen, um die Truppen D’Haras zu bekämpfen. Abby ist sehr erleichtert und wird von der Mutter Konfessorin und Delora hinausgeleitet. Schon morgen werden Zeddicus sich mit ihr auf den Weg nach Coney’s Crossing machen, an der Spitze einer Armee.

Erpresst

In der Nacht wird Abby in ihrer Unterkunft von der alten Mariska besucht, die ein Messer an ihre Kehle hält. Mariska schärft ihr noch einmal genau ein, was Abby zu tun hat, wenn der Abby an den Fluss beim Dorf gelangt. Dann werden ihr Mann und ihre Tochter leben können. Die Alte verschwindet und lässt eine zitternde Mutter zurück. Hoffentlich merkt Zeddicus nichts von ihrem Verrat, sonst ist ihr Leben keinen Pfifferling wert.

Die Falle

Doch Abby hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Munter kommt Zeddicus aus der Festung, wo sie bereits wartet, und bricht an der Spitze einer Armee auf. Alles geschieht wie geplant, als sie nach Coney’s Crossing, die Hasenfurt, gelangen: Eine Mord-Sith nimmt Zeddicus gefangen.

Doch dann nehmen die Ereignisse eine unerwartete Wendung, denn Zeddicus macht seinen Beinamen „Trickster“ alle Ehre …

Mein Eindruck

Diese Vorgeschichte zu dem Zyklus „Schwert der Wahrheit“ schildert eine Welt, in der die magischen Grenzen zwischen den drei Ländern D’Hara, Midlands und Westen noch nicht existieren. Aber „Debt of Bones“ wurde geschrieben, um das Zustandekommen dieser Grenzen darzustellen und vor allem die Gründe dafür anzuführen. Insofern liefert die Novelle, die hier illustriert erneut veröffentlicht wird (Erstveröffentlichung war 1998), dem Fan des Zyklus einige rechte wertvolle Erklärungen.

Außerdem liest sich die Novelle recht spannend und wendungsreich, ist auch gespickt mit haarsträubenden und ehrfurchtgebietenden Szenen. Ein kleines Mädchen scheint ermordet zu werden – zum Glück nur eine Illusion, aber die Wirkung ist durchaus angetan, die zartbesaitete Leserin zu erschüttern. Aber auch die Wirkung einer Mord-Sith auf einen Zauberer, wenn sich dessen Magie gegen ihn kennt, ist kein schöner Anblick.

Neue Grenzen

Umso wundervoller erscheint daher der langwierige Prozess, in dem Zedd die magische Grenze gegenüber D’Hara errichtet. Die Energie dafür bezieht er aus dem vierten Reich, nämlich dem der Toten. Die Magie dieser Welt ist fein säuberlich eingeteilt und in einem Symbol, der „Gnade“ (grace), wiedergegeben. Zedd hat die Linien, die aus Quadraten und Diagonalen bestehen, umgebogen – die Wirkung ist verheerend. Wer auch immer die magische Grenzlinie betritt, wird augenblicklich ins Reich des Todes gerissen.

Aber Zedd erichtet nicht nur eine, gen D’Hara errichtete Grenze, sondern noch eine Zweite. Diese soll die Midlands im Westen gegen ein neues Gebiet abschotten, indem es KEINE MAGIE gibt. Dieser Vorgang ist für einen Magie nutzenden Zauberer ziemlich ungewöhnlich. Aber Zedd ist kein Starrkopf, sondern denkt praktisch und vor allem an die Belange der Menschen. Das Land im Westen ist jenen vorbehalten, die Magie grundsätzlich ablehnen und sich nach einem einfachen Leben ohne sie sehnen – Menschen wie jene, die Abby mit Misstrauen begegneten. Sobald Abby mit ihren Liebsten vereint ist, will sie dorthin ziehen.

Auch Zedd ist mit seiner Tochter vereint. Abby hat sie, als Mord-Sith verkleidet, aus dem Lager des Feindes geholt und in ihren Bauernhof gebracht. Abby wusste von der Mutter Konfessor und der Zauberin Delora, dass das Mädchen entführt worden ist. Daraus ergab sich für Zedd ein Dilemma: Wenn er gegen D’Hara vorgeht, setzt er das Leben seiner Tochter, die er über alles liebt, aufs Spiel. Aber wiegt das Leben eines einzelnen das Leben und Wohlergehen von vielen auf, die er retten kann? Um diese zentrale Frage dreht sich die Geschichte in moralischer Hinsicht.

Knochenschuld

Doch was hat es denn nun eigentlich mit der Knochenschuld auf sich, die Abby Zedd auferlegt, fragt sich der Leser. Denn wenn alles ein Schwindel ist, was sie sagt, um Zedd in eine Falle zu locken, dann vielleicht auch die Sache mit der Knochenschuld ihrer Mutter. Zedd heißt nicht umsonst der „Trickster“: Er tat so, als existiere die Knochenschuld seitens Abbys Mutter, doch in Wahrheit verhielt es sich andersherum …

Die Illustrationen

Es ist eine Schande, dass der Name des Künstlers an keiner Stelle erwähnt wird. Denn er oder sie hat seine / ihre Sache ausgezeichnet gemacht. Ohne irgendwelche Sperenzchen zu machen, bringt jedes Bild die Aussage auf den Punkt.

Jedes Bild besteht aus einer Bleistiftzeichnung aus feinen Linien, die eine dreidimensionale Perspektive öffnen und entweder Dynamik oder Ruhe ausstrahlen. Das erste Bild zeigt das, was Abby sieht: eine hochragende Festung, unter deren Brücke ein Schwarm weißer Schwäne hindurchfliegt. Das zweite Bild zeigt die einfach gekleidete Bäuerin in einem reich verzierten Wartesaal – der Kontrast ist auffällig. Abby steht inmitten des bedeutsamen Symbols der Magie, der „Gnade“ (grace).

Immer steht Abby im Mittelpunkt, denn aus ihrem Blickwinkel wird die gesamte Geschichte erzählt. Nachdem Zedd sie das erste mal abgewiesen hat, tröstet Delora die Bittstellerin. Im vierten Bild sieht sich Abby dem scharfen Messer Mariskas gegenüber. In Nr. 5 schreitet Abby gebieterisch als Mord-Sith in das Lager der Feinde, und Nr. 6 hält den dramatischen Augenblick fest, in dem Zedd die magische Grenze errichtet.

Das Titelbild zeigt Zedds Untersuchung des Schädels von Abbys Mutter. Deutlich ist der Kontrast zwischen seiner mit Büchern vollgestellten Studierstube – die es in der Story nicht gibt – und der bäuerlichen Bittstellerin. Merkwürdig ist nur, dass das Haar der beiden Personen auf dem Bild sich der Anziehung der Schwerkraft widersetzt und stets schräg aus dem jeweiligen Gesicht fällt. Auch der Name dieses Künstlers wurde unterdrückt.

Unterm Strich

Die Novelle ist, wie von Goodkind gewohnt routiniert erzählt, aber dennoch mit etlichen Überraschungen gespickt, die im letzten Drittel für erhebliche Spannung sorgen. Im ersten Drittel stellt uns der Erzähler die wichtigsten Figuren und ihre persönlichen Hintergründe vor, so etwa die Tatsachen, dass Abby ihre Tochter ebenso an den Feind verloren hat wie Zedd die seine. Das verbindet die beiden höchst unterschiedlichen Figuren auf einer zwischenmenschlichen Ebene.

Im mittleren Drittel wird uns enthüllt, dass wir einer Täuschung aufgesessen sind: Abby lockt Zedd in eine Falle, weil sie erpresst wird. Doch Zedd hat seinerseits den Spieß umgedreht, ohne es Abby zu sagen. Es gibt noch viele weitere Täuschungen, und so kann der Leser nicht vorausahnen, wie die Geschichte schließlich ausgeht. Auch die Mutter Konfessor und die Zauberin Delora spielen ihre Rolle. Abby steht aber stets im Vordergrund, und das macht die Geschichte erstens leicht nachvollziehbar und zweitens identifizieren wir uns mit ihren Empfindungen, deren Wechselspiel einer Achterbahn gleicht.

Die Novelle gibt genügend Stoff her, um einen kleinen Prequel-Spielfilm innerhalb der TV-Serie „Richard der Sucher“ zu unterstützen. Sie ist schnell zu lesen, bietet weiblichen wie männlichen Lesern unterhaltsame Reize, Humor und Mitgefühl. Schließlich wirft sie eine zentrale Frage der Ethik auf: Ist es moralisch zu rechtfertigen, dass die Rettung eines einzigen Menschen (Zedds Tochter) über das Leben von vielen Menschen (Abbys Mitbewohner) gestellt wird?

Zedd findet seine ganz eigene Antwort auf dieses Dilemma. Deshalb können auch erwachsene Menschen die Geschichte mit Gewinn lesen. Und Fans von „Das Schwert der Wahrheit“ erhalten Erklärungen für die Dreigeteiltheit der Welt, in die Richard und Kahlan geboren werden.

Taschenbuch: 112 Seiten
ISBN-13: 978-0752889818

http://www.orionbooks.co.uk

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