Roderick Gordon / Brian Williams – Tunnel – Das Licht der Finsternis (Lesung)

Voller Überraschungen: Abenteuer bei den Unterirdischen

Wills Vater ist plötzlich verschwunden! Gemeinsam mit seinem Freund Chester macht sich der vierzehnjährige Will Burrows tief unter der Erde auf die Suche, denn nur dort kann sich der Archäologe aufhalten. Schon bald befinden sich die beiden Jungen auf einer rasanten Fahrt tief ins Erdreich hinein und landen mitten in einer unterirdischen Stadt. Beherrscht wird diese von dunklen Gestalten, die Eindringlinge nicht dulden. Allerdings werden sie bereits erwartet.

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab zwölf Jahren.

Die Autoren

Roderick Gordon und Brian Williams lernten einander auf der Universität von London kennen. Sie wurden enge Freunde, nachdem sie ihre gemeinsame Leidenschaft für Film, Musik und Literatur entdeckt hatten. Im Sommer 2004 schrieben sie ihren ersten Roman „The Highfield Mole“, den sie 2005 selbst verlegten. Die Auflage war schnell vergriffen und erregte die Aufmerksamkeit von Barry Cunningham, J. K. Rowlings erstem Verleger und Gründer des |Chicken House|-Verlags.

Nach starkem Medieninteresse wurde „Tunnels“ im Juli 2007 in England veröffentlicht und setzte sich auf der Bestsellerliste der |New York Times| fest. Roderick Gordon und Brian Williams schreiben bereits an Teil zwei und drei der unterirdischen Abenteuerreise von Will und Chester. Auch die Filmrechte wurden bereits verkauft. (Verlagsinfo)

Der Sprecher

Andreas Fröhlich ist die deutsche Stimme von John Cusack und Edward Norton. Er wurde 1965 in Berlin geboren; bereits mit sieben Jahren begann er mit der Synchronarbeit, nachdem er im Kinderchor des „Sender Freies Berlin“ entdeckt wurde. 1978 stieg er in der Sprecherrolle des Bob Andrews bei einer der bis heute erfolgreichsten Hörspielreihen Deutschlands, „Die drei Fragezeichen“, ein.

Nach dem Abitur ging Fröhlich zunächst zum Theater, wo er unter anderem Rollen in Büchners „Woyzeck“ und in Shakespeares „Was ihr wollt“ spielte, bis er 1991 wieder zu seiner Arbeit als Synchronsprecher zurückkehrte. Außer als Sprecher arbeitet er als Synchronregisseur und Drehbuchautor, wo er unter anderem für die Synchronisierung von „Der Herr der Ringe“ verantwortlich war. In dieser Trilogie übernahm er zum Beispiel die Synchronisation des Wesens Gollum. Doch auch die deutschen Dialoge in Filmen wie Disneys „Mulan“ und „The Beach“ stammen aus seiner Feder. (Verlagsinfo)

Fröhlich liest eine gekürzte Fassung. Regie führte Thomas Krüger.

Handlung

Dr. Roger Burrows ist der Direktor und einzige Angestellte des Volkskunde-Museums des Londoner Stadtbezirks Highfields und liebt es, in der Tiefe zu graben, um Gegenstände aus dem 18. und 19. Jahrhundert zutage zu fördern. Die säubert er und verleibt sie seiner musealen Sammlung ein. Sein bester Mitarbeiter ist sein Sohn Will. Der vierzehnjährige Beinahe-Albino ist in der Schule ein Außenseiter, doch bei den Ausgrabungen ist er ein Ass.

Wills einziger Freund Chester ist ebenfalls ein Außenseiter, denn er hat Neurodermitis. Während Will mit seinem Vater eine alte U-Bahnstation aus dem Jahr 1895 entdeckt, gelingt ihm mit Chester das Ausgraben einer achteckigen Kammer. Aber seltsam ist, dass ihm jemand den Tunnel verschüttet hat. Niemand weiß doch von diesem Ort. Oder?

Dr. Burrows bekommt einen bemerkenswerten Gegenstand für sein Museum geschenkt: eine Kugel, die aus sich selbst heraus umso heller leuchtet, je dunkler ihre Umgebung ist. Ein Test fällt recht verblüffend aus. Er schickt sie an seinen Freund, den Physiker, um sie untersuchen zu lassen. Von solch einer Technik hat er noch nie gehört. Der Fundort ist ebenso bemerkenswert: der Keller der achtzigjährigen Mrs. Tantrumi. In ihrem Kleiderschrank hängen uralte Mäntel und liegen Sonnenbrillen, die Mrs. Tantrumi garantiert nicht benötigt.

In letzter Zeit fühlt sich nicht nur Dr. Burrows verfolgt, sondern auch Will und Chester. Alle bemerken altmodisch in Pelerinemäntel gehüllte Männer, die Hüte oder Schiebermützen sowie Sonnenbrillen tragen. Sie sehen sehr bleich aus. Und sie reden nie mit jemandem. Einmal verfolgen sie Chester und Will zum Gemüseladen von Clark senior und junior. Hier erfährt Will erstmals, dass einige Leute in Highfields verschwunden sind, zuletzt die Familie Watkins. Nach einem peinlichen Warten ist die Luft wieder rein.

Nach einem Streit mit Mrs. Burrows verzieht sich Mr. Burrows in seinen Keller. Hier hat er sein Labor, seinen PC und, gut verborgen, einen Zugang zu einem Tunnel, der vielversprechend aussieht. Nachdem er einige Tage nicht wieder gesehen worden ist, macht sich seine Familie Sorgen. Doch auch Wills Schwester Rebecca hat ihren Vater seit Tagen gesehen. Er scheint vom Erdboden verschluckt zu sein. Die Polizei sucht vergeblich.

Da beschließt Will, zur Selbsthilfe zu greifen. Er entdeckt den Tunnel hinter dem Schrankregal seines Vaters und erweitert ihn. Auch dieser wird wieder verschüttet, von wem auch immer, doch Will bleibt hartnäckig. Nach zwei Wochen ist er endlich durch. Zusammen mit seinem Freund und ordentlicher Archäologenausrüstung macht er sich auf den Weg in die Tiefe. In einer Tropfsteinhöhle stößt er auf eine massive Metalltür. Das ist schon mal bemerkenswert. Doch sie führt in eine unbekannte Welt unter der Oberfläche, wo ganz andere Gesetze herrschen.

Doch Will hat sich vorgenommen, seinen Vater wiederzufinden. Er findet noch sehr viel mehr.

Mein Eindruck

Was hier wie „Indiana Jones“ für Jugendliche anfängt, entpuppt sich schnell als wesentlich mehr. Wie der Zeitreisende in Wells‘ [„Die Zeitmaschine“ 3578 stoßen unsere Jungforscher in der Unterwelt zwar nicht auf die berüchtigten Morlocks, aber doch auf eine spezielle Variante der Spezies Homo sapiens: Die Menschen, die vor Jahrhunderten hier unten eine Kolonie und Stadt gründeten, haben eine ebenso bleiche Haut wie Will Burrows und scheuen ebenfalls das Tageslicht. Und wen wundert’s, dass sich Will als mit ihnen verwandt erweist.

Eine der ersten Überraschungen, die Will erlebt, ist seine neue Familie: die Jeromes – da sind Oma, seine Vater und sein Bruder Cal. Ja, sein wahrer Name sei Seth, seine Mutter habe Sarah geheißen, bevor sie auf Nimmerwiedersehen bei den „Übergrundlern“ verschwand. Will gelangte als kleines Kind in die Pflegefamilie der Burrows und wuchs dort im Glauben auf, er sei ganz normales Kind der Übergrundler. Aber sein Erbe ließ sich nicht verleugnen, und so wurde er zum Außenseiter.

|Endlich daheim?|

Eigentlich müsste Will nun glücklich und froh sein, seine wahre Familie wiedergefunden zu haben. Sein Bruder jedenfalls ist froh, ihn hier zu haben: endlich ein Spielkamerad, der sich fast im gleichen Alter befindet. Auch Onkel Tam, ein Hüne von Kerl, begrüßt den verlorenen Neffen überschwenglich. Doch Will ist alles andere als zufrieden mit der Gesellschaft, in die er sich quasi hineinkatapultiert sieht. Vater Jerome sieht das genauso und lehnt Will ab.

Die Leute hier unten sind straff durchorganisiert, haben jede Menge Gesetze und Verordnungen, über deren Einhaltung nicht nur die reguläre Polizei wacht, sondern auch die Geheimpolizei namens Styx (das war ein Fluss in der griechischen Unterwelt). Deren Vertreter und Spitzel sitzen unter anderem auch in dem Tribunal, das die Aufgabe hat, über die beiden Eindringlinge Will Burrows / Seth Jerome und Chester Rawles zu urteilen.

Licht der Finsternis

Während der Befragung lässt sich Will ein Gespinst von Lügen einfallen, doch dann unterzieht man ihn einer Art Wahrheitsfolter. Dazu setzen die Richter das „Licht der Finsternis“ ein, ein ziemlich magisch anmutendes Objekt, das imstande ist, psychische Schmerzen zu verursachen, so dass sich der so Malträtierte wünscht, die Folter würde aufhören. Zugleich brechen die geistigen Barrieren um die Wahrheit zusammen, so dass aus beiden Gründen der wahre Sachverhalt ans Licht kommt. Nicht nur Will, sondern auch Chester wird auf diese Weise behandelt. Chester, eh schon nicht der Mutigste, wird noch ängstlicher und verkriecht sich in seine Arrestzelle. Als die Richter Will in die Obhut Mr. Jeromes geben, bleibt Chester im Knast. Will schwört, alles zu unternehmen, um seinen Freund aus diesem finsteren Loch zu befreien.

Leichter gesagt als getan. Fortan steht Will nämlich unter Beobachtung, doch Cal und Onkel Tam helfen ihm bei seinem Unternehmen. Tam ist eine Art Untergrundkämpfer und Schmuggler. Zusammen mit Cal wagt Will eine Flucht an die Oberfläche in sein altes Zuhause, doch der Weg führt durch die unheimliche Alte Stadt, die stark an das versunkene Atlantis gemahnt. Auch der Rückweg, den Cal und Will antreten müssen, weil sie nun auch Mr. Burrows suchen müssen – Rebecca ist auf mysteriöse Weise verschwunden und die Mutter in einer Heilanstalt gelandet -, führt durch dieses unsichere Terrain.

Indy-Niveau

Dies sind die spannendsten Szenen des ganzen Buches und eines Indiana Jones durchaus würdig: voller Gefahren, finsterer Gegner und actionreicher Kämpfe. Alle anderen Szenen reichen längst nicht an dieses Niveau heran, vielleicht mit Ausnahme der Folterszene und einer Wirtshausschlägerei. Daher müssen wir ziemlich lange warten, bis sich in der Unterwelt wirklich etwas tut, was den Namen „Abenteuer“ verdient. Immerhin nimmt dieses Abenteuer das letzte Drittel dieses ersten Buches über die Tunnel-Welt ein.

Fortsetzung folgt

Einen zweiten Band muss es unbedingt geben. Denn am Schluss sind noch viele Fragen offen, so etwa jene, wo Wills Mutter Sarah sich versteckt – klar, dass die Styxe diese Ketzerin fieberhaft suchen wie die Stecknadel im Heuhaufen und deshalb auch in Wills Heimat Highfields aufgetaucht sind. Spione machen selbst aus der Unterwelt Entkommene unsicher. Und wo ist nun Mr. Burrows verschütt gegangen? Will, Cal und Chester setzen sich am Schluss auf seine Spur.

Der Sprecher

Andreas Fröhlich ist ein wahrer Stimmkünstler. Es hat mich immer wieder verblüfft, wie er es schafft, seine Stimme so flexibel anzupassen, dass es ihm gelingt, die optimale Ausdruckskraft hervorzubringen. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es Fröhlich war, der in Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Verfilmung den Gollum spricht.

Fröhlich bietet beträchtliche Kunstfertigkeit auf, um den Figuren Leben einzuhauchen und sie unverwechselbar zu machen. Sein Stimmumfang verblüfft immer wieder, denn er reicht vom tiefen Bass bis zum höchsten Diskant, und so gelingt es ihm ohne weiteres, sowohl für ältere wie auch für jüngere, für männliche wie auch weibliche Figuren die richtige Tonlage und die passende Ausdrucksweise zu finden.

Aber die wahre Kunst liegt im Wiedergeben der Stimmungen, in denen sich die Emotionen der Figuren jeweils widerspiegeln. Deshalb hören wir die Jungs atemlos und erstaunt bei ihren Entdeckungen sprechen. Rebecca hingegen hat dafür nur Spott übrig, ist ein Kontroll-Freak und erweist sich zuletzt sogar als Mörderin. Wills Pflegemutter hingegen erscheint – durch zu viel Fernsehkonsum – als ziemlich weggetreten und geistig wie emotional labil.

Wirklich furchteinflößend sind hingegen die Angehörigen der Geheimpolizei Styx in der Kolonie und in der Verborgenen Stadt. Ihre Stimmen sind so streng, wie man es sich nur vorstellen kann, und einer von ihnen, Schmeißfliege, ist die Ausgeburt von Verrat und Hinterlist. Kein Wunder also, wenn sich Rebecca als seine Tochter entpuppt. Diese Figuren müssen so schlimm erscheinen, damit die drei Jungs am Schluss wirklich keinen anderen Ausweg mehr sehen als Wills „Vater“ Mr. Burrows in die Tiefen der Welt zu folgen.

Das Booklet

Das kleine Booklet stellt die beiden Autoren und den Sprecher mit je einem Text vor (siehe oben). Neben den Credits und einem Verweis auf das englische Hörspiel ist auch eine kurze Textprobe enthalten, um den Appetit anzuregen.

Unterm Strich

Gewiss weist die Geschichte ihre Ähnlichkeiten mit Tolkiens „Herr der Ringe“ und „Der kleine Hobbit“ auf, aber das tun eigentlich alle Abenteuergeschichten, in denen etwas Verlorenes wiedergewonnen werden soll. Auf dieser Rettungsmission lernen die Helden andere Welten kennen, mit denen sie in Konflikt geraten, doch wenn sie wie Sam und Frodo treu zusammenhalten, dann werden sie auch größte Gefahren bewältigen. In dieser Hinsicht vermittelt auch der Roman der Herren Gordon und Williams die immer wieder bewährte Formel der optimistischen Botschaft fast aller Fantasy-Jugendbücher bis hin zu Harry Schotter.

Aber immerhin wird in diesem ersten Buch kaum gezaubert, noch werden irgendwelche Geheimschriften enträtselt, und so kann sich der Leser bzw. Hörer über ein paar nette Indy-Abenteuer im letzten Drittel freuen. Die Kapitel davor dienen vor allem dem Aufbau zweier Welten: Highfields, das seine Verbindungen zur Unterwelt enthüllt, und die Tunnelwelt selbst. Doch nun warten Geheimnisse jenseits der Styx-Kolonie darauf, aufgedeckt zu werden, noch tiefer im Erdinneren.

Ich fand die Geschichte durchaus unterhaltsam, weil immer wieder Neues auftauchte und es schließlich sogar eine überraschende Enthüllung über eine der ersten Figuren gab. Ein paar Aha-Effekte lieferte die Bekanntschaft der Unterirdischen Cal Jerome, als er in London an die Oberfläche kommt und dort den Gestank schier unerträglich findet. Er erzielt den gleichen Effekt wie ein Alien, der das erste Mal unsere Erde besucht. Wohl keine besonderes angenehme Erfahrung.

Das Hörbuch

Andreas Fröhlich bietet mal wieder seine ganze beträchtliche Kunstfertigkeit auf, um den Figuren Leben einzuhauchen und sie unverwechselbar zu machen. Sein Stimmumfang verblüfft immer wieder, denn er reicht vom tiefen Bass bis zum höchsten Diskant, und er setzt dies in der Geschichte ausgezeichnet ein. Das dürften dem jugendlichen Hörer erheblichen Spaß bereiten. Das Booklet informiert mit einigen Texten und regt den Appetit mit einer kurzen Textprobe an. Punktabzug gibt es für die fehlenden Geräusche, die die Geschichte noch lebendiger gestaltet hätten – und die der Klappentext indirekt auch verspricht.

Hinweis:

Der Schluss schreit geradezu nach einer Fortsetzung. Und ich hoffe, sie wird ihren Weg auch zu uns finden.

Originaltitel: Tunnels, 2007
Aus dem Englischen übersetzt von Franka Fritz und Heinrich Koop
571 Minuten auf 8 CDs
ISBN-13: 9783867172851
Buchausgabe bei |Arena| im Juni 2008; 544 Seiten, gebunden

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/der-Hoerverlag/70000.rhd

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