Lawrence Grobel – Al Pacino – Im Gespräch mit Lawrence Grobel

Im Interview: Alfredo Pacino oder Michael Corleone?

„Ich war wirklich ein Straßenschauspieler, ein Zigeuner, obdachlos und ohne einen Pfennig. Ich wuchs in den Sechzigern auf. Ich lebte in Bruchbuden und Drecklöchern, in Pensionen und heruntergekommenen Hotels. Fließendes Wasser und ein Bad waren für mich das Paradies.“ Redet so ein OSCAR-Preisträger? Würde Michael Corleone so etwas sagen? Vielleicht nicht, aber Alfredo Pacino, geboren 1940, schon. In diesem Band erhalten wir endlich die (beinahe) ungeschminkte Wahrheit von einem der wichtigsten und angesehensten Schauspieler unserer Zeit.

Dies ist weder eine Biografie, noch sind es Memoiren. Seit 1979, seit „Der Pate 1“, steht Pacino dem Journalisten Lawrence Grobel Rede und Antwort. In den Interviews von 1979 bis 2005 offenbart der medienscheue Medienstar eine einzigartige Sicht auf seinen Beruf, sein Leben und den ganzen Berufsstand, das Film-Business.

Der Autor

Lawrence Grobel hat zusammen mit Montel Williams den |New York Times|-Bestseller „Climbing Higher“ verfasst. Außerdem veröffdentlichte er „Gespräche mit Marlon Brando“, das Buch „Truman Capote: Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie“ und „The Art of the Interview“. Grobel unterrichtet Interviewtechnik an der University of California und wurde mit dem PEN Award ausgezeichnet. Er ist Mitherausgeber des „Playboy Magazine“ und der Zeitschrift „Movieline’s Hollywood Life“. Er schreibt u. a. für die „New York Times“, den „Rolling Stone“ und die „Entertainment Weekly“.

Der Interviewte

Al Pacino wurde als Sohn sizilianischer Einwanderer 1940 in New York geboren. Sein Vater verließ die Mutter, die schon bald starb, so dass Alfredo bei den Großeltern aufwuchs. Seine Kumpels nannten ihn Sonny. Mit 17 Jahren begann er eine Ausbildung zum Schauspieler an der Manhattan School of Performing Arts und verdiente sich nebenher als Postkurier, Hausmeister, Schuhverkäufer, Möbelträger und mit ähnlichen Jobs seinen Lebensunterhalt. Sein Mentor wurde Charlie Laughton (nicht zu verwechseln mit dem britischen Schauspieler Charles Laughton), ebenso Lee Strasberg.

1962 trat er im Kindertheater auf, 1963 auf einer Bühne für Erwachsene. Erst 1969 machte er den Sprung zum Film. Seither ist Pacino stets zuerst Theater- und dann erst Filmschauspieler geblieben. Bereits sein dritter Film, Coppolas „Der Pate“, brachte ihm 1973 eine Oscar-Nominierung ein und verhalf ihm zum Durchbruch in Hollywood. In den folgenden 20 Jahren war er siebenmal für diese Auszeichnung nominiert, doch er gewann sie erst 1992 für „Der Duft der Frauen“ in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“.

Neben seiner Filmkarriere arbeitet Pacino stets regelmäßig an verschiedenen Theatern, denn er ist ein großer Shakespeareliebhaber und kann aus dem Stegreif die unsterblichen Verse des „Barden aus Stratford“ zitieren. 2004 trat er in einer Verfilmung des „Kaufmanns von Venedig“ als jüdischer Kaufmann Shylock auf. An der Bühne wirkt er nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur und Produzent. Er hat zwei Filme gedreht, die es demnächst erstmals im öffentlichen Verkauf gegeben wird (als DVD).

Pacino ist – trotz Beziehungen zu Diane Keaton und Julie Christie – einer der wenigen Hollywood-Stars, die nie verheiratet waren. Er hat drei Kinder: Tochter Julie Marie mit Jan Tarrant sowie die Zwillinge Anton und Olivia mit Beverly d’Angelo.

Inhalte

Das erste Mal kommt Grobel zu Pacino, als dieser in einer kleinen Wohnung im Zentrum New Yorks lebt, in späteren Jahren leistet sich Pacino ein Haus auf dem Lande, nach dessen Brand wieder Wohnungen in Manhattan und in Los Angeles. Es geht stetig bergauf mit dem Schauspieler. Aber 1979, als Grobel die erste „Audienz“ erhält, ist Pacino erst ein Name, der auf dem Filmplakat eines Kassenschlagers steht. Er ist Michael Corleone, benimmt sich im Film sehr zurückhaltend und hinterlässt gerade dadurch einen bleibenden Eindruck. Nicht wegen der OSCAR-Nominierung.

Aber zu diesem Zeitpunkt steht Alfredo Pacino bereits 17 Jahre auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Er ist 39 Jahre alt, als er Grobel das erste Interview gibt, und auch nur, weil er selbst ein Freund von Marlon Brando ist und Grobel ein achtenswertes und beachtliches Interview über Marlon Brando gebracht hat (im „Playboy Magazine“). Dieses erste Gespräch ist das mit weitem Abstand längste der neun Interviews, die Pacino seinem Freund Grobel gewährt hat. Die späteren Gespräche sind wesentlich entspannter, und in den 90er Jahren gehen sie sogar zum Paddle-Tennis-Spielen.

Im ersten Gespräch erweist sich Mr. Pacino als eine harte Nuss, die es behutsam zu knacken gilt. In seinem Vorwort verrät er, dass er davor noch nie ein Interview gegeben hatte und er Grobel deshalb misstraute. Er stellt im Gespräch alles in Frage, was ihm Grobel an den Kopf wirft, untersucht und seziert es, bis etwas völlig anderes daraus wird. Das ist keine Haarspalterei, sondern ein Schutzmechanismus, der dazu dient, beim Schlagabtausch nicht zu viel abzukriegen und nicht zu viel zu verraten. Später sagt Pacino zu diesem ersten Gespräch: „Die Hauptsache ist, dass ich dir vertraue, seitdem ich das erste Mal gelesen habe, was du über mich geschrieben hast.“

Im Jahr 2001 erklärt sich der 61-Jährige sogar dazu bereit, Grobels Studenten (s. o.) Rede und Antwort zu stehen, damit sie ihre Interviewtechnik erlernen oder verbessern können. Die Studenten sind zunächst fast vor Ehrfurcht vor diesem OSCAR-Preisträger erstarrt, tauen aber langsam auf, als sich Pacino nicht als zickiger Menschenfresser entpuppt, sondern als netter Onkel, der ein paar sehr interessante Ansichten über seinen Job und die Filme, die er dreht, äußert.

Frühe Meisterwerke

Nach einem ersten Abklopfen der Biografie – siehe oben – Pacinos erkunden die beiden in einem tänzelnden Schlagabtausch das Metier eines Mimen, wie es sich in den umstrittenen ersten Filmen Pacinos darstellte. Bei „Cruising“ (gedreht 1979, veröffentlicht 1980), in dem ein Cop in der Schwulenszene New Yorks einen Serienkiller jagt, gab es Proteste von Gay-Aktivistengruppen am Set, die Pacino Angst einjagten und ihn verwirrten. Er konnte damit nichts anfangen, denn es hatte nichts mit seinem Job zu tun.

„Serpico“ (1973) floppte, denn es war eine Story über einen Mann, der seine Freunde verrät. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, und Pacino traf Serpico selbst. Andererseits: Auch das ähnlich gelagerte „Prince of the City“ (1981) von Sidney Lumet, in dem Pacino die Hauptrolle spielen sollte, wurde nicht gerade der Hit. Auch Pacinos Film „Hundstage“ (1975) floppte und sogar das Gangsterfilm-Remake „Scarface“ (1983), das heute in Rapperkreisen Kultstatus genießt.

Angesichts all dieser Misserfolge fragt sich Grobel dann doch, wie es kam, dass Pacino seit Jahrzehnten ein so hohes Ansehen bei Kritik und Kollegen genießt. Leute wie Matthew McConnaughey, die ja auch mal klein angefangen haben, bekennen, dass sie von Pacinos Arbeitsweise, seinem Eifer und seiner Professionalität beeinflusst wurden. Pacino hingegen bekennt, dass er zur Schauspielerei vor allem wegen Marlon Brandos Performance in „Die Faust im Nacken“ gekommen sei, die ihn schwer beeindruckte: Dieser Film von Elia Kazan war etwas ganz anderes als der üble Schmarrn, den man vorgesetzt bekam. Daraus erklärt sich vielleicht seine Wahl der Rollen, die in den oben genannten Filmen zum Ausdruck kommt: Serpico, Scarface, Sonny Wortzik (in „Hundstage“) sind Kämpfer im Moloch der großen Stadt und versuchen zu überleben. Die meisten haben keine Chance, aber sie nutzen sie.

„Der Pate“ forever

Ewigen Ruhm erwarb sich Pacino mit seinen Auftritten in der Paten-Trilogie. Waren Produzent und Kritiker (mit Ausnahme Grobels) noch von Michael Corleone in „Der Pate 1“ irritiert, so wurden sie erst in „Der Pate 2“ davon überzeugt, dass Pacino ein großer Mime sei. (Er verrät, wie Coppola massive Kürzungen vorgenommen hatte, die Pacino und der Cutter wieder rückgängig machten, so dass wir den Film glücklicherweise in epischer Länge genießen können.) Er bekam den OSCAR trotzdem nicht.

Als „Der Pate Teil II“ 1990 in die Kinos kam, war er zwar „der am heißesten erwartete Film des Jahres“ (Grobel), aber er kam nicht gut an, denn, wie Pacino erklärt, er hat massive Fehler. Nicht alle davon gehen auf Coppolas Konto, wie etwa der, dass Coppola seiner Tochter Sofia die Rolle von Michael Corleones Tochter gab, nachdem Winona Ryder wegen Überarbeitung abgesagt hatte. Sofia ist seitdem nie wieder VOR der Kamera aufgetreten, macht aber HINTER der Kamera gute Arbeit.

Der zweite Kardinalfehler, so Pacino, war das Aussteigen von Robert Duvall. Duvall hatte stets den Consigliere der Corleone-Paten gespielt und bildete ein nachdenklicheres und korrigierendes Gegengewicht zum Paten. Duvalls Ersatzmann bildete keinen vollwertigen Ersatz. Und schließlich geschah etwas mit Michael Corleone selbst, das Coppola wollte und das es Pacino schwerfiel, es umzusetzen: Corleone sollte zu einem Büßer werden, der Erlösung sucht. (Was ungefähr so ist, als würde man Hannibal Lecter ans Kreuz nageln, aber in [„Hannibal Rising“ 3139 wird dies anno 2007, bildlich gesprochen, passieren.)

Es sind diese Art von fachmännischen Ansichten, die den Leser am meisten interessieren dürften. Und in den späteren Interviews aus den 2000er-Jahren greifen Grobel und Pacino alle wichtigen Film- und Bühnenproduktionen auf, die Pacino gerade abgeliefert hat oder vorbereitet.

Shakespeare, immer wieder

Eine der rätselhaftesten und somit interessantesten Produktionen, bei denen Pacino selbst Regie führte, ist der semidokumentarische Film „Looking for Richard“ aus dem Jahr 1996, der in dem 4-DVD-Box-Set enthalten ist, das Pacino 2007 auf den Markt bringt. Mit „Richard“ ist, das ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, König Richard III. gemeint, dem Shakespeare ein unsterbliches Monument in seinem gleichnamigen Theaterstück errichtet hat. In diesem Film geht es Pacino in erster Linie darum, nach dieser Figur des buckligen Königs, der sein Königreich für ein Pferd verkauft hätte, zu suchen – daher der Titel „Looking for …“

Dass man nach dieser Figur überhaupt suchen muss, liegt Pacinos Ansicht nach daran, dass die meisten Zeitgenossen keinen Zugang zu dem größten Bühnendichter aller Zeiten finden. Es liege nicht nur an der antiquierten und gedrechselten Sprache, sondern auch an der elisabethanischen Kultur und ihren heute überholt erscheinenden Sitten und Gebräuchen. Aber es sei das Verdienst des Barden von Stratford, so Pacino, dass er in all diesen historischen und erfundenen Figuren das überzeitlich Menschliche, ja allzu Menschliche herausgearbeitet und allgemeingültig formuliert habe. Das ist ein hohes Lob, doch Pacino ist damit auf einer gemeinsamen Linie mit Harold Bloom, der im angelsächsischen Raum als der wichtigste Shakespeare-Kritiker gilt („Shakespeare – Die Erfindung des Menschlichen“, deutsch beim Berliner Taschenbuch Verlag BVT, August 2002, 2 Bände).

Pacino versucht, sich mit anderen Diskussionsteilnehmern, darunter Schauspielkollegen, diesem Phänomen zu nähern und tut dies auf – für amerikanische Verhältnisse – experimentelle Weise. Grobel hält dem Engagement Pacinos für Shakespeare entgegen, dass Anthony Hopkins diesen Autor völlig abgelehnt habe. Das kann Pacino nicht ganz glauben. Wie auch immer: Er hat sich schon 1972 mit „Richard III.“ beschäftigt (und erntete Verrisse), danach 1979 mit „Hamlet“ und „Othello“ (Workshops und Proben), 1986 mit „Julius Caesar“.

Der Höhepunkt, vielleicht sogar die Krönung dieser lebenslangen Beschäftigung mit und Begeisterung für Shakespeare-Stücke bildet 2004 die Verfilmung von „Der Kaufmann von Venedig“ mit Pacino in der Titelrolle des Shylock. Wieder führt Grobel Gegenargumente ins Feld, nämlich dass Harold Bloom (s.o.) diese Figur als „komischen Schurken“ abqualifiziert habe und ob das Stück nicht antisemitisch sei? Das sind allerdings schwere Geschütze, die Grobel auffährt, und Pacino gibt sich redlich Mühe, sie zu entkräften.

Anders als seine Vorgänger zeichnet er Shylock als einen ehrenwerten Mann, dem man ungerechterweise alles genommen hat und noch mehr will, nur aufgrund des zufälligen Umstands, dass er ein Jude ist. Die Gattin verstorben, die Tochter davor, einen Christen zu heiraten, soll er nun auch noch auf einen Kredit verzichten, den er Antonio geliehen hat – gegen ein „Pfund Fleisch“ als Sicherheit. Als Antonio die Rückzahlung verweigert, besteht Shylock auf seinem Pfund Fleisch. Wie soll man ihn beurteilen? Wie soll der Rat der Stadt entscheiden? Pacino zeichnet das Bild eines Mannes von tragischer Krönung, beinahe ein „King Lear“, nur nicht so verblendet, sondern völlig hellsichtig und vehement argumentierend. Das ist eben Shakespeare: Man kann seine überzeitlich gültigen Themen stets aktuell inszenieren und auf diese Weise das Publikum anrühren.

Arkana

Es sind in der kommenden DVD-Box „Al Pacino – An Actor’s Vision“ zwei Filme enthalten, die Pacino selbst drehte, und die erstmals einem breiten Publikum gezeigt werden, nachdem sie bislang nur auf Festivals und Privatvorführungen Eingeweihten zugänglich waren: „Chinese Coffee“ und „The Local Stigmatic“, beides Verfilmungen von Bühnenstücken. Ich bin ebenso gespannt wie Grobel und Pacino, wie sie ankommen werden. Für Pacino sind es quasi immer noch Premieren.

Epilog

Al Pacino ist mittlerweile 66 Jahre alt und immer noch nicht verheiratet. Er hatte viele Freundinnen, darunter so bekannte wie Diane Keaton. Aber er weigert sich wie ein wahrer Gentleman, irgendetwas über die Damen zu sagen, geschweige denn einen Kommentar abzugeben. Das tut ein Gentleman einfach nicht. Genauso wenig, wie man über Kollegen herzieht. Man kann es tun, darf dabei aber keine Namen nennen.

Inzwischen hat er mit Beverly d’Angelo zwei kleine Kinder, Anton und Olivia. Sie bringen ihm neue Ideen bei und zwingen ihn, sich mit der modernen Technik wie etwa einem MP3-Player auseinanderzusetzen. Aber manchmal, und das ist das Hauptthema des Epilogs „A bee or not a bee / Biene oder nicht Biene, das ist hier die Frage“ (um Hamlets „To be or not to be – that is the question“ humorvoll zu umschreiben), kommt es zu Situationen, in denen uralte Fragen zu beantworten hat. Wie folgende: Soll ein Kleinkind eine verletzte Biene anfassen oder ihr fernbleiben? Die Mutter sagt „bleibt bloß weg davon!“, während der Vater nichts dagegen hat. Ein Kompromiss ist nötig und wird gefunden. Genau wie beim Theaterspielen oder beim Inszenieren einer Filmszene.

Mein Eindruck

Mit Ausnahme des ersten Interviews sind alle Gespräche für einen Filmfreund wie mich äußerst spannend. Das liegt nicht nur an der Besprechung von aktuellen Produktionen, sondern auch an der fachmännischen Meinung Pacinos. Er ist eine Persönlichkeit, die sowohl sympathisch als auch sehr eigenständig und achtenswert ist, als Mensch wie als Schauspieler. Er verbreitet nicht Klatsch und Tratsch, sondern bleibt meist bei der Sache. Ausnahmen bestätigen die Regel, so etwa in entspannten Situationen wie etwa beim Tennisspielen mit Grobel.

Das Gespräch, das den Leser quasi auf die Probe stellt, ist das erste Interview, das mit rund achtzig Seiten das längste ist. Es folgt direkt auf die rund 30 Seiten lange Einleitung, die die Karriere und Biografie des Künstlers nachzeichnet. Danach ist man fit für die erste „Begegnung der 3. Art“ mit der Person, die sich hinter so vielen Rollen und Masken verbirgt. Ein Blick auf die Fotogalerie in der Mitte des Bandes bringt uns den Menschen näher. Es handelt sich um sehr private Fotos aus Pacinos Kindheit und Jugend, am Filmset („Dick Tracy“, neben Madonna) und mit Freunden (darunter L. Grobel, Charlie Laughton und Lee Strasberg) und Kindern. Das Produktfoto von der DVD-Box finde ich hingegen unnötig, denn es handelt sich um Schleichwerbung.

Kann ich behaupten, jetzt den Menschen, die Persönlichkeit Alfredo Pacino, geboren 1940 in New York City, zu kennen? Die Antwort muss „nein“ lauten, denn dies ist keine Biografie und sind auch keine Memoiren. Aber ich habe den Eindruck, zumindest den Künstler Pacino sehr viel besser zu verstehen. Und ich denke, das lag auch in der Absicht des Autors, denn er sagt im Schlusssatz seines Epilogs: „Pacino ging es nie um Geld. Es geht darum, wie er sich in seinem Körper und in seinem Kopf fühlt. Es geht um seine Kunst. Und in einem Zeitalter des Kommerzes ist Pacino vielleicht der letzte wahre Künstler.“

Unterm Strich

Wer hätte gedacht, dass Pacino den Historienschinken „Revolution“, in dem er 1985 zu sehen war, für einen halbfertigen Film hält? Oder dass er einmal froh war, den OSCAR |nicht| zu bekommen, weil er dringend auf die Toilette musste? Und ich bin froh, dass er weder als John Rambo noch als „Prince of the City“ aufgetreten ist, sondern immer sein eigenes „Ding“ durchgezogen hat.

Ich habe verstanden, dass er in erster Linie ein Bühnen- und dann er erst ein Filmschauspieler ist. (Zwischen 1983 und 1989 war er nur kurz in „Revolution“ zu sehen, trat aber währenddessen ständig im Theater auf.) Darin gleicht er bekannten Mimen wie John Malkovich und Jeremy Irons. Sein Ruhm als Michael Corleone ist ihm keineswegs zu Kopf gestiegen, vielmehr hat er eine recht kritische Sicht auf diese Rolle und die entsprechenden Filme. Er hält Coppola für einen sehr intelligenten Mann, aber „Der Pate Teil III“ hat für ihn dennoch gravierende Mängel.

All dies von einem Mann des Fachs zu lesen, ist einerseits eine Bestätigung des eigenen Urteilsvermögens, zum anderen eröffnet Pacino auch weitere Perspektiven und macht neugierig auf die vielen Projekte, die am Rande des Medieninteresses liegen, so etwa „Hundstage“ und „Serpico“. Kaum jemand weiß bislang von der Existenz seiner Filme „Chinese Coffee“ und „The Local Stigmatic“, ein paar mehr wissen von „Looking for Richard“, aber es sind nicht gerade Filme für die breite Masse – dennoch möchte ich nun mehr darüber erfahren, und wenn ich mir dazu die DVD-Box kaufen muss. (Dafür macht Grobel ja gute Werbung und findet das ganz normal – so ist das in Amerika: „What’s good for business is good for you.“)

Fazit: Obwohl das Buch weder Biografie noch Lebenserinnerungen darstellt, gebührt ihm ein fester Platz unter den literarischen Biografien über Filmschauspieler. Die Listen der Filme und Bühnenprojekte sind hilfreiches Beiwerk, das nur als Einstieg dienen kann, die Fotos sieht man hier wohl zum ersten Mal. Die Übersetzung ist einwandfrei und besticht durch Kenntnisreichtum – alle Titel von Filmen und Stücken wurden übersetzt, Fußnoten gibt es keine, dafür genaue Angaben über die Berufsbezeichnungen. Der einzige Druckfehler, den ich fand, steht auf Seite 29 unten. Da ist von einer „New Times“ statt von der „New York Times“ die Rede. Schwamm drüber.

Für den oben bezeichneten Rahmen der Aufgabe verdient das Buch als Gesamtleistung die volle Punktzahl. Wer mehr will, wird bestimmt woanders fündig werden – aber viel mehr Interviews dürfte es wohl kaum geben.

250 Seiten plus Fotos
Aus dem US-Englischen von Anne Litvin und Madeleine Lampe
ISBN-13: 978-3896027375

https://schwarzkopf-verlag.info/

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