Gustavus, Frank / Lüftner, Kai – Gesucht: Billy the Kid

_Legende oder Wahrheit: der wilde Wilde Westen_

Mesilla, New Mexico, 13. April 1881: Er war erst 21 Jahre alt, als man ihn zum Tode verurteilte; für jedes Lebensjahr sagte man ihm einen Mord nach: William Bonney, besser bekannt als „Billy the Kid“, der wohl berühmteste Outlaw des Wilden Westens.

Aber war er wirklich nur ein eiskalter Verbrecher? 125 Jahre später (Achtung, Jubiläum!) wird hier seine Geschichte erzählt, ungeschminkt und unrasiert – ein Hörspiel frei nach wahren Begebenheiten, wie etwa dem Rancherkrieg in Lincoln County.

_Die Autoren_

Frank Gustavus ist der Autor, Regisseur und Produzent von aufwändig produzierten Hörspielen wie „Jack the Ripper“, „Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“ und „Die vergessene Welt“, die zeigten, dass auch eine unabhängige kleine Firma wie Ripper Records zu akustischen Großproduktionen in der Lage ist. Zu jedem Hörspiel gibt es im Internet entsprechendes Zusatzmaterial, zu dem nicht zuletzt auch Hörproben gehören. Nur der Vertrieb erfolgt mittlerweile über den mächtigen Apparat des |Lübbe|-Verlags. Die Hörspiele sind zudem radiokompatibel: Jede CD bietet 55 Minuten Material, und bei zwei CDs werden eben zwei Radiostunden daraus: 110 Minuten. Durch die entsprechende Menge an Musik lässt sich dieses Limit locker erreichen und flexibel gestalten.

Kai Lüftner, 1975 in Berlin geboren, ist als Comedian, Texter, Autor, Komponist und Veranstalter tätig. Bei der Hörspielproduktion für und mit |Ripper Records| war er für die Manuskripte, das Sprecherbooking, die Musik, die Regieassistenz und das Marketing mitverantwortlich, macht aber auch eigene Buch-, Musik- und Hörspielproduktionen. Er textet für Kunden aus Wirtschaft und Medien, tritt mit dem Comedy-Projekt „DER EINE und der Kleine“ (www.dereineundderkleine.de) auf und war Teil des Berliner Kabaretts „Die Maulhelden“.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Billy the Kid – Sven Plate (Wil Wheaton/“Wesley Crusher“)
Pat Garrett, Sheriff – Ronald Nitschke (Tommy Lee Jones)
The Lonesome Cowboy, Erzähler – Reiner Schöne (Willem Dafoe, Mickey Rourke)
John Bell, Deputy – Jochen Schröder (James Cromwell)
Bob Olinger, Deputy – Helmut Krauss (Marlon Brando, Samuel L. Jackson)
Jesse Evans, Outlaw – Martin Semmelrogge
Bill Morton, Outlaw – Ingo Naujoks
Jimmy Dolan, Rancher, Tunstalls Widersacher – Lutz Riedel (Timothy Dalton, Richard Gere)
Tom O’Folliard – Andreas Fröhlich („Gollum“, John Cusack, Edward Norton, Ethan Hawke)
Charlie Bowdre, Outlaw – Dietmar Wunder (Cuba Gooding jr., Adam Sandler)
Dick Brewer – Matthias Hinze (Matt Damon, James Marsden)
Paulita Maxwell, Billys große Liebe – Carolina Vera (Penelope Cruz in „Blow“)
Pedro Maxwell, ihr Bruder – Rod Gonzalez (|Die Ärzte|)
Alex McSween, Anwalt / John Poe – Michael Pan (Brent Spiner/“Data“)
John Tunstall, Rancher aus England in Lincoln County – Charles Rettinghaus (Robert Downey jr., „Geordi LaForge“)
Buckshot Roberts, Kopfgeldjäger – Frank Gustavus
Chapman – Kai Lüftner
Die Huren – Ilka Bessin und Antje Seibel
u. a.

Das Hörspiel wurde 2006 im Da Capo Studio, Berlin, aufgenommen und in Hamburg gemischt und gemastert. Regie führte Frank Gustavus, dem Kai Lüftner und Antje Seibel assistierten. Für die Aufnahmetechnik war Klaus Trapp zuständig, für die Geräusche Martin Langenbach.

Die Live-Musik stammt von folgenden Herrschaften: Thomas Fietz, Hannes Meissner, Andreas Manhart (leitend), Reiner Schöne, Rod Gonzalez und Kai Lüftner (Titelmelodie).

_Handlung_

Am 20. September 1880 stellt Sheriff Pat Garett mit seinen Deputies Bob und John die Bande von Billy the Kid an einem Ort namens Stinking Springs. Ein heulender Schneesturm erschwert die Sicht auf die Hütte, in der sich wohl mindestens vier von Billys Bande verschanzt haben müssen. Das Schießen wird zum Glücksspiel, und Deputy Bob Olinger erwischt Charlie Bowdre, weil er ihn für Billy hielt. So einen berühmten Outlaw zu „erlegen“ und dafür die fette Belohnung zu kassieren, das macht Bob ganz schön fickrig, und so trifft er eben den falschen. In den Bauch. Es dauert Stunden, bis Charlie den Löffel abgibt. Dann erwischen sie Tom. Kid hingegen will sich nicht ergeben, wird drei Tage lang ausgehungert und kann dennoch entkommen. Dieser Kerl scheint neun Leben zu haben, verdammt!

Vier Monate später hat die Hetzjagd, die Pat Garett auf ihn eröffnet, endlich Erfolg, und Billy wird nicht nur Bewohner eines Single-Hochsicherheitstrakts in Lincoln, Nebraska, sondern auch eine publizistische Berühmtheit, um die sich die Journalisten reißen. Die Reporter wollen ihren Lesern einen wohligen Schauder verschaffen: Endlich ist der berüchtigte Outlaw unschädlich gemacht! Lobet den Herrn und Gouverneur Wallace!

Nachdem Pat Garett verkündet hat, dass er vier Tage auf „Dienstreise“ muss und abgeritten ist, ergreift sein Deputy John Bell, der über Billy ein Buch schreiben will, die günstige Gelegenheit beim Schopfe. Gegen den Protest seines Kollegen Bob Olinger lässt er Billy aus seiner Zelle und nimmt ihm auf dessen Bitten sogar die Handschellen ab, damit sie eine ordentliche Runde Poker spielen können. Dass Billy bei so viel Freundlichkeit auf dumme Gedanken muss, kann man sich leicht ausmalen. Aber voerst erzählt er die wilde Story seines Lebens …

|Die autorisierte Autobiografie des William Bonney|

Geboren in New York City, zog Billy schon bald mit seinem Stiefvater und seiner Mutter nach Santa Fé und Silver City. Doch die Minen waren bereits ausgebeutet und der Stiefvater ging stiften. Der Kampf ums Überleben begann für Billy mit Klauen, Cowboy-Jobs, Schießenlernen. Bis es zum ersten Toten kommt. Ein Besoffener in Camp Grant verhöhnt Billy wegen seiner Sprechweise als Kinderziege, nämlich als „kid“, bis es zu einer Schlägerei kommt, in deren Verlauf der Besoffene einen Bauchschuss erhält …

Billy flieht in die Wildnis von Nebraska und stößt dabei auf die Bande von Jesse Evans, die sich The Boys nennt. Dessen Kollege Bill Morton hat Billy besonders auf dem Kieker, und Billy bricht ihm die Nase. Jesse hat von einem Rancher den Auftrag bekommen, seinem Widersacher John Tunstall Vieh zu stehlen. Dieser Engländer ist Jimmy Dolan und seinem Santa-Fé-Ring aus korrupten Politikern ein Dorn im Auge, weil er ihre Preise unterbietet, nicht nur auf dem Viehmarkt, sondern auch im Gemischtwarenhandel von Lincoln.

Doch statt sich in diesen Händel hineinziehen zu lassen, setzt sich Billy ab und läuft zu Tunstall über. In dessen Diensten bewährt er sich derartig, dass Tunstall ihn liebgewinnt und ihm sogar zum Geburtstag eine Winchester schenkt, die immerhin auf 40 Meter treffgenau ist. Das konnte man von den wenigsten Colts und Flinten behaupten. So ein Gewehr war Gold wert.

Als Sheriff Brady, der vom Santa-Fé-Ring bezahlt wird, mit einem gefälschten Richterbeschluss bei Tunstall auftaucht, wirft dieser ihn raus. In der Folge kommt es zum blutigsten Rancherkrieg des Wilden Westens, dem Lincoln County War. In dessen Verlauf erschießt Jesse Evans Billys Ziehvater John Tunstall und eröffnen das Feuer. Billy und seine Freunde gründen die Gruppe der „Regulatoren“, um Tunstalls Ermordung zu rächen.

Er muss sich nach einer Ballerei, in der er Bill Morton endlich in die Ewigen Jagdgründe schicken kann, nach New Mexico absetzen. In Fort Sumner lernt er zwei wichtige Leute kennen: den Saloonbesitzer Pat Garett und die lokale Schönheit Paulita Maxwell. Sie lädt ihn ein, bei ihrem Bruder Pedro zu logieren, der lieber mit der Gitarre spielt als mit dem Revolver. Leider haben Pat Garett, der sich „Big Casino“ nennt, und Billy „Little Casino“, die unselige Absicht, Sheriff zu werden. Und Pedro erklärt sich im April 1881 bereit, Billy zu verraten.

Doch bis es dazu kommen kann, muss Billy erst einmal aus dem Knast ausbrechen, in dem er Deputy John Bell seine Geschichte erzählt hat. John Bells Herz ist wirklich ein wenig zu weich und zu rechtschaffen für den Wilden Westen.

_Mein Eindruck_

Es waren finstere Zeiten im wilden Wilden Westen, wenn man dem Anspruch „nach wahren Begebenheiten“ glauben darf. Der Ausdruck Krieg oder Terror ist für den Lincoln Country War durchaus angebracht, und wenn da ein braver Bürger auf offener Straße in Brand gesteckt wird, so könnte dies für so manches zarte Gemüt etwas zu heftig sein. Entsprechend disponierte Hörer seien gewarnt.

Das Hörspiel besteht zum größten Teil aus der von Billy Bonney selbst erzählten Lebensgeschichte. Er sitzt also mit John Bell am Pokertisch im Knast von Lincoln und erzählt, wie er wen kennen gelernt oder umgebracht hat. Die Überleitung zu entsprechend spannenden oder wichtigen Szenen liefert häufig der Erzähler, der als Lonesome Cowboy auftritt. Die Szene selbst ist dann wie in einem klassischen Western ausgestaltet. Mit dem Unterschied, dass in Hollywoods Western die Szenen oft nicht so brutal dargestellt wurden. Die einzige Szene, die mir auf Anhieb einfällt, bildet in dieser Hinsicht Sam Peckinpahs „The Wild Bunch“, das jetzt in der SZ-Cinemathek verfügbar ist.

|Authentisch oder nicht|

Die Kardinalfrage ist natürlich, ob wir Billys Darstellung trauen können. Schließlich redet er mit einem Vertreter des Gesetzes. So verwundert es nicht besonders, dass er in der Regel völlig unschuldig an der jeweiligen Tötung ist, die man ihm ebenso regelmäßig als Mord anhängen wird. Mal war sein Kompagnon der Schütze, mal war es Notwehr oder Nothilfe, aber in den seltensten Fällen beging Billy einen Mord.

Die kaltblütige Hinrichtung des unter seinem gestürzten Pferd eingeklemmten Bill Morton dürfte jedoch eindeutig unter der Rubrik „Mord“ einzusortieren sein. Und wie ist es zu nennen, wenn Billy den Revolver seines Herausforders so manipuliert, dass dessen Pistole nicht feuert, sondern auf eine leere Patronenkammer trifft? Dieses Vorgehen zeigt nicht nur die Kaltblütigkeit Billys, sondern auch seine Intelligenz und Schlauheit. In den meisten Rededuellen gewinnt er, kommt er doch aus New York und hat bei John Tunstall eine Ausbildung genossen. In der Mehrzahl der Schießduelle gewinnt er ebenfalls, denn seine Winchester ist eines der besten Gewehre weit und breit (aber das wird nicht ausdrücklich erwähnt; wer „Winchester 73“ gesehen hat, weiß aber Bescheid).

|Billys Glück und Ende|

Tja, da fragt man sich doch, wie es überhaupt so ein übles Ende mit Billy nehmen konnte? Nun, wie bei so vielen Überlebenskünstlern in der Geschichte – von Julius Cäsar bis Hannibal und Arminius – war Verrat im Spiel. Warum Pedro Maxwell allerdings Billy verrät, wird in der entsprechenden Szene nur durch genaues Hinhören klar. Pat Garrett droht, ihn ebenfalls abzuknallen, wenn er nicht tut, was er ihm sagt. Wie Garrett auf Pedro gekommen ist, wird aus den vorangegangenen Informationen klar: Er kannte Paulita und ihr Verhältnis zu Billy, Pats Partner am Spieltisch. Pat brauchte bloß sein Glück auf Pedros und Paulitas Farm zu versuchen und – bingo! – schon stieß er auf Billy.

Diese Szene ist, ihrem Anlass entsprechend, fein säuberlich aufgebaut. Auf der einen Seite haben wir Pat und Pedro, auf der anderen Billy und Paulita. Wie im Film wechselt der Standpunkt, so dass der Hörer aufpassen muss, was gerade passiert, insbesondere dann, wenn nicht geredet wird. Das steigert die Spannung beträchtlich.

|Ironischer Schluss|

Am Schluss gibt es noch zwei ironische Überraschungen, die einem eventuell aufgekommenen Pathos in der Darstellung des Outlaws die Luft rauslassen. Der Lonesome Cowboy, der zweite Erzähler, stellt sich als Kopfgeldjäger heraus und ist somit nicht ganz unparteiisch. Die 500 Piepen für Billys Kopf sind ihm durch die Lappen gegangen, aber, hey, es gibt schließlich einen Trost: Auf den Kopf von Frank und Jesse James ist die zehnfache Summe ausgesetzt!

Einen zweiten Tupfer Ironie liefert der lange Abspann. Ich dachte schon, nach dem Ansagen aller Sprecherrollen sei Feierabend, aber dann kam noch ein Erzähler, der berichtet, was aus den wichtigsten Personen wurde. Paulita Maxwell beispielsweise bekam drei Kinder (wovon möglicherweise das erste von Billy stammte) und wurde 75 Jahre alt, bevor sie an einer Krankheit starb. Das Ironische daran: Von diesen Leuten hat man nie wieder etwas gehört, wohl aber von jenem Outlaw, der schon mit 21 Jahren ins Gras biss: Billy the Kid.

|Das Booklet|

Wie immer bei Ripper-Records-Hörspielen ist auch das Booklet witzig und informativ gestaltet. War es bei „Die vergessene Welt“ ein fiktiver Zeitungsbericht, so ist nun der Steckbrief das gestalterische Markenzeichen für das Aussehen des Booklets – liegt ja auch nahe: Billy the Kids bekanntes Konterfei ziert das Titelbild. Leider fehlen der Schriftzug: „Wanted for Murder“ und die Summe des Kopfgeldes.

Innen sind sämtliche Mitwirkenden auf Fotos abgedruckt, die sie mit diversen Kopfbedeckungen zeigen: meistens sind es Hüte aus dem Wilden Westen, aber einer der Männer trägt auch eine Soldatenkappe und zwei Damen kommen sich auch ohne Hut wohlbehütet vor. Als einzige Frau trägt Antje Streibel einen Hut, und was für ein Trumm.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Bevor die eigentliche Story mit der Titelmusik losgeht, hören wir einen Prolog: das unselige Gefecht bei Stinking Springs. Der Wind des Schneesturms heult, hin und wieder peitscht ein Schuss, und die Männer, die sich hier offenbar ihre edlen Teile abfrieren, fluchen, was das Zeug hält. Schon bald hat es den Ersten erwischt, und er röchelt zum Steinerweichen. Die Tonart für den Rest der Geschichte ist festgelegt und der Hörer gewarnt: Hier herrschen äußerst raue Sitten, und die Typen, die hier auftreten, nehmen kein Blatt vor den Mund.

Wer sich das Hörspiel mehrmals anhört, wird schon bald auf Lieblingsszenen stoßen, so etwa die Konfrontation mit dem Kopfgeldjäger oder der spannende Showdown bei Pedro Maxwell. Aber auch die Wortgefechte zwischen den diversen Maulhelden sind nicht ohne Reiz. Mitunter komisch oder grotesk, dann wieder dramatisch – stets gelingt es dem Regisseur, der Szene ein besonderes Charakteristikum zu verleihen. Die amouröse Tändelei zwischen Billy und Paulita ist in dieser Hinsicht natürlich das komplette Kontrastprogramm zu den üblichen Verbalinjurien.

Die Stimmen sind bei diesen Hahnenkämpfen äußerst wichtig. Jeder hat ja die kernigen Synchronstimmen aus unzähligen Western und TV-Serien wie „Bonanza“ im Kopf, wenn er an einen Western denkt. Dementsprechend glaubwürdig müssen die Stimmen sein. Weicheier haben hier wenig zu suchen, und wenn sie denn doch mal auftreten, wie etwa der kultivierte Gentleman John Tunstall, dann ist es ihnen a) deutlich anzuhören und b) leben sie meist nicht lange. Man kann es aber mit der „kernigen Stimme“ auch übertreiben. Frank Gustavus als versoffener und angeschossener Kopfgeldjäger schrammt in seine Darstellung eindeutig die Grenze zum lächerlichen Chargieren.

In vielen Szenen konnte ich dabei zu meiner Freude feststellen, dass die Möglichkeiten des Stereotons genutzt wurden. So hören wir etwa zwei Streithähne im mittleren Vordergrund, aber die restliche Besucherschar eines Saloons „hinten“ in den Ecken. Hier könnte es sich für den Hörer lohnen, gute Kopfhörer aufzusetzen. Das gilt auch für den Showdown bei Pedro, wo sehr viel Schweigen herrscht, aber umso mehr Geräusche Aufschluss über das Geschehen geben.

|Geräusche und Musik|

Die vorhandene Geräuschkulisse ist einem Film nicht nur angemessen, ich würde sogar sagen, sie übertrifft sie noch an Komplexität und Realismus. Jedes Klappern einer Tasse, jedes Klirren von Sporen, das Seufzen des Windes und das Klimpern von Zaumzeug – es ist ein Wunder, dass die Tonregie den Soundtrack nicht überladen hat. Denn stets stehen die Dialoge im Vordergrund. Ihnen gilt es zu folgen, will man den roten Faden nicht verlieren.

Und diese Gefahr ist angesichts der Fülle des Personals durchaus gegeben. Wer war noch gleich Jimmy Dolan? Auch der namenlose Lonesome Cowboy stellt sich nicht vor. Er ist einfach der Erzähler, der plötzlich in einer Szene als er selbst auftaucht, sich im Saloon einen Drink hinter die Binde kippt und dann wieder weiterreitet. Keine große Sache, aber es ist selten, dass es in einem Hörspiel zwei Erzähler gibt. Der andere ist natürlich Billy.

Die Musik

… ist stilecht und sehr sauber produziert. Davon könnte man glatt eine DVD in Sechskanalton produzieren! Mit „stilecht“ meine ich die Instrumentierung: Westerngitarre (logo!), Mundharmonika und eine recht flotte E-Gitarre nach Country-&-Western-Manier. Das geht manchmal richtig in die Beine, besonders die Titelmelodie. Für Abwechslung sorgen langsame und sogar traurige Intermezzi, einmal spielt auch Pedro auf einer Konzertgitarre ein nettes mexikanisches Motiv.

Auf Gesang wurde zum Glück komplett verzichtet, denn wer sollte da singen? Etwa ein dritter Erzähler? Das wäre denn doch etwas zu viel des Guten gewesen. Und dass ein Lonesome Cowboy eine Gesangsausbildung erhalten haben soll, darüber würden selbst die Hühner lachen. Schließlich ist das hier der wilde Wilde Westen und keine Musicalshow in New Orleans.

_Unterm Strich_

Ein Hörspiel für die Liebhabersammlung. Ebenso sorgfältig produziert wie „Jack the Ripper“ und „Die vergessene Welt“, verwöhnt es den Hörer mit einer feinen Geräuschkulissen, bekannten kernigen Stimmen und einer doch recht annehmbaren Dramaturgie: Jede CD hat ihren eigenen Höhepunkt, wenn nicht sogar mehrere. Ob nun alles, was hier erzählt erzählt, ohne weiteres zu glauben ist, steht auf einem anderen Blatt.

Sicher ist, dass der Hörer durch Musik, Geräusche und Dialoge stilecht in den wilden Wilden Westen versetzt wird, wie er vielleicht wirklich einmal war. Ich fühlte mich durchweg gut unterhalten, denn die Szenen sind dramatisch, spannend und mitunter auch komisch. Doch Komik ist bekanntlich Geschmackssache, und deshalb seien zartbesaitete Gemüter vor den Gewaltszenen gewarnt. Eine „politisch korrekte“ Darstellung hätte aber auf jeden Fall unglaubwürdig gewirkt. Das Booklet mit den Steckbriefkonterfeis der Mitwirkenden belegt jedenfalls, dass die Crew eine Menge Spaß mit ihrem akustischen Spiel hatte. Der Spaß ist dementsprechend auch zu spüren.

|110 Minuten auf 2 CDs|
http://www.ripperrecords.de
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