Guthrie, Allan – Abschied ohne Küsse (Hörbuch: Hard Case Crime)

_Knallharter Schottenkrimi_

Als seine Tochter tot aufgefunden wird, ist der Geldeintreiber Joe Hope nicht mehr aufzuhalten. Er wird die Mörder finden – auch wenn er dafür jeden verdächtigen muss, dem er bisher getraut hat. Doch dann wird Hope selbst zum Verdächtigen … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Allan Guthrie ist Autor und Literaturagent. Für seine Kriminalromane wurde er bereits vielfach ausgezeichnet, „Abschied ohne Küsse“ war 2005 sein Debüt. Guthrie lebt mit seiner Frau Donna in Edinburgh, Schottland. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Reiner Schöne lebte lange in Hollywood und drehte dort mit Filmgrößen wie Client Eastwood und Lee van Cleef. Der Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger mit der tiefen, markanten Stimme trägt die passende raue Note bei. (abgewandelte Verlagsinfo)

Regie führte Thomas Wolff. Die Buchvorlage erschien 2008 bei |Rotbuch|.

_Handlung_

Im schönen Edinburgh treibt Cooper als Kredithai sein Unwesen, und Joe Hope ist sein Geldeintreiber. Joes bevorzugtes Schlaginstrument, mit dem er Coopers Ansprüche anschaulich durchsetzt, ist sein Baseballschläger. Natürlich ist er als Schotte keineswegs ein Baseballfan, aber nichtsdestotrotz hat er diesen Schläger. Und dass er ihn effektvoll einzusetzen weiß, kann Billy Strachan bezeugen, der jetzt mit einigen gebrochenen Knochen im Krankenhaus liegt.

Nach diesem harten Job kehren Joe und Cooper in einer Bar. Coopers 17-jährige Freundin Sally, die Mutter seines Sohnes Gary, ist nicht da. Joe schaltet sein Handy ein: 16 nicht abgehörte Nachrichten. Er ruft seine Frau Ruth an. Sie heult etwas Hysterisches in den Hörer von wegen, Gem sei tot. Er legt sofort auf. Was soll der Scheiß, fragt sich Joe. Gemma, seine 19-jährige Tochter, ist längst ausgezogen, um sich auf den stürmischen Orkney-Inseln einem Typen namens Adam Wright anzuschließen, der eine Schriftstellerpension führt. Wie soll dort Gemma irgendetwas passieren können?

Ruth betrügt Joe schon seit langem mit einem Studenten, weiß er, und deshalb steht es um ihre Ehe nicht gerade zum Besten. Kaum hat ihm Ruth gesagt, Gem habe sich umgebracht, fährt er zu seiner eigenen Freundin Tina, einer Prostituierten und Kampfsportlehrerin. Er schläft nie mit ihr, gibt ihr bloß Geld fürs Zusammensein -obwohl sie nicht abgeneigt wäre und ihn mit Streicheleinheiten für das Geschenk von 1000 Pfund belohnt. Nach einem Zwischenstopp bei Ruth übernachtet er bei Cooper und dessen Familie.

Am nächsten Morgen ruft ihn Adam Wright, um ihn wüst zu beschimpfen, doch Joe, ein harter Kerl, der sich nichts bieten lässt, zahlt es ihm heim. Er packt seine Sachen – Ruth ist nicht daheim – und fliegt auf die Orkneys. Kaum betritt er Adams Haus, das merkwürdig dunkel ist, wird Joe von zwei Seiten in die Mangel genommen: Die Polizei nimmt ihn fest. Wegen Mordes an seiner Frau Ruth. Joe ist perplex. Doch die Bullen können ihn mal kreuzweise, und in der Auseinandersetzung mit Detective Sergeant Monkman kriegt Joe ein paar heftige Stiefltritte in die Rippen. Das macht ihn nicht unbedingt kooperationsbereiter. Sie fliegen ihn zurück nach Edinburgh.

Joe ruft Cooper an, der ihn brüllend fragt, warum er den Mord begangen hat, was Joe natürlich abstreitet. Cooper besorgt ihm einen jungen Schnösel von Anwalt, Ronald Brewer. Aber Brewer hat mehr drauf, als Joe glauben würde. Und weil Tina Joe ein Alibi gibt, kann Brewer ihn rausholen. Tina ist von Cooper und dessen Gentleman-Auftragsmörder Parke unmissverständlich und für die fürstliche Summe von 10.000 Pfund „gebeten“ worden, Joe das Alibi zu geben. Wenn das auffliegt, wird sie wegen Meineid belangt.

Wieder auf freiem Fuß, kann Joe mit Brewers und Tinas Hilfe endlich versuchen, den wahren Mörder seiner Frau zu finden. Und natürlich Vergeltung zu üben. Doch er hat keinen konkreten Verdacht, bis ihm Adam Wright unverhofft ein brisantes Dokument in die Hand drückt: Gemmas privates Tagebuch. Und was Gemma über einen gewissen „Daddy“ schreibt, den sie nicht verraten dürfte, obwohl er sie vergewaltigte, treibt Joe zur Weißglut. Denn es kann nur einen Mann geben, der sich diesen Ehrentitel anmaßen darf …

_Mein Eindruck_

Nach einem langsamen Start, der uns Joe Hope, den gescheiterten Lehrer, vorstellt und mit ihm sein detailliert geschildertes Alibi, kommt die Geschichte nach dem ersten Drittel richtig in Fahrt. Joe ist auf freiem Fuß, misstrauisch verfolgt und beschnüffelt von den Bullen, ebenso misstrauisch beschattet von Cooper und dessen Leuten. Es sieht nicht gut aus für Joes Alibi, trotz der erstaunlich loyalen Tina, die in ihm ihren Helden sieht, aber auch auf ihren Vorteil bedacht ist.

Das Schicksal beutelt Joe, den |ordinary guy|, doch er ist hart im Nehmen und ebenso hart im Austeilen. In dieser Lage erweist es sich, ob ein Mann wirklich Freunde hat – oder nur Speichellecker. Wenn Tina sich erfreulicherweise auf seine Seite stellt, so ist Joe umso mehr überrascht, dass sich der Junganwalt Ronald Brewer auf seine Seite stellt. Noch mehr ist er verblüfft, dass sich ausgerechnet Adam Wright, der ihm seine Tochter abspenstig gemacht hat, wie Joe glaubt, anerbietig macht, Gemmas Vergewaltiger zu finden und Joe zu helfen.

Allerdings weiß Joe nur zu genau, dass diese „Zivilisten“ nichts gegen die Feuerkraft der Gegenseite ausrichten können, und geht einen Pakt mit dem Teufel ein: Er schließt einen Deal mit Coopers Auftragsmörder Parke. Doch auf welche Seite wird sich Parke stellen, wenn es hart auf hart kommt? Wem gehört des Teufels Loyalität? Nur ihm selbst. Das sollte Joe eigentlich wissen.

An den Mann, den er unbedingt haben will, kommt Joe aber nicht heran, denn die Bullen beschatten ihn schon. Deshalb muss sich der trauernde und wütende Joe den rauchenden Schädel zerbrechen, wie an den Gegner heranzukommen ist. Glücklicherweise kann er auf drei Helfer zurückgreifen, die eine Falle aufstellen, in der sich die Beute fangen soll. Doch als es in einer ehemaligen Kirche zum Showdown kommt, fallen die Würfel nicht ganz so, wie Joe es geplant hat. Denn der Gegner wartet mit Enthüllungen auf, deren Ungeheuerlichkeiten Joe ins Wanken bringen …

|Das andere Edinburgh|

Wer einmal wie ich in Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands, gewesen ist, der ahnt vielleicht, dass sich die alte keltische Gründung im Laufe der Jahrhunderte nicht bloß die Schokoladenseite auf der Princes Street zugelegt hat, sondern auch eine dunkle Hinterhofpersönlichkeit besitzt, der man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Dort treiben sich hartgesottene Halunken wie Cooper und Hope herum. Sie haben einen harten Schlag drauf und lassen sich keinen Scheiß bieten, erst recht nicht von den Bullen. Ich bin selbst 1984 mit einem angetrunkenen Schotten aneinandergeraten und weiß, wovon ich rede. Man sollte es sich zweimal überlegen, bevor man sich mit so einem Typen einlässt. Bullen dagegen haben keine Wahl.

|Ringen um eine gute Seele|

Joe Hopes Seele ist, metaphysisch gesehen, ein Kriegsschauplatz zwischen Gut und Böse. Von seinen Lehrerträumen ist nichts übrig geblieben, als Ruth mit Gemma schwanger wurde und er sich einen lukrativeren Job suchen musste, um eine Familie zu ernähren. Geldeintreiben? Easy money! Doch Leute umzulegen, ist eine ganz Nummer schlimmer, und davor versuchen ihn die Schutzengel Tina, Adam und Brewer zu bewahren. Joes Teufelspakt ist ihren Bemühungen, ihn von der schiefen Bahn abzubringen, nicht gerade förderlich. Prompt sieht er sich denn auch verraten. Wie passend, dass der Showdown mit Satan in einer ehemaligen Kirche stattfindet. Nicht nur wegen der hübschen Beleuchtung.

|Schläge unter die Gürtellinie|

Der Autor versteht sein Handwerk. Er überrascht den Leser – und Joe – des Öfteren aus dem Hinterhalt, um ihm die volle Dröhnung zu verpassen. Als wolle er ihn am Schlafittchen packen und ihm eindreschen: „Dies ist das echte Leben, Kumpel!“ Dass sein Held Joe ausgerechnet „Hoffnung“ heißt und das Finale in der Kirche stattfindet, ist möglicherweise auf das traditionell protestantische geistige Umfeld des Autors zurückzuführen.

Im Widerspruch dazu steht jedoch scheinbar, dass die Figuren, die er vorstellt, der Selbstzerstörung nahe sind, als hätten sie jede Hoffnung verloren. Die Krönung ist die Enthüllung von der Vergewaltigung Gemmas durch ihren eigenen Vater – wer auch immer das nun eigentlich sein mag. Der Autor teilt Schläge aus, und manche landen wie dieser unter der Gürtellinie.

|Der Sprecher|

Reiner Schöne war schon vor 30 Jahren in den Hörspielen des |Bayerischen Rundfunks| zu hören, so etwa in der Titelrolle als Paul Cox. Seine Stimme ist „männlich herb“, tief und etwas rau, also genau richtig für ein kriminelles Milieu, in dem die Sitten ebenso rau sind. Er kann heiser auflachen, aufgebracht aufschreien, und zwar sowohl in einer männlichen wie einer weiblichen Rolle. Die Figuren zeichnet er in all ihrer Lautstärke und Emotionalität, lässt sie rufen, brüllen, schniefen, lachen und flüstern.

Für die Charakterisierung der Figuren steht ihm allerdings nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Die Charakterisierung erfolgt eher durch Situationen und Emotionen, die eine entsprechende Ausdrucksweise, wie oben aufgelistet, erfordert. Einmal verleiht er einem Spanier einen entsprechenden Akzent.

Schöne eignet sich mit seinem harten Image auch ausgezeichnet für die nicht gerade höfliche oder gar politisch korrekte Ausdrucksweise der Figuren. Dass sie vom Ficken reden, als wäre es Wassertrinken, ist eh klar. Es ist aber auch vom Mösenschnorcheln („muff diving“) die Rede, was eine volkstümliche Umschreibung des Cunnilingus ist. Der Hörer muss auf derlei Ausdrücke stets gefasst sein, und zwar in der ganzen Hard-Case-Reihe.

_Unterm Strich_

Der Anti-Held Joe Hope ist ein Bursche, der es einem nicht leicht macht, ihn zu mögen: hart im Austeilen, aber auch im Nehmen, und stets auf Kriegsfuß mit der behelmten Obrigkeit und Jung-Anwälten, die für ihn nur ahnungslose Schnösel sind. Zum schönen Geschlecht hat er ein zwiespältiges Verhältnis. Er liebt seine Tochter ebenso wie seine platonische Prostituierten-Geliebte, doch von seiner Frau Ruth ist er schwer enttäuscht, und nicht nur weil sie ihn mit einem jungen Studenten betrügt. Was bleibt einem Mann dann noch, wenn er fälschlich des Mordes angeklagt wird?

Die Story beginnt langsam, steigert sich dann aber über mehrere Stationen hin zu einem fulminanten Showdown, der dem Helden etliche Tiefschläge versetzt – und uns natürlich ebenso. Der Autor präsentiert ein ungeschminktes Gesicht der Königin des britischen Nordens, eines, das Inspektor Rebus des ungleich populäreren Ian Rankin wohl nur selten zu Gesicht bekommt. Höchste Zeit, dass Rankin seinen Inspektor in Rente schickt.

|Das Hörbuch|

Reiner Schöne zuckt mit keiner Wimper, wen sich seine Figuren gegenseitig die Visage demolieren oder sich Unflätigkeiten an den Kopf werfen. Es ist nicht seine Aufgabe, sich einzumischen, wenn die schlimmsten Sünden ans Tageslicht gezerrt werden: Vergewaltigung, Inzest und dergleichen mehr. Aber es ist sehr wohl seine Aufgabe, sich ins Zeug zu legen, um die Figuren zum Leben zu erwecken. Das gelingt ihm auf glaubhafte und konsistente Weise, so dass wir auf weitere erstklassige Hard-Case-Crime-Krimis hoffen dürfen.

|Originaltitel: Kiss her goodbye, 2005
Aus dem Englischen übersetzt von Gerold Hens
301 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-454-9|
http://www.argon-verlag.de
http://www.rotbuch.de

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