Frank-Burkhard Habel – Ekel Alfred

Gestatten – Tetzlaff mein Name, ich bin hier der Gastgeber

Heinz Schubert verkörperte in den 70er-Jahren in der Gestalt des Alfred Tetzlaff – von seinen Freunden „liebevoll“ Ekel Alfred genannt – den Typus des hässlichen Deutschen und spaltete damit die Nation. Seine Seitenhiebe auf Willy Brandt, den Emigrantenkanzler, und die Sozis, die seiner Meinung nach zum Zerfall Deutschlands beitragen, sind zum Kult geworden und sind charakteristisches Moment einer der letzten richtig guten deutschen Familienserien.

Die Familie Tetzlaff, das ist neben dem kleinen, aber umso tyrannischeren Alfed auch seine Frau Else (großartig: Elisabeth Wiedemann und eher umstritten: Helga Feddersen), die Alfred wenig charmant meist als dusselige Kuh tituliert, die aber mit ihrem ganz eigenen Charme die Herzen der Zuschauer eroberte. Else ist Hausfrau und hat sich in den 25 Jahren ihrer Ehe mit Alfred um das gemeinsame Kind Rita, um den Haushalt und um ihren anspruchsvollen Ehemann gekümmert. Meist sieht man Else mit Schürze, es sei denn, sie hat sich ein vermeintlich schickes Kleid von der Nachbarin Frau Suhrbier ausgeliehen. Else ist sicherlich nicht die intelligenteste Frau, zudem verwechselt sie immer wieder Namen, was zu kuriosen Dialogen führt, wenn sie beispielsweise glaubt, dass der amerikanische Außenminister Kissinger in Deutschland Bundeskanzler gewesen ist. Dass sie Kissinger und Kiesinger verwechselt hat, erklärt ihr der Schwiegersohn Michael zwar schließlich, aber so ganz fällt der Groschen bei Else eigentlich nie.

Im gemeinsamen Hause leben noch die Tochter Rita (Hildegard Krekel) und ihr frisch angetrauter Ehemann Michael Graf (Dieter Krebs und später Klaus Dahlen), der in der DDR geboren ist, gerne den |Spiegel| liest und nicht nur SPD wählt, sondern sogar Mitglied der Partei ist. So liefert er sich immer wieder Wortgefechte mit Alfred, der sich stets abfällig über Michaels Parteigenossen äußert, der allerdings auch äußerst belesen ist und damit die meisten Wortgefechte gewinnt, sodass die SPD oftmals nicht allzu gut davonkommt. Genau hier haben damals auch die Kritiker angesetzt, die Alfred als Verkörperung eines Nazi (oder sogar von Hitler selbst) angesehen haben, der Willy Brandt und seine SPD durch die spitzen Äußerungen zugrunde gerichtet hat. Doch genau diese Interpretation geht vollkommen an der Intention des Autors Wolfgang Menge vorbei. Durch die vollkommene Überspitzung des Charakters Alfred Tetzlaff führte Menge seinen „hässlichen Deutschen“ ad absurdum, doch offensichtlich wollte dies nicht jeder sehen.

Nachlese

Die erweiterte Neuausgabe von F.-B. Habels „Ekel Alfred“ lässt das Herz eines jeden Tetzlaff-Fans höher schlagen. Nach einer kurzen Einführung über die Entstehungsgeschichte von „Ein Herz und eine Seele“ – wie die Serie offiziell heißt – widmet er sich jeder einzelnen abgedrehten Folge von „Ekel Alfred“. Zu jeder Folge gibt es eine etwa einseitige Kurzzusammenfassung, gefolgt von einem längeren Auszug eines Dialogs aus der jeweiligen Folge.

Und diese Dialoge sind einfach köstlich; ich persönlich hätte wohl keine einzelne Szene herauspicken können, weil eigentlich jeder Dialog absolut lesenswert ist, doch Habel schafft es, den Leser zurück in die einzelnen Folgen zu versetzen und lässt die besten Dialoge Revue passieren. Was die Authentizität noch steigert, ist die Verwendung von Alfreds Original-Sprechweise und der genauen Notation seines Dialekts. Um diese Dialoge wirklich genießen zu können, sollte man allerdings die Serie kennen, weil die Dialoge erst dann richtig wirken, wenn man vor seinem inneren Auge Heinz Schubert sieht, wie er mit seiner einmaligen Mimik und Gestik ausgestattet mit Hosenträgern und Zigarre über die Politik doziert.

Seine Erkenntnisse, denen Habel einen weiteren Abschnitt widmet, sind dabei teilweise abstrus, teilweise kann man sie aber auch nicht von der Hand weisen. Zu manchen Folgen gibt Habel Hintergrundinformationen, die er unter der Überschrift „Was nicht jedem auffiel“ unterbringt. Manchmal sind es Offensichtlichkeiten, manchmal aber auch kleine Details, die mir tatsächlich entgangen waren. Genial sind auch die Früchte, die Alfred vom Baum der Erkenntnis gepflückt hat und über die Habel ebenfalls berichtet. Hier bekommen wir die vielleicht kuriosesten Schlussfolgerungen Alfreds präsentiert, die einem angesichts ihrer Absurdität ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Eine typische deutsche Familie?!

Dem langen Buchabschnitt, in welchem Habel detailliert jede einzelne Tetzlaff-Folge präsentiert, schließt er die Vorstellung der Seriencharaktere und ihrer Darstellung an. Positiv fällt hier auf, dass Habel nicht nur eine offensichtliche Charaktervorstellung vornimmt, sondern auch seine eigene – zutreffende! – Interpretation wagt, die uns die Charaktere noch einmal näher bringt. Man merkt diesem Abschnitt an, dass Habel sich sehr eingehend mit der Serie und ihren Figuren beschäftigt hat. Ein schönes Goodie sind die Interviews, die er mit Heinz Schubert und Elisabeth Wiedemann geführt und in denen beispielsweise Schubert sich sehr eindeutig über Helga Feddersen und ihre Interpretation der Else Tetzlaff geäußert hat. Der Blick hinter die Kulissen, den man hier bekommt, vervollständigt hervorragend das Bild, das man aus dem reinen Anschauen der Serie bereits gewonnen hat.

Habel widmet sich erfreulicherweise nicht nur den Hauptdarstellern, sondern auch den Nebenfiguren wie beispielsweise Frau Suhrbier, die wahrscheinlich in fast jeder Folge Thema der Tetzlaffschen Diskussionen ist, die aber nie in der Serie auftritt; auch analysiert Habel die Umbenennung der Charaktere und ihre Neubesetzung. Hier liest man tatsächlich einige Dinge, die einem wahrscheinlich vorher nicht aufgefallen waren.

Ausgesprochen interessant und lesenswert ist darüber hinaus der Abschnitt über Alfreds geistige Väter, die einst versuchten, eine englische Serie für das deutsche Fernsehen anzupassen, die aber schnell einsehen mussten, dass die britischen Witze hier nicht für Schenkelklopfer sorgen würden. Es ging also darum, die Charaktere zu adaptieren, ihnen eine neue Biografie zu verpassen und typische deutsche Witze zu erschaffen. Und da das britische Original ausgesprochen konservativ war, wählt auch Alfred Tetzlaff die CDU und zwar in einer Zeit, in der Brandts Beliebtheit groß war. Als es mit Brandt und der SPD schließlich bergab ging, gab es tatsächlich einige Stimmen, die Alfred Tetzlaff die Schuld dafür haben. Aber auch wenn dies wohl Quatsch war, so ging es mit der Serie dann schließlich ebenfalls bergab, weil niemand mehr über Alfreds Witze lachen konnte, weil sie an Absurdität verloren hatten.

Alfred ist und bleibt ein Original

Abgeschlossen wird das vorliegende Buch durch einen Abschnitt, der Alfreds „Nachfolger“, nämlich Motzki – ebenfalls aus der Feder Wolfgang Menges -, die Trotzkis und die Familie Heinz Becker vorstellt. Dies ist der einzige meiner Meinung nach überflüssige Abschnitt, denn diese Serien kenne ich nicht, daher war die recht detaillierte Darstellung Motzkis für mich eher uninteressant. Es lässt sich über die Zusammenfassung einer Serie eben nicht so sehr lachen, wenn man sie nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Die letzten etwa 20 Seiten des Buches sind daher absolut verzichtbar, weil sie mit Ekel Alfred rein gar nichts zu tun haben. Angesichts der informativen restlichen 180 Seiten trübt dieser Buchabschluss den Gesamteindruck aber nicht wirklich.

Schlusswort

„Ein Herz und eine Seele“ ist für mich absolute Fernsehkunst und eine der letzten gut gemachten deutschen Serien, die auf Charaktere und Inhalt setzten, vor allem aber auf intelligenten Humor. Leider wird Ekel Alfred wohl mit meiner Generation aussterben, denn wer wird später noch lachen über einen komischen Kauz, der über einen gewissen Willy Brandt herzieht, der nichts als ein Name ist, mit dem man nichts mehr verbindet? Wer würde über den Besuch aus der Ostzone lachen und über die Differenzen zwischen den Tetzlaffs und den Grafs, die beim Thema Fußball erst richtig hochkochen, wenn sich kaum noch jemand daran erinnern kann, dass es die DDR einmal gegeben hat?

Für mich ist Ekel Alfred einfach nur Kult, ich verbringe jedes Silvester mit ihm, lasse mir von ihm den Silvesterpunsch nach altem Familienrezept vorkochen und sehe lachend zu, wenn Alfred sich seine verbrannten Füße am Esstisch in der Kartoffelschüssel kühlt. Und genau diese Atmosphäre, diese Witze, Alfreds genialen Dialoge und eine genaue Betrachtung der Charaktere machen das vorliegende Buch zu einem absoluten Lesegenuss. Habel versetzt seine Leser zurück in die einzelnen Szenen und präsentiert die besten Dialoge, die auch beim Lesen köstlich amüsieren. Verschönert wird dieses Buch durch insgesamt 250 Abbildungen, die nicht nur Szenen aus der Serie festhalten, sondern die Darsteller auch in den Gesprächen mit dem Regisseur oder in anderen Rollen zeigen. Selbst Fotografien, die Heinz Schubert von Schaufensterpuppen angefertigt hat, finden Eingang in dieses Buch und runden es damit wunderbar ab.

„Ekel Alfred“ ist nicht nur als Serie der Hit, dieses Buch ist es ebenfalls, wobei es nur für diejenigen lesenswert ist, die die Serie kennen und lieben. Wie könnte man sonst so lachen wie ich, wenn man Alfreds Witze und gemeine Sprüche hier zum ersten Mal hört? Wer aber Fan der Serie ist, sollte nicht zögern und sich dieses Buch zulegen, es ist eines der witzigsten und besten, die ich in letzter Zeit gelesen habe! Absoluter Kauftipp für Ekel-Alfred-Fans!

Taschenbuch: 216 Seiten
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