|Selecta|, eines der führenden Unternehmen im Bereich von qualitativ hochwertigem Kinderspielzeug, hat zur Wintermesse in Nürnberg dieses Mal ein besonders reichhaltiges Repertoire an Brettspielern für die jüngste Generation zusammengestellt. Damit hat man das bereits bestehende Kontingent maßgeblich erweitert und vor allem auch einmal mehr unter Beweis gestellt, dass man gemeinsam mit Spielzeugverlagen wie |Haba| in diesem Marktbereich richtungsweisend ist – unter anderem auch wegen solch toller Lernspiele wie „Rettet den Märchenschatz“.
_Der Hintergrund_
Der böse König hat sich am wertvollsten Gut des Märchenlandes vergriffen und sämtliche Märchenbücher verbrannt. Nur ein Buch ist noch erhalten geblieben, jedoch hat der König auch hier Schindluder getrieben und es entzwei gerissen. Im gesamten Schlossgarten liegen die durchtrennten Seiten verstreut und warten nur darauf, von ihren Liebhabern wieder aufgelesen zu werden. Mit Mut und Teamgeist begeben sich die Spieler nun in das Labyrinth des königlichen Gartens und bemühen sich, die zusammengehörigen Teile wieder zu kombinieren. Allerdings ist der König währenddessen nicht untätig. Um den Schlossgarten herum schiebt er Wache und lässt den Abenteurern nicht viel Zeit, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Eile und Besonnenheit sind gefragt, um dem strengen Blick des Königs zu trotzen und den letzten Märchenschatz zu retten.
_Spielmaterial_
• 1 Spielplan
• 24 Märchenplättchen
• 21 Gartenplättchen
• 14 Märchenbuchseiten
• 1 Kordel
• 1 Kirschbaum
• 4 Spielfiguren
• 1 König
• 1 Spielanleitung
• 1 Märchenheft „Der Märchenschatz“
Das Material von „Rettet den Märchenschatz“ ist durch und durch hochwertig und steigert die Freude am Spiel bereits vor dem Einstieg in eine Partie. So sind die illustrierten Märchenplättchen sowie die entsprechenden Buchseiten nicht nur stabil gestaltet, sondern auch sehr schön im klassischen Märchenstil illustriert. Weiterhin ist der Spielplan vollkommen robust und vermeidet bereits im Ansatz Beeinträchtigungen im Spielsystem. Lediglich das Verschieben der Plättchen während des Spielverlaufs bereitet teilweise Probleme, die jedoch nicht auf gravierende Mängel bei den Spielmitteln zurückzuführen sind.
Rein optisch sind indes die Spielfiguren die absoluten Highlights und auch ein ständiger Blickfang. Freundlich bemalt und erfinderisch aufgebaut (unter anderem Filz als Haarersatz), setzen sie das i-Tüpfelchen auf das in jeglicher Hinsicht rundum gelungene Spielmaterial.
_Der Aufbau_
Bevor man mit dem Spiel starten kann, gilt es erst einmal, das Spielfeld aufzubauen. Hierzu benötigt man unter anderem auch die Unterseite der Schachtel, in die zunächst der Spielplan und auf diesen schließlich offen die 24 Märchenplättchen abgelegt werden. Jeder Spieler hat nun kurzzeitig die Gelegenheit, sich die Lage der einzelnen Plättchen genauer einzuprägen. Anschließend werden die übrigen Plättchen verdeckt auf die Märchenplättchen gelegt. Das Feld gegenüber vom Eingang des umrandeten Spielfelds wird dabei mit der bunten Seite der Grasplättchen aufgedeckt und darauf anschließend die Spielfiguren platziert.
Am Ende bleiben genau drei Märchenplättchen ohne Bedeckung, damit man die verdeckten Plättchen im Spielverlauf auch flüssig schieben kann. Zum Schluss der Vorbereitungsphase legt man die Seiten des Buches noch offen aus und positioniert den König auf seine Startposition. Der Baum wird in dieselbe Ecke gestellt wie die Spielfiguren und spendet ihnen zum Anfang der Partie ein wenig Schatten. Ist der Spielplan schließlich ordnungsgemäß aufgebaut, kann man mit dem Spiel beginnen.
_Ein Spielzug_
In einer Spielrunde schiebt ein Spieler nun ein beliebiges Plättchen aus der Auslage der Grasplättchen senkrecht oder diagonal über das Spielfeld und deckt so neue Märchenplättchen auf. Es ist auch erlaubt, ganze Reihen zu verschieben, solange man die Schubrichtung nicht verändert. Wenn es einem nun gelungen ist, durch ein- oder zweifaches Verschieben ein zusammengehöriges Märchenplättchen-Paar gleichzeitig aufzudecken, darf man die zugehörige Buchseite an sich nehmen und hat ein weiteres Teil des Buches zurück erkämpft. Außerdem werden nun die Märchenplättchen umgedreht, damit ersichtlich wird, dass das entsprechende Pärchen bereits gefunden wurde. Als Letztes darf man nun eines der Plättchen aus der ‚obersten Plättchenschicht‘ auf die grüne Seite bewegen, um zu einem späteren Zeitpunkt dann die Figur auch über das Feld zu bewegen. Nach jedem eigenen Spielzug darf man sich um genau ein Feld vorwärts bewegen, allerdings auch nur, wenn man sich auf ein grünes, nicht aber auf eines mit der grauen Rückseite als Oberfläche bewegt. Ziel ist es nämlich nicht bloß, die Märchenblätter einzusammeln, sondern das daraufhin zusammengeschnürte Märchenbuch durch den Ausgang aus dem Schlossgarten heraus zu manövrieren. Allerdings zieht auch der König seine Runde um den Schlossgarten, sobald die erste komplette Seite entdeckt wurde, so dass fortan Eile geboten ist, will man den großen Märchenschatz tatsächlich retten. Hat der König seinen Spaziergang nämlich auf dem letzten Feld beendet, bevor man das Buch zusammengeschnürt hat, haben alle Spieler verloren.
Reihum versuchen nun alle möglichst schnell, die verlorenen Buchseiten aufzustöbern und einzusammeln und sich währenddessen Schritt für Schritt zum Ausgang zu bewegen. Im Wettstreit mit dem König beginnt ein eiliges Rennen, das man immer dann verliert, wenn der König zuerst das Ziel erreicht. Prophylaktisch sollte man allerdings auch rechtzeitig Vernunft annehmen und den Garten vorzeitig verlassen. Denn sobald der König gewinnt, ist der gesamte Märchenschatz für immer verloren. Sollte man ihm jedoch zuvorkommen, ohne die Buchseiten gänzlich aufgedeckt zu haben, kann wenigstens noch ein Teil der literarischen Sammlung geschützt werden.
_Spielende_
„Rettet den Märchenschatz“ kann auf unterschiedliche Art und Weise enden. Die schlechteste Variante ist natürlich die vorzeitige Ankunft des Königs; in diesem Fall haben alle Spieler verloren. Wenn die Jäger des Märchenschatzes indes die verheerende Ankunft des Throninhabers nicht abwarten wollen und sich entschließen, noch vor dem Ende ihrer eigentlichen Mission zu flüchten, kommt es zumindest zu einem Patt. Der Idealfall ist jedoch der vollständige Transfer des Märchenschatzes. Sobald dies eintritt, werden die Buchseiten mit der Kordel zusammengebunden. Jetzt darf der Spieler mit den meisten gesammelten Buchseiten sich eine der Geschichten des Schatzes aussuchen. Anschließend wird dieses Märchen vorgelesen.
_Persönlicher Eindruck_
„Rettet den Märchenschatz“ – ein Titel, der eigentlich auch sinnbildlich für den schludrigen Umgang mit den traditionellen Fabeln steht. Die alten Erzählungen werden heuer nur noch höchst selten von Generation zu Generation weitergegeben, geschweige denn ihrem Status entsprechend gewürdigt. Dieser Entwicklung legt Kai Haferkamp nun jedoch einige Steine in den Weg. Mittels Elementen von Spielen wie „Das verrückte Labyrinth“ sowie dem klassischen Memory-Spiel tastet er sich spielerisch an den enormen Fundus alter deutscher Märchen heran und schafft es über diesen Umweg mit einer unverhofften Leichtigkeit, diesen großartigen Schatz seinem jungen Publikum nahezubringen.
Zuvor gilt es jedoch erst einmal, besagten Märchenschatz aufzustöbern, was grundsätzlich keine schwierige Aufgabe ist. Allerdings ist die Erkundungsreise im Märchenwald ein eiliges Unterfangen, denn schon bei der ersten Spur des Erfolges kämpft man gegen den König und damit auch gegen die Zeit. Nun sollte es erwachsenen Spielern sicherlich nicht schwerfallen, innerhalb dieses festgesetzten Zeitrahmens alle zwölf Kartenpärchen zu finden, jedoch darf man selbst dann die Brisanz des eilenden Königs nicht unterschätzen. Ein paar Leichtigkeitsfehler, und schon droht die unheilvolle Niederlage. Aber Haferkamp hat diese frustrierenden Elements aufs Wesentliche beschränkt und gibt allen Spielern eine sehr, sehr faire Chance, rechtzeitig wieder den Garten zu verlassen und unbeschadet davonzukommen.
In diesem Sinne ist „Rettet den Märchenschatz“ wohl auch nur für die zunächst angesprochene Zielgruppe (ab vier Jahren) langfristig interessant, zumal die Knobeleien bei besagten Memory-Spielchen nun wirklich sehr stark vereinfacht sind und der König trotz der oben angeführten Brisanz genügend Felder als Puffer hat, bis er dann doch einmal im Schlossgarten auftaucht. Aber mehr Anspruch und Herausforderung sollte es für dieses Publikum auch nicht sein, unter anderem auch, weil man immer gleich mehrere divergierende Spielzüge ausführen muss, für die eine gewisse Auffassungsgabe eben zwingend erforderlich ist. Der Lohn der Mühen, die Darbietung einer Fabel, ist schließlich der Höhepunkt des gesamten Spiels. Das Vorlesen der Märchengeschichte rundet das kommunikative, interaktive Vergnügen ab, wenngleich diesbezüglich zu bemängeln ist, dass nicht zumindest eine kurze Fassung der beinhalteten Märchen im Begleitheft eingetragen ist. Aber andererseits hat Haferkamp hier einige deutliche Inspirationen zur Anschaffung eines neuen Märchen-Schinkens hinterlassen, anhand dessen hier Abhilfe geschaffen werden könnte.
In jedem Fall hat der Autor ein richtig tolles Konzept erarbeitet, in dem sich Strategie, Glück, Kommunikation und die stimmige Spielatmosphäre gleichberechtigt und auf qualitativ sehr hochwertigem Niveau die Hand reichen können. „Rettet den Märchenschatz“ ist ein wahnsinnig tolles Kinderspiel: Didaktisch, unterhaltsam und bezogen auf die grundsätzliche Idee einfach stark! Wenn letztendlich auch noch ein Bewusstsein über den tatsächlichen Wert des betitelten Schatzes geschaffen werden kann, hat Haferkamp mehr erreicht, als er sich erhoffen konnte. Zu gönnen wäre es dem ambitionierten Spieleschöpfer allemal!