Hamilton, Laurell K. – Zirkus der Verdammten (Anita Blake 3)

Den Namen Anita Blake sollte man sich unbedingt merken. Die Heldin von Laurell K. Hamiltons Romanserie ist zwar jung und zart gebaut, passt aber ansonsten in kein gängiges Heldenschema. Ihrer Tätigkeit als Animator und Vampirjägerin geht sie nicht in kurzen Röcken und perfekten Frisuren nacht (wie wir das von einer ihrer Kolleginnen kennen, die hier unerwähnt bleiben soll), sondern kleidet sich am liebsten in Hosen und weite T-Shirts – weil man Waffen dort am besten verstecken kann. Anita arbeitet bei der Firma Animators Inc. und erweckt dort Tote wieder zum Leben, denn durch ihre besonderen Fähigkeiten als Totenbeschwörer hat sie Kontrolle über die kürzlich Verstorbenen.

Nebenbei fungiert sie beim Spukkommando – einer Polizeieinheit, die sich mit übernatürlichen Vorfällen befasst – als Beraterin. Bei seltsamen Morden wird sie hinzugezogen, um die verdächtigen Monster einzugrenzen. In „Zirkus der Verdammten“ hat es das Spukkommando mit einem Pack Vampire zu tun, das scheinbar im Rudel Menschen tötet. Nun sind Vampire zwar per Gesetz ganz normale Bürger der USA, doch töten dürfen sie natürlich trotzdem nicht.

Bald stellt sich heraus, dass die Vampirattacken als Affront gegen den Meister der Stadt, den mächtigsten Vampir in St. Louis, zu werten sind. Einige ältere Vampire halten ihn scheinbar für zu jung und nicht stark genug, um die Stadt zu halten, und planen ihn herauszufordern. Doch um ihn vernichten zu können, müssen die Rebellen erst seinen Schlafplatz aufspüren. Genau dadurch gerät Anita wieder mitten zwischen die Fronten. Da Jean-Claude, der Meister, sie als seine menschliche Dienerin markiert hat, glauben die verschiedenen rivalisierenden Gruppen, sie wüsste, wo Jean-Claude sich tagsüber aufhält.

Anita befindet sich in einer Zwickmühle. Zwar will sie Jean-Claude eigentlich buchstäblich vom Halse haben, fühlt sich ihm jedoch auch auf seltsame Art und Weise verpflichtet. Klar, sie findet ihn attraktiv. Aber eine Beziehung mit einem egoistischen, untoten Bastard – nein, Danke! Schließlich gibt sie also Jean-Claudes Schlafstätte an die anderen Vampire weiter und stellt zu spät fest, dass sie in eine Falle getappt ist. Zwar kann sie Jean-Claude noch informieren, doch ist ein offener Kampf nicht mehr zu vermeiden.

„Zirkus der Verdammten“ ist bereits der dritte Band aus Laurell K. Hamiltons Reihe um die Vampirjägerin Anita Blake. Und zum ersten Mal dreht sich auch die gesamte Haupthandlung um Vampire. Blutrünstige Zombies oder alte faltige Voodoo-Priesterinnen kommen hier nicht mehr vor. Stattdessen lebt der Roman von der Gegensätzlichkeit der beiden Protagonisten: Anita, die pragmatische Vampirjägerin, die alle Untoten für Monster hält und sich trotzdem von der Unterwelt nicht fernhalten kann. Und Jean-Claude, der magisch-schöne Meister der Stadt, der nichts anderes in seiner Garderobe zu haben scheint als gut gebügelte Seidenhemden, die seinen blassen Körper umspielen … Man sieht, es geht um sexuelle Anziehung, um Machtkämpfe und um erotisches Knistern. Jean-Claude versucht immer wieder, Anita für sich zu gewinnen, beißt (!) bei ihr allerdings ununterbrochen auf Granit. Zu allem Überfluss lernt Anita auch noch den Grundschullehrer Richard kennen – natürlich ebenfalls gut gebaut und schön –, der so normal zu sein scheint. Doch niemand ist in der Welt von Anita Blake einfach nur normal.

Die blutigen und übermäßig gewalttätigen Szenen sind in Band drei gegenüber dem Vorgänger etwas zurückgeschraubt worden. Dennoch wird der Horrorfan wieder reichlich bedient. Das Blut fließt in Strömen und auch Anita steht mehrmals kurz davor, endgültig ins Gras zu beißen. Wie immer steht sie jede Sekunde unter Druck, immer wird sie verfolgt, bedroht oder erpresst. Sobald sie ihre Wohnung aufschließt, kann man davon ausgehen, dass im Inneren schon jemand mit einer geladenen Waffe auf sie wartet. Durch dieses rasante Vorantreiben der Handlung gelingt es Laurell K. Hamilton wie immer brillant, die Leser zu fesseln. „Zirkus der Verdammten“ aus der Hand zu legen, ist geradezu unmöglich. Jedes Kapitel ist spannender als das vorangegangene, auf jeder Seite warten neue Abenteuer auf die Protagonistin.

Und endlich hat auch Jean-Claude einen größeren Part im Romangeschehen. Doch wer jetzt glaubt, wir würden uns à la Anne Rice auf einen Geschichtstrip begeben, der wird enttäuscht werden. Auch in Band drei erfährt der Leser so gut wie nichts über Jean-Claudes Vergangenheit. Jean-Claude ist ein Vampir, der im Hier und Jetzt lebt. Er verfolgt einige blühende Geschäfte, ist erfolgreich und eben zufällig auch der mächtigste Vampir in St. Louis. Ein Mann mit Ambitionen also.

„Zirkus der Verdammten“ ist der bisher beste Roman der Reihe und gerade Vampirfans sollten voll auf ihre Kosten kommen, da all die anderen Monster, die Hamiltons Welt bevölkern, diesmal nur eine Nebenrolle spielen. Doch damit es nicht zu Mißverständnissen kommt: Es handelt sich um Unterhaltung der allerreinsten Sorte. An Spannung und Schnelligkeit kann es Anita mit jedem beliebigen Action-Film aufnehmen. Die Gewaltdarstellungen schrammen nur knapp an einer offenen Gewaltverherrlichung vorbei – aber so ist das im Action-Genre nunmal. Probleme werden entweder mit Waffen gelöst oder gar nicht. In dieser Hinsicht sollten weder das Personal des Romans noch der Leser zimperlich sein.

Die deutsche Übersetzung von Angela Koonen gibt sich Mühe, Anita so tough und frotzelig klingen zu lassen wie im amerikanischen Original. Das gelingt in den meisten Fällen, doch man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Anita im Deutschen etwas braver daherkommt. Trotzdem bleibt der Roman ein Paradies für Freunde von Flüchen und Schimpfwörtern aller Art. Anita ist definitiv kein wohlerzogenes Püppchen – schon gar nicht, was ihre Sprache angeht!

Abschließend kann ich nur jedem, der Vampire, Action und starke Frauen mag, „Zirkus der Verdammten“ ans (hoffentlich noch schlagende) Herz legen. In einem Rutsch gelesen, macht der Roman wohl am meisten Spaß und sofortige Abhängigkeit ist garantiert!

|Laurell K. Hamilton bei Buchwurm.info|
[„Bittersüße Tode“ 1009
[„Blutroter Mond“ 1027

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