Harrison, Kim – Blutlied

2352 Seiten voller Abenteuer hat Kim Harrison mit ihrer beliebten Heldin, der Hexe Rachel Morgan, bereits geschrieben – in vier Bänden. Nummer fünf, „Blutlied“, fügt diesem beachtlichen Werk weitere 734 hinzu, und ein Ende der Reihe ist nicht in Sicht. Doch schafft man es nach so vielen Seiten wirklich noch, die Leser mitzureißen?

_In Anknüpfung_ an „Blutpakt“ steht Rachel Morgan, die chaotische, freche Hexe, vor dem Problem, dass sie den Fokus in ihrem Besitz hat und ihn gut verstecken sollte. Dieses Artefakt ermöglicht den Werwölfen, Nachkommen zu schaffen, was den Vampiren in Cincinnati natürlich missfällt. Glücklicherweise sind beide Lager davon überzeugt, dass der Fokus zusammen mit Rachels Exfreund verschwunden ist.

Eines Tages wird die Hexe jedoch vom FIB, einer dem FBI ähnlichen Organisation, zu Rate gezogen, um diesem bei der Aufklärung mehrerer Morde an Werwölfen zu helfen. Schnell findet sie heraus, dass es zwei verschiedene Arten von Opfern gibt: neue Werwölfe, die sich aus Verzweiflung und Schmerz während der ersten Verwandlung selbst umgebracht haben; und zwei, deren Selbstmord nur fingiert wurde. Bei diesen zweien handelt es sich ausgerechnet um die Handlanger der beiden größten Werwolfrudel in der Stadt. Rachel wird klar, dass die beiden sich wegen des Fokus‘ bekriegen. Außerdem findet sie heraus, dass die Opfer allesamt mit ihrem Werwolffreund David befreundet waren, der momentan den Fokus für sie hütet. Ob es da einen Zusammenhang gibt?

Zu allem Überfluss macht der Dämon Al ihr immer noch das Leben schwer. Er hat Besitz von einem jungen Asiaten ergriffen und belästigt Rachel, wo er nur kann. Als sie ein verlockendes Arbeitsangebot von ihm ausschlägt, verwüstet er das Nachtleben in der Stadt, um ihr zu drohen. Weil sich die Behörden nicht anders zu helfen wissen, entlassen sie Piscary, den größten Vampir der Stadt, aus der Haft, damit er Al banne. Rachel ist davon alles andere als begeistert. Immerhin hat sie Piscary hinter Gittern gebracht, und dieser erhebt Anspruch auf ihre Mitbewohnerin Ivy. Und dann ist da auch noch Rachels vampirischer Freund Kisten, dem Piscary nicht mehr besonders wohlgesonnen ist …

_Ein Buch aus_ der Rachel-Morgan-Serie zu lesen, ist wie nach Hause zu kommen. Bereits die ersten Sätze ziehen den Fan direkt in das magische Cincinnati und lassen ihn erst wieder los, wenn er das Buch schon längst geschlossen hat. Die Welt, die Harrison erschaffen hat und in jedem Band weiter ausbaut, ist schier überwältigend. Das beginnt bei den unterschiedlichen Institutionen, Regeln und Traditionen, die das Zusammenleben von Menschen und Inderländern regeln, und findet seinen Höhepunkt in der Masse von fantastischen Wesen, die die Autorin in ihrer Geschichte ver- und ausarbeitet. Exemplarisch sei an dieser Stelle Jenks, der Pixie und Mitarbeiter von Ivys und Rachels Kopfgeldjägeragentur genannt, der mit seiner Familie in einem Garten hinter der Kirche der Hauptfiguren lebt. Harrison beschreibt ihn, sein Familienleben und seinen Charakter so anschaulich, interessant und humorvoll, dass man das Gefühl hat, ihn persönlich zu kennen – obwohl es ihn selbstverständlich nicht gibt.

Neben Pixies kommen in der Geschichte auch Elfen, Fairys, Tiermenschen, Hexen, Hexer, Vampire, Werwölfe und andere vor. Dass die Autorin bei diesem Gewusel nicht nur selbst den Überblick behält, sondern das Ganze auch für den Leser nicht verwirrend werden lässt, ist ihr hoch anzurechnen. Sie ist überaus geschickt darin, einzelne Fäden und Elemente in ihrem Buch zu harmonisieren, denn ansonsten würde der Leser bei einer umfassenden Handlung, wie man sie in all ihren Bücher findet, schnell den Überblick verlieren. Neben der eigentlich Kernhandlung im Buch – den Werwolfmorden – spielen nämlich auch die Handlungsstränge, die in den vorherigen Bänden entwickelt worden sind, eine große Rolle. Es empfiehlt sich deshalb dringend, bei Neueinstieg mit dem ersten Band anzufangen. Da Harrison darauf verzichtet, Vergangenes noch mal breit auszuwalzen (was bei dem Umfang ihrer Geschichten auch wirklich zu weit führen würde), ist ein gewisses Vorwissen notwendig, um die verschiedenen Beziehungen zwischen den Charakteren, ihre Feind- und Liebschaften zu durchblicken. Diese spielen nämlich ebenfalls eine gewichtige Rolle in dem Roman und sorgen für einigen Zündstoff.

_Die Charaktere_ haben stark im ersten Band begonnen und sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Auf einem dementsprechend hohen Level befinden sie sich in Band fünf. Manchmal hat man wirklich das Gefühl, Ivy, Rachel und Co. persönlich zu kennen. Dank ihrer Macken, Probleme und Charakterzüge wirken sie lebendig, auch wenn Kim Harrison es ab und an etwas übertreibt, um für Unterhaltung zu sorgen. Wirbelwind Rachel beispielsweise stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste, was vielleicht nicht unbedingt authentisch, aber unglaublich unterhaltsam ist.

Garniert wird das Ganze durch Harrisons frischen, frechen Schreibstil. Sie erzählt aus Rachels Perspektive, deren impulsive, leidenschaftliche Persönlichkeit dadurch fantastisch zum Tragen kommt. Ihr böser Humor und ihr leicht dreckiges Mundwerk sorgen dafür, dass es nie langweilig wird, selbst wenn die Autorin einmal wieder ein bestimmtes Ereignis seitenlang beschreiben muss. Das passiert nämlich häufiger und ist das einzige Manko des Buches: Harrisons sprachliche Langatmigkeit. Allerdings bügelt sie dies mit Sarkasmus und Witz wieder aus, so dass es in der Summe kaum auswirkt.

_Alles in allem_ ist „Blutlied“ eine tolle Fortsetzung der Rachel-Morgan-Reihe mit einer actionreichen Handlung, großem Gefühlschaos, Unmengen von Fantasie und einer wunderbar humorvollen Hexe als Hauptfigur.

|734 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-52472-9|
http://www.kimharrison.net
http://www.heyne.de

_Kim Harrison bei |Buchwurm.info|:_

[„Blutspur“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3253
[„Blutspiel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4512
[„Blutjagd“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5252

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