Harrison, Kim – Blutnacht

„Blutnacht“ ist der mittlerweile sechste Band von Kim Harrisons Reihe um die chaotische Hexe Rachel Morgan und es ist kein Ende in Sicht. Am Ende der Geschichte wirbt Heyne bereits für den siebten Band mit Titel „Blutkind“ – zum Glück! Was würde der Fan sonst ohne die wohl amüsanteste Hauptfigur des Dark Fantasy-Genres machen?

_Rachel steht vor_ den Trümmern ihres Lebens: Ihr Freund, der Vampir Kisten, ist tot; mit ihrer Mitbewohnerin Ivy, einer untoten Vampirin mit Blutdurst, läuft es im Moment auch nicht besonders gut, und sie hat in Cincinatti den Ruf weg, eine Dämonenbeschwörerin zu sein. Dabei scheint sie wenigstens an diesem Punkt Glück gehabt zu haben: Al, der Dämon, der sie seit fast einem Jahr verfolgt, wurde im Jenseits hinter Gitter gebracht.

Dummerweise ist der Dämon jedoch sehr hartnäckig. Irgendjemand schafft es, ihn nach Sonnenuntergang aus dem Gefängnis ins Diesseits zu beschwören und dort hat er natürlich nichts Besseres zu tun, als Rachel zu suchen, um sie aus dem Weg zu räumen. Immerhin pfuscht sie ihm immer wieder ins Handwerk und selbstverständlich lässt die sture Rachel seine Drohung nicht auf sich beruhen. Sie zieht los, um den Menschen ausfindig zu machen, der Al beschwört, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, den Dämonen aus dem Jenseits zu rufen.

Kim Harrison wäre nicht Kim Harrison wenn das die einzigen Ereignisse in der Geschichte wären. In der Kirche, die Rachel und Ivy ihr Eigen nennen, geht es wie gewohnt drunter und drüber. Jenks und seine fünfzigköpfige Pixiefamilie bereitet sich für die Überwinterung in Rachels Schreibtisch vor, die Elfe Ceri von nebenan ist schwanger – und dann auch noch von Quen, dem Leibwächter von Rachels Erzfeind Trent. Tatsächlich laufen sich auch diese zwei wieder über den Weg – und dabei kommen sie weiteren Geheimnissen um Rachels Herkunft und das Ableben ihres Vaters auf die Spur …

_Dieses Buch zeichnet_ sich vor allem dadurch aus, dass Rachel ungeahnt ernste Zwischentöne anschlägt. Der Tod ihres Freundes Kisten nimmt sie immer noch mit und sie beginnt sich existenzielle Fragen zu stellen. Hinzu kommt das Problem ihrer Herkunft. Da Trents Vater Genexperimente mit ihr durchgeführt hat, ist sie sich bis heute nicht sicher, was sie eigentlich genau ist. Eine einfache Hexe ist sie nicht, denn dafür ist sie zu mächtig, doch was dann? Vielleicht schon eine Dämonin, nachdem sie durch ihren stetigen Kontakt mit diesen Wesen eine kontaminierte Aura und mehrere Dämonenmale hat? Kim Harrison stellt den inneren Zwiespalt, in dem sich ihre Hauptfigur befindet, sehr anschaulich dar, ohne dabei aber zu vernachlässigen, dass diese ein unglaubliches freches Mundwerk hat und Katastrophen magisch anzieht. Nach sechs Bänden hat Harrison mit ihrer Protagonistin mittlerweile eine Tiefe und Intensität erreicht, die andere Autoren in ihrer ganzen Karriere nicht erreichen.

Leider kommen bei dieser starken Konzentration auf die Hauptfigur Andere dieses Mal etwas zu kurz. Gerade Jenks und seine Familie, die den Leser sonst häufig erheitert haben, treten weniger auf. Dafür werden andere Figuren umso öfter eingesetzt, Rachels Mutter beispielsweise. Sie kam vorher eher selten vor, wird in „Blutnacht“ aber endlich ausführlich vorgestellt. Genau wie ihre Tochter – und alle andere Figuren im Buch – ist sie sehr sauber ausgearbeitet und sprüht nur so vor Originalität – und Geheimnissen. Es ist wirklich bewundernswert, wie die Autorin es auch nach so vielen Seiten schafft, noch Spannendes aus Rachels Vergangenheit aufzudecken.

Diese Geheimnisse bringen Schwung in die Handlung, die dieses Mal zwar nicht die üblichen Längen hat, aber trotzdem nicht wirklich zünden möchte. Ihr Kern – die Auseinandersetzung mit Al – ist ziemlich lasch und die Kämpfe zwischen den beiden werden allmählich langweilig. Immerhin werden die einzelnen Nebenhandlungen sorgfältig und trotz ihrer beträchtlichen Anzahl geordnet weiter erzählt. Sie bieten noch genug Stoff für viele weitere Bücher und es bleibt zu hoffen, dass diese dann spannender sind als „Blutnacht“.

Wobei es vermessen wäre, zu behaupten, dass Harrisons sechster Rachel-Morgan-Band wirklich schlecht ist. Die kleine Handlungspanne ist das einzige, was stört. Der Schreibstil hingegen ist das gewohnte Feuerwerk aus Schimpfwörtern, einer temperamentvollen Ich-Erzählerin, viel Fantasie und wunderbaren, umfangreichen Beschreibungen. Harrison ist sogar noch stärker als zuvor, da Rachels tiefsinnige Gedanken Platz für Metaphern und völlig neue, sanftere Töne machen.

_“Blutnacht“_ ist vielleicht nicht so gut wie einige seiner Vorgänger, vereint aber alle Vorzüge von Kim Harrison zwischen zwei Buchdeckeln: Witz, Temperament und viel Fantasie.

|Originaltitel: |The Outlaw Demain Wails|
Aus dem Englischen von Vanessa Lamatsch
702 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3453526167|

http://www.heyne.de
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_Kim Harrison bei |Buchwurm.info|:_

[„Blutspur“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3253
[„Blutspiel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4512
[„Blutjagd“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5252
[„Blutlied“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5897

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