Harrison, Kim – Blutspur

In den USA ist Kim Harrison mit ihrer Protagonistin Rachel Morgan längst Kult, in Deutschland ist man erst jetzt, knapp drei Jahre später, auf den Geschmack gekommen – auf den Geschmack von mysteriösen Kräutern und Blut!

Denn Rachel Morgan ist eine Hexe. Sie lebt in Cincinnati, das jedoch mit dem „realen“ Cincinnati nicht wirklich vergleichbar ist. Es gibt dort nämlich nicht nur Menschen, sondern auch so genannte Inderländer, Wesen wie Rachel, also Hexen, Vampire, Tiermenschen, Pixies, Faeries und Dämonen. Diese Wesen haben schon immer auf der Welt gelebt, aber erst eine weltumspannende Seuche, übertragen von genmanipulierten Tomaten, führte dazu, dass die Inderländer sich ins öffentliche Leben trauten, nachdem die Bevölkerung dezimiert wurde. Nun lebt man in mehr oder weniger friedlicher Eintracht, auch wenn sich natürlich Viertel wie die Hollows gebildet haben, wo nur Inderländer leben und sich die Menschen nicht hintrauen.

Rachel arbeitet als Runner für die I. S., die Inland Security, doch sie hat die Schnauze voll von ihrem mickrigen Job und der Art ihres blasierten Chefs Denon. Also kündigt sie ihren lebenslangen Vertrag, denn sie weiß, dass Denon sie gerne los wäre. Dass sie seine beste Runnerin, den lebenden Vampir Yvy (lebend bedeutet, dass sie zwar ein Vampir ist, aber noch kein richtiger. Das geschieht erst, wenn sie stirbt und eine Untote wird), mitnimmt und diese schließlich Agenturpartner werden, war nicht vorgesehen. Deshalb hat Rachel plötzlich ein Problem, denn Denon hat alles darangesetzt, um sie umzubringen. Sie sieht nur eine Möglichkeit, um ihr Leben zu retten: Sie muss Trent Kalamack, ein hohes Tier in der Politik, des Schmuggels mit der Droge Brimstone überführen. Er ist der I. S. schon lange ein Dorn im Auge, doch bis jetzt konnte man ihm nie etwas anhängen …

Liest man ein paar Seiten von „Blutspur“, steigen unweigerlich ein paar Assoziationen auf. Die Art der Protagonistin Rachel Morgan und der Schreibstil sowie das ganze Ambiente erinnern stark an die Sorte amerikanischer Romane, in deren Mittelpunkt eine junge, toughe, gut aussehende Frau in einem Männerberuf steht, die sich als Ermittlerin oder Ähnliches gegen die Schmähungen der Kollegen, ihre Vergangenheit, ihre Gefühle und fiese Verbrecher durchsetzen muss.

Ein solcher erster Eindruck ist natürlich nicht unbedingt der beste. Schließlich möchten wir keinen neunhundertsten Aufguss dieser Thriller lesen, sondern etwas Frisches. Leider hört Harrison nicht auf unsere Bitte. Auf weiten Strecken erinnert „Blutspur“ deshalb an die einschlägige Literatur und schwächelt gerade im Spannungsaufbau ein wenig. Zu vorhersehbar und zu gewöhnlich, möchte man sagen, wenn da nicht noch dieser kleine Touch Magie und Untote wäre.

Die Welt, welche die amerikanische Autorin entwirft, ist wunderbar komplex gestaltet und die mystischen Elemente von den Vampiren bis zur Hexenkunst sind gut an unsere Zeit angepasst. Magie kann man mittlerweile studieren und es gibt Leute, die sich bereitwillig von Vampiren aussaugen lassen, im Sinne von grenzwertigen Sexualpraktiken. Rachel verhext Menschen und sich selbst hauptsächlich, indem sie Amulette benutzt, und der kleine Pixie Jenks, ihr Partner mit der großen Familie, treibt entweder seine kleinen Späßchen mit ihr, wenn er nicht gerade in eine Clanfehde mit anderen Pixies oder Faeries verwickelt ist.

Wie man sieht, vermischt Kim Harrison viele verschiedene Elemente der Mystery sehr geschickt und lässt all diese unterschiedlichen Wesen wie Elfen, Hexen und Vampire nebeneinander existieren, ohne dass das Buch zu überfüllt wirkt. Im Gegenteil macht diese Masse einen gewissen Reiz aus, weil man beständig von Neuem überrascht wird.

Was ebenfalls für den Roman spricht, ist die sympathische Protagonistin, die aus der Ich-Perspektive schreibt. Auch wenn ihre mutige, aber ab und an selbstmörderische, freche Art leicht nach dem Thrillerfrauenprototyp schmeckt, können ihre Bodenständigkeit und ihr Humor sie davor retten, zu banal zu wirken.

Die anderen Personen in dem Buch sind ebenfalls sehr gut ausgearbeitet, wobei der Pixie Jenks und seine große Familie immer wieder für ein Grinsen sorgen. Besonders Jenks resolute Frau, unter deren Pantoffel er steht, bereitet Freude, genau wie ein ehemaliger Kollege von Rachel, der aber stellenweise vielleicht ein wenig zu sehr dem Klischee des speichelleckenden Arschlochs entspricht.

Der Schreibstil passt wunderbar zu den übrigen Bestandteilen des Buches – nur leider klingt er wirklich sehr „amerikanisch“. Frech und frisch, mit ein wenig Humor versetzt und immer für eine intensive Beschreibung der Actionszenen gut. Harrison unterscheidet sich dabei nicht wirklich von anderen Autoren, was schade ist. Sie setzt kaum Akzente durch eigentümliche Formulierungen oder die Wiederholung bestimmter rhetorischer Mittel mit Wiedererkennungswert.

Deshalb bleibt „Blutspur“ letztlich doch nur „ein weiteres“ Buch. Auf dem Buchrücken wird der Roman als „Kult-Bestseller“ betitelt und die richtigen Zutaten für einen Mainstreamkult weist er definitiv auf. Eine sympathische Protagonistin (weiblich, jung, ständig in Schwierigkeiten), eine Handlung, die mit einem Hauch Sex und recht viel Crime angereichert ist, und ein verständlicher, frecher Schreibstil. Kim Harrisons Debüt ist nichts für den großen Literaturliebhaber, aber doch ein gutes Exemplar für einen unterhaltsamen Nachmittag auf dem Sofa.

|Paperback, 576 Seiten, 13,5 x 20,6 cm|
http://www.heyne.de

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