Hasegawa, Goro – Othello

_Ein unterbewerteter Klassiker_

„Othello“ gehört zu den ältesten und bekanntesten Strategiespielen unserer Zeit und erfreut sich weltweit seit jeher größter Beliebtheit. Hierzulande hat sich das Spiel allerdings nie so richtig durchsetzen können. Zwar ist den meisten Taktikfreunden das Spielprinzip bekannt, doch über Insiderkreise hinaus ist „Othello“ nur selten gefragt. Dennoch: Es gibt kaum ein Spiel wie dieses, das man in einer Minute erlernen kann, aber dennoch nie komplett durchschauen wird. „Othello“ hat es in sich, vor allem, weil man bis zum letzten Spielzug nie sagen kann, wer das Spiel gewinnen wird, ganz besonders, weil es dem Erfinder gelungen ist, mit simpelsten Mitteln ein Spiel mit ungeheurer Tiefe zu entwickeln.

In Deutschland ist „Othello“ derzeit über den Aachener Vertrieb |Universal Cards| erhältlich; dort feierte es im Jahre 1999 sein 25-jähriges Jubiläum, zu dem die hier vorliegende Ausgabe erschien.

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett
• 1 Spielbuch
• 64 Spielsteine

„Othello“ ist, wie oben bereits erwähnt, recht schlicht aufgebaut. Das Material ist dementsprechend unspektakulär und eher zweckdienlich, wobei das Ganze recht edel ausschaut. Das Spielfeld ist mit Filz ausgelegt, die Plastikspielsteine sind stabil. Allerdings ist die Umrandung der Spielfläche aus leicht zu beschädigendem Kunststoff zusammengesetzt und durchkreuzt damit das Erscheinungsbild.

_Spielregel_

„Othello“ ist wirklich superleicht zu erlernen. Es geht nämlich lediglich darum, die Steine seines Kontrahenten – man spielt das Ganze übrigens zu zweit – mit den eigenen Steinen einzufangen und sich so ihrer zu bemächtigen. Sobald die Spielsteine des Gegners von den eigenen umrandet sind, darf man die generischen Plättchen umdrehen, denn auf der Rückseite zeigen die Spielsteine die eigene Farbe an und somit auch, dass die entsprechenden Spielfelder nun einem selbst gehören. So viel zum grundlegenden Prinzip.

Zu Spielbeginn legt man in die mittleren vier Felder des 8 x 8 Flächen großen Spielfelds vier Steine mit jeweils zwei Oberflächen einer jeden Farbe. Der Spieler, der sich für Schwarz entschieden hat, beginnt nun und muss mit einem neuen Spielstein aus der Reserve einen Stein des Kontrahenten ‚gefangen nehmen‘. Um dies zu erreichen, kesselt er einen gegnerischen Spielstein, der an einen eigenen angrenzt, ein, und dies entweder horizontal, vertikal oder diagonal. Alle Steine, die sich nun zwischen den eigenen befinden, darf man umdrehen und ab jetzt für sich beanspruchen. Anschließend ist der Gegner am Zug und verfährt gleichsam bei seiner Aktion. Dies geschieht nun so lange, bis beide Spieler keine Möglichkeit mehr haben, einen Stein anzulegen – es ist nämlich Pflicht, bei jedem Zug mindestens einen Stein der anderen Farbe umzudrehen. Sollte hingegen nur ein Spieler keine Zugmöglichkeiten mehr haben, muss er entweder warten, bis sich wieder eine Gelegenheit ergibt, oder aber zuschauen, wie der Gegner langsam aber sicher das ganze Spielfeld einnimmt und das Spiel für sich entscheidet. Gewonnen hat am Ende derjenige, der die meisten Felder mit Steinen seiner Farbe besetzt hat.

_Taktische Feinheiten_

„Othello“ wirkt in der ersten Partie noch richtig einfach. Zug für Zug verändern sich die Fronten und auch das gesamte Spielfeld, und es scheint so, als könnte man den Gegner mit einigen wenigen, raffinierten Zügen direkt in die Enge drängen. Doch ausgerechnet von dort aus ergeben sich in diesem tollen Legespiel die besten Kontermöglichkeiten. Sobald man nämlich Positionen am Rand oder in den Ecken eingenommen hat, ist man von dort nur noch schwer zu verdrängen. Besonders die vier Eckpunkte des Spielfelds sind heiß begehrt, weil dies die einzigen Felder sind, die man zum Ende auf jeden Fall sicher hat. Außerdem kann man sich von hier aus gezielt ausbreiten und einen regelrechten Wall aufbauen, der schließlich nur noch von einer Seite angegriffen und in dieser Partie nicht mehr eingekesselt werden kann.

Wichtig ist also, möglichst zügig eines dieser Eckfelder in seinen Besitz zu bringen, gleichzeitig aber auch zu vermeiden, dass es vom Gegner eingenommen wird. Da man aber immer an bereits ausliegende Steine anlegen muss, kann man nicht einfach so in eine günstige Ausgangsposition für diesen Schritt gelangen, weil der Gegner stets irgendwo in der Nähe lauert, um aus dem Hinterhalt zuzuschlagen.

Weiterhin ist eine anfängliche Hauruck-Taktik alles andere als förderlich. Es ist gar nicht mal so schwer, über wenige Runden einen scheinbaren Vorteil zu erspielen, doch je größer die eigenen Reihen, desto größer sind auch die Möglichkeiten des Gegenspielers, diese mit nur einem Zug umzuwandeln und damit zugleich das Blatt zu wenden. Die Maxime sollte also sein, immer nur kleine Eroberungen durchzuführen und dabei gezielt darauf zu achten, wo man sich bereits sichere Felder oder gar ganze Blöcke erarbeiten kann. Aber auch hier gilt es, langfristig zu planen und dennoch spontan entscheiden zu können, denn das Spielfeld verändert sich tatsächlich mit jedem Spielzug, manchmal (wenn ein Stein zum Beispiel Umwandlungen in mehrere Richtungen bewirkt) sogar recht drastisch, und so kann man in der Tat nie vorhersehen, wie sich die Partie entwickeln wird. Eine optische Überlegenheit ist nämlich zunächst einmal nichts Besonderes.

_Kritik_

Ich bin immer wieder verblüfft, wie man mit derart simplen Mitteln ein solch tiefgreifendes, faszinierendes Spiel gestalten kann, welches zudem auch noch mit einem kaum fassbaren Suchtfaktor versehen ist. Gerade dann, wenn man urplötzlich ins Hintertreffen geraten ist, obwohl man sich gesamte Partie über als der sichere Sieger gefühlt hat, ist es quasi unmöglich, dies einfach hinzunehmen, so dass sich Runde an Runde reiht, und all dies mit dem Hintergrund, das Spiel irgendwie zu durchschauen. Aber dies ist schlichtweg unmöglich, weil man das eigene Vorgehen immer wieder von den Zügen des Gegners abhängig machen muss und nicht nur agieren, sondern auch reagieren muss. Hier werden also beide Aspekte miteinander vereint!

Und diese stete Wandelbarkeit, die Tatsache, dass man die Entwicklung eines Spiels nicht einmal ansatzweise erahnen kann und sich immer noch auf unerwartete Wendungen gefasst machen muss, dies macht dann auch die Faszination aus. Auf der Packung und im Regelheft steht der Grundgedanke dessen besser beschrieben, als ich es je hätte zusammenfassen können: „Das Spiel, das du in einer Minute lernen kannst und das ein ganzes Leben braucht, um es zu meistern“ – vorausgesetzt, man beginnt genau jetzt.

_Fazit_

„Dame“, „Mühle“, „Schach“, „Backgammon“ – es gibt solche Spiele, die wegen ihres schlichten Grundprinzips verzaubern, weil sie einfach jeder begreifen kann, und weil sich in jeder Partie unzählige Varianten eines möglichen Spielverlaufs ergeben. Zu dieser Kategorie gehört auch „Othello“, ein Spiel, dessen Gesicht sich immer wieder verändert, einen aber stets zu begeistern vermag. „Othello“ ist nach wie vor zum Jubiläumspreis günstig zu haben. Nicht zuletzt, weil es zu jedem Anlass gespielt werden kann, ist es absolut empfehlenswert, sich auch ein Exemplar für die eigene Sammlung zu sichern. Vielleicht hat das ja dereinst den Effekt, dass die traditionellen Spielesammlungen irgendwann auch mit diesem Titel und modernen Klassiker ausgestattet werden …

http://www.universal-cards.com

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