Hawking, Lucy & Stephen – geheime Schlüssel zum Universum, Der

Das Weltall, unendliche Weiten – kaum etwas fasziniert so sehr wie der Kosmos, doch kaum etwas ist schwieriger zu begreifen als die Physik, die sich dort abspielt. Im Weltall sind schwarze Löcher verborgen, wir sehen Sterne am Nachthimmel, die bereits lange ihr Leben ausgehaucht haben und doch trotzdem noch für uns leuchten, und wir entdecken immer noch neue Physik. Das Weltall birgt für die Menschen noch so viele Geheimnisse, dass es kaum wundert, dass sich selbst der Nicht-Physiker dafür interessiert, was jenseits unserer Erde zu finden ist und was sich außerhalb unserer Galaxie abspielt. Und auch Kinder fragen schon früh nach den Sternen am Himmel. Dass man ihnen einfache Antworten geben kann, das beweisen Lucy und Stephen Hawking in ihrem neuesten Gemeinschaftswerk.

_Schwein gehabt_

Auf der Suche nach seinem entlaufenen Schwein Freddy krabbelt der kleine George in den nachbarlichen Garten, auch wenn ihm seine Eltern dies strengstens verboten haben. Aber das ist nicht das Einzige, was sie ihm verbieten. George darf keinen Computer besitzen und die Familie kommt auch ohne Fernseher aus, denn all diese technischen Neuerungen sind der Anfang vom Ende unserer Erde – so glauben zumindest Georges Eltern. Dass er deswegen in der Schule gehänselt wird und seine Schulkameraden über die merkwürdigen Pausenbrote lachen, das ahnen Georges Eltern wahrscheinlich nicht. Doch an diesem einen Abend muss er sich ihnen einfach widersetzen, denn Freddy ist sein einziger richtiger Freund, und wenn es in Nachbars Garten nun wirklich gefährlich ist, dann muss er sein geliebtes Schwein eben retten.

Langsam geht er auf das Nachbarhaus zu, dessen Eingangstüre geöffnet steht. George schleicht sich ins fremde Haus und folgt den Spuren seines Schweins, das er in der Küche findet, wo es eine gefährlich aussehende dunkelrote Flüssigkeit trinkt. George glaubt sofort an eine Falle und vermutet Gift in der Schüssel, doch das Mädchen, das neben Freddy steht, lacht ihn nur aus, denn es war lediglich Johannisbeersaft. Das fremde Mädchen, das sich als Annie vorstellt, kommt George etwas komisch vor, doch noch hat er nicht ihren Vater Eric kennengelernt, der Physiker ist und den leistungsstärksten und erstaunlichsten Computer der ganzen Welt besitzt, nämlich Cosmos. Cosmos ist allerdings kein gewöhnlicher Rechner, denn Cosmos eröffnet den Mitgliedern einer geheimen Gemeinschaft die unendlichen Weiten des Weltalls. So lernt George an diesem Abend viel über den Kosmos.

Am nächsten Tag verplappert er sich aus Versehen in der Schule und verrät seinem verhassten Lehrer Dr. Reeper, dass sein Nachbar über einen gar wunderlichen Computer verfügt. Reeper wird gleich auffallend interessiert und führt offensichtlich etwas im Schilde. Noch weiß George allerdings nicht, dass Cosmos nicht nur Filme über das Weltall zeigen kann, sondern er kann seine Nutzer direkt dorthin versetzen. Bei seinem ersten Ausflug zu den fernen Planeten, die er per Komet bereist, merkt George allerdings schnell, dass diese Ausflüge sehr gefährlich sein können. Nur mit Mühe und Not kann er sich mit Annie zusammen wieder in das nachbarliche Wohnzimmer retten. Es gibt allerdings noch viel gefährlichere Abenteuer zu überstehen, bei denen Dr. Reeper seine schmutzigen Finger im Spiel hat …

_Logbuch des Kosmos_

Mit Unterstützung ihres Vaters, des berühmten Kosmologen Stephen Hawking, hat Lucy Hawking ein fantastisches Kinderbuch geschrieben, das, in kindgerechten Worten geschrieben und in eine wunderbare Geschichte verpackt, die Grundlagen der Astrophysik erläutert. Gemeinsam mit George lernt der Leser viel über unser Planetensystem, wir erfahren, welche Planeten zu unserem Sonnensystem gehören, dass Pluto zum Zwergplaneten degradiert wurde, damit aber nicht alleine dasteht, denn zum Sonnensystem zählen noch zwei weitere Zwergplaneten. Wir reisen zusammen mit George und Annie auf einem Kometen zu den beiden Riesenplaneten Jupiter und Saturn und erfahren ganz nebenbei die wichtigsten Informationen über die beiden Planeten und ihre Monde.

Immer wieder sind zwischendurch Infotafeln abgedruckt, welche die physikalischen Hintergründe derjenigen Dinge erklären, die George und Annie gerade erleben. Wenn sie beispielsweise auf einem Kometen an unseren Planeten vorbeirauschen, sind Informationen über die Planeten und das Sonnensystem abgedruckt. Aber auch Grundlagen wie das Licht und seine Geschwindigkeit, das Teilchenmodell, Aufbau der Materie und der Unterschied zwischen Masse und Gewicht werden so einfach und verständlich eingeführt, dass ich mir sicher bin, dass ein Schüler ab etwa 12 Jahren diesen Ausführungen folgen kann. Während das Buch zunächst mit recht einfachen Fakten beginnt, steigert sich das Niveau gen Ende, wenn auch schwarze Löcher, weiße Zwerge, Supernovae oder Neutronensterne thematisiert werden. Selbstverständlich sind viele Dinge vereinfacht dargestellt, aber trotzdem werden dabei keine physikalischen Fakten verdreht.

Ganz nebenbei thematisieren die beiden Hawkings auch die Frage nach Leben jenseits der Erde, sie erzählen von den Exoplaneten und von der Entdeckung von Gliese 581c, der eventuell über Wasser verfügt. Dank Georges umweltbewussten Eltern geht es auch um die Frage, ob man lieber nach einem Exoplaneten suchen soll, der ebenfalls bewohnbar ist, oder ob es nicht sinnvoller ist, die Erde zu schützen und bewohnbar zu halten. Auf diese Frage gibt es zwar keine eindeutige Antwort, aber auch George erfasst schnell, wo der Kern des Problems verborgen liegt.

_Prächtiges Universum_

Optisch ist das Buch ein Hochgenuss. Entfernt man den bunt bedruckten Schutzumschlag, so zeigt sich ein ebenfalls bedruckter Bucheinband, der das gleiche Motiv wie der Umschlag trägt. Die Schrift ist kindgerecht groß und mit angenehmem Zeilenabstand gedruckt. Die Infotafeln, die zwischendurch die wesentliche Physik erläutern, sind zwar in Schwarzweiß gehalten, dennoch sind sie optisch so nett gestaltet, dass der Leser sich sofort neugierig in das Studium der Infotafeln vertieft. Aber was wäre ein Buch über den Kosmos ohne die faszinierenden Bilder, die uns dank Raumsonden oder Teleskopen inzwischen zur Verfügung stehen? So sind auch hier an vier Stellen jeweils vier Blätter Hochglanzpapier eingefügt, die in bestechenden Farben die faszinierendsten Aufnahmen aus dem Weltall zeigen. Wir sehen die Planeten und ihre Monde, das Zentrum der Milchstraße, Kometen oder auch die Andromeda-Galaxie. Jedes Bild ist mit einer informativen Bildlegende versehen, sodass man immer genau weiß, was auf dem Bild zu sehen ist.

Aber nicht nur die Physik und die optische Gestaltung sind überaus gelungen. Die Rahmengeschichte, die Lucy Hawking erzählt, ist nicht minder spannend und ergreifend. Wir lernen den sympathischen George kennen, mit dem wir gleich mitfühlen, wenn er von seinen Mitschülern tyrannisiert wird. Als er dann in die faszinierende Welt seiner Nachbarn eintauchen und seine eigenen Eltern vergessen kann, ist er glücklich und bemerkt zum ersten Mal, dass er frappierende Wissenslücken hat, die ihm vorher nie bewusst gewesen sind. Doch kaum haben Annie und Eric ihn mit den ersten Informationen über das Universum gefüttert, ist Georges Ehrgeiz geweckt; er will mehr darüber wissen und meldet sich später sogar zu einem Wissenschaftswettbewerb an, bei dem er einen Vortrag über das Weltall halten will.

Doch da ist auch noch Dr. Reeper, der dem Leser (und nicht nur ihm) von Anfang an unsympathisch ist. Reeper führt etwas im Schilde, das ist sofort klar, doch welch perfiden Plan er wirklich schmiedet, das wird erst im Laufe der Geschichte deutlich. Dass er es auf Cosmos und Eric abgesehen hat, kann man sich denken, doch reicht es ihm nicht, Cosmos für sich zu gewinnen, nein, er will Eric vernichten und loswerden. Auch George ahnt nicht, welch schreckliche Pläne sein Lehrer hat, doch wenn Reeper Eric immer näher kommt, wittert man sogleich die Gefahr, die zu einem richtig gelungenen Spannungsbogen führt. Obwohl dies ja „nur“ ein Kinder- oder Jugendbuch ist, muss ich doch gestehen, dass die beiden Hawkings mich von der ersten Seite an mitgerissen haben und die Geschichte auch für den erwachsenen Leser so spannend wird, dass man das Buch erst dann aus der Hand legen kann, wenn man sich von George verabschieden muss, weil das Buch zu Ende ist.

_Zwei kleine Weltraumreisende erobern das Universum_

Auch die Figurenzeichnung ist lobend hervorzuheben, denn mit George und Annie präsentieren uns die Hawkings zwei neugierige Kinder, die dem Geheimnis des Universums auf die Spur kommen möchten. George hat alleine schon dank seines niedlichen Schweines Freddy von Anfang an einen Sympathiebonus, aber auch Annie mit ihrer blühenden Fantasie, die erst von sich behauptet, eine Waise zu sein und später dann aber meint, ihre Mutter würde als Tänzerin in Moskau arbeiten (was sie natürlich nicht tut), wächst einem schnell ans Herz. Wie es im Zuge der Emanzipation nicht weiter verwundert, ist hier Annie diejenige, die mehr über Physik weiß als George, dem sein Unwissen aber bald so peinlich wird, dass er alles daransetzt, so schnell und so viel wie möglich dazuzulernen. Beide Protagonisten sind hervorragende Identifikationsfiguren für den jugendlichen Leser, aber auch ich konnte mich wunderbar in die Geschichte hineinversetzen.

Selbst der sensible Supercomputer Cosmos wird einem regelrecht sympathisch, wenn er vor sich hinsingt oder dem ekelhaften Lehrer Reeper nicht verraten will, was denn nun der geheime Schlüssel ins Universum ist. Cosmos erhält so menschliche Züge, dass man am Ende auch um sein Leben fürchtet. Doch auch der Gegenpart ist wunderbar besetzt mit Dr. Reeper, der keinen freundlichen Charakterzug erhält, Georges verhasste Mitschüler zu seinen Gehilfen macht und ihnen aufträgt, Cosmos zu entwenden. Natürlich sind alle Figuren etwas überspitzt dargestellt, aber in Anbetracht des geringen Buchumfangs von nur 263 Seiten ist es absolut erstaunlich, wie gut wir die einzelnen Charaktere überhaupt kennenlernen.

_Lob auf ganzer Linie_

Insgesamt ist „Der geheime Schlüssel zum Universum“ für mich ein ganz großer Wurf und schon jetzt ein Geschenktipp für Weihnachten, denn Lucy und Stephen Hawking schaffen es in kindgerechter und verständlicher Weise, dem Leser die Grundzüge des Universums zu erklären, und das auf so unterhaltsame und spannende Weise, dass man kaum merkt, dass man nebenbei auch etwas lernt. Die Rahmengeschichte überzeugt so sehr, dass sie selbst den erwachsenen Leser fesseln kann und auch die Charaktere überzeugen auf ganzer Linie. Einzig der Preis von knapp 17 € schmerzt ein wenig in Anbetracht der Tatsache, dass man das Buch in knapp drei Stunden bereits durchgelesen hat, doch auch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn dieses Buch ist etwas für die ganze Familie. Unbedingte Empfehlung!

http://www.cbj-verlag.de

|Ergänzend dazu:|
[„Die kürzeste Geschichte der Zeit“ 3119

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