Unter der Schirmherrschaft von Hannes Hegen erschienen im „Mosaik“ Monat für Monat die Abenteuer des zwergenhaften Trios bestehend aus den mutmaßlichen Brüdern Dig, Dag und Digedag – kurz: „Die Digedags“. Allerdings nur im Osten der Republik, denn im Westen waren (und sind) die drei umtriebigen Wichte – und Vorväter der etwas bekannteren „Abrafaxe“ – weitgehend unbekannt. Nach der Wiedervereinigung wurde es still um die Digedags, bis 2005 alle bisher erschienenen Geschichten vom wiederauferstandenen Verlag Junge Welt noch einmal als Sammelbände zu je vier Heften komplett neu aufgelegt wurden.
_Die Digedags_
Die drei tauchen in verschiedenen Menschheitsepochen auf und erleben dort ihre Abenteuer bzw. begleiten Persönlichkeiten dieser Ära mit Fleiß, Wissen und Witz. Die stets jugendlich wirkenden Digedags altern nicht und ihr markantes Äußeres bleibt weitgehend unverändert – sämtliche leichten Variationen in ihrem Aussehen sind wohl eher der Weiterentwicklung Edith Hegenbarths als Zeichnerin zuzuschreiben. Die Texte legte ihnen Lothar Dräger in den Mund, das heißt: Nein, nicht direkt. Bei den Digedags herrscht nämlich weitgehend Sprechblasenfreiheit. An die Untertitelung der Panels hat man sich aber schnell gewöhnt und sie schätzen gelernt.
_Die Amerikaserie_
Die Amerikaserie, welche 1979 erstveröffentlicht wurde, ist eine der größten und umfasst 60 Einzelhefte (von 152 bis 211). Diese schafften es, ursprünglich zusammengefasst in insgesamt zehn Sammelbände, bis zur stolzen achten Auflage. Diese erschien noch 1989, kurz vor dem Mauerfall. Die Geschichte der Amerikaserie beginnt in New Orleans 1860, bevor der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, und sie endet in New York vier Jahre später. Bis dahin haben sich die Digedags quer durch den nordamerikanischen Kontinent gewuselt und im Kampf gegen die Sklaverei allerhand erlebt.
_Band 10: Die Digedags und die Dampforgel (Mosaik 188 bis 191)_
Wie nicht anders zu erwarten, gelingt es dem findigen Gauner Coffins wieder einmal, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Er und seine Kumpanen kommen durch unerwartete Hilfe von außen aus dem Knast von Buffalo Springs frei. Die Digedags hatten dank Dan Botchers Luftschiff „Königin der Lüfte“ eigentlich unbeabsichtigt aber dennoch höchst erfolgreich in den Gouverneurswahlkampf des Städtchens eingegriffen und dem republikanischen Kandidaten Betterman somit zum Sieg verholfen (vgl. „Die Digedags am Missouri“). Sein fieser und einflussreicher Gegenspieler Mr. Goldner kocht und sinnt auf Rache. Man verschanzt sich auf Goldners Ranch und schmiedet Pläne, Buffalo Springs wirtschaftlich zu ruinieren – möglicherweise gar mit dem Gold der Mine, welche die Digedags in den Rockies entdeckten. Die aufgebrachten Bürger sind allerdings schon auf dem Weg, Goldner den Marsch zu blasen.
Den Tumult nutzt Coffins zur Flucht und schafft es nebenbei, die ehemalige Leibgarde Goldners sowie ein Dampfschiff samt Crew anzuheuern. Das verschafft ihm einen immensen Vorsprung. Die Digedags haben derweil das Nachsehen, holen erst einmal Jeremias und Jenny Joker ab und tuckern zusammen mit ihnen auf der reparierten Barkasse Kapitän Smokys den Beaver-Creek hinauf in die Berge. Dort treffen sie einen alten Bekannten wieder, dessen Begeisterung über das Wiedersehen sich zunächst allerdings in Grenzen hält: Major Pinkerton (vgl. „Die Digedags bei den Indianern“). Den hat man seit ihrer letzten Begegnung hierher an den Arsch der Welt strafversetzt. Man begräbt aber das Kriegsbeil, und Pinkerton verspricht, es mit Colonel Springfield aufzunehmen. Der hatte zusammen mit Old Abe Gunstick und Mrs. Jefferson ja versprochen, die Indianer-Insel in eine Festung zu verwandeln (vgl. „Die Digedags und Häuptling Rote Wolke“), und Coffins darf man erst recht nicht unterschätzen.
_Eindrücke_
Das kurze und zudem vergleichsweise langweilige Intermezzo in Buffalo Springs findet in diesem Band sein orgelndes Finale, und die Geschichte um den Goldfund auf der mysteriösen Indianer-Insel in den Rocky Mountains geht endlich weiter. Dan Botcher, Doc Snyder, Betterman, Goldner, Lobby, General Knocker und auch die beiden Geheimdienstagenten Clever und Sniffler verschwinden somit endgültig aus dem Dunstkreis der Digedags. Sie spielen in der Serie keine Rolle mehr, waren sie doch eh nur Füllmaterial. Allenfalls Clever und Sniffler hätten vielleicht einen etwas ausführlicheren Abgang verdient, denn die beiden Figuren waren interessant aufgezogen und gestaltet. Dafür bekommt der Leser einen beinahe geläuterten Major Pinkerton sowie Jeremias und Jenny Joker wieder.
Als ebenbürtiger Haupt-Gegenspieler bleibt der falsche Reverend Coffins erhalten und erweist sich überdies den Digedags hier um eine deutliche Nase voraus. Drei weitere altbekannte Gestalten halten nach einigen Bänden wieder Einzug in die Geschichte: das erprobte Triumvirat Jefferson-Springfield-Gunstick. Zwar auch nicht unbedingt große Freunde der drei Wichte, aber im Gegensatz zu Coffins eher harmlos, weil leicht plemplem und in ihrer Gold-Gier sich selbst ständig im Weg stehend. Die drei bilden einen humorigen, fast schon sympathischen Gegenpol zum Erzgauner.
Band zehn ist gegenüber seinem Vorgänger wesentlich temporeicher und spannender erzählt, wobei der typische Witz darunter nicht leidet, auch wenn es vielleicht streckenweise etwas ernster zugeht. In den vier Kapiteln wird jede Menge Stoff durchgebracht, doch der Showdown in den Bergen muss bis zum nächsten Buch warten.
_Fazit_
Die ursprüngliche Geschichte nimmt wieder Fahrt auf und der rote Faden wird endlich weitergesponnen. Nebencharaktere verlassen die Bühne und lieb gewonnene Figuren aus der Vergangenheit der Serie tauchen stattdessen aus der Versenkung auf. Wären Preisgestaltung und – gegenüber der DDR-Originalausgabe – geänderte Aufteilung der Neuauflage nicht so daneben, so würde dieser seit 2005 neu hinzugekommene Zwischenband sich glatt eine Fünf-Stern-Wertung einhandeln. So bleibt dem geneigten Leser nichts anderes übrig, als wenigstens noch einmal zähneknirschend rund 13 Euro zu investieren, um zu erfahren, wie es in den Rocky Mountains weitergeht.
_Die Buchdaten auf einen Blick:_
„Die Digedags und die Dampforgel“ – Amerikaserie, Band 10
Enthält die Mosaik-Hefte 188 bis 191
© 1980 und (Neuauflage) 2005 – Buchverlag Junge Welt, Berlin
Herausgeber: Hannes Hegen
Text: Lothar Dräger
Figurinen: Edith Hegenbarth
ISBN: 3-7302-1882-4 (neu)