Heim, Uta-Maria – Dreckskind

„Dreckskind“ ist der aktuelle Roman der preisgekrönten deutschen Autorin Uta-Maria Heim. Bereits zweimal wurde Heim mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet und einmal mit dem Friedrich-Glauser-Preis. Ihr aktuelles Romanwerk schmückt sich auf dem Buchrücken mit den lobenden Worten Ingrid Nolls, die der Meinung ist, Heim wäre mit „Dreckskind“ ein großer Wurf gelungen. Schauen wir uns dies genauer an…

In Stuttgart ist der Teufel los: Ein halbes Jahr nach der Ermordnung der kleinen Aranca Burlic verschwindet nun auch der erst sechsjährige Emil Walz von einer [Hocketse.]http://de.wikipedia.org/wiki/Hocketse Obwohl beide Fälle auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, wird eine gemeinsame Sonderkommission gegründet, die den beiden Verbrechen auf die Spur kommen will.

Arancas Mutter Svetlana hat den gewaltsamen Tod ihrer einzigen Tochter immer noch nicht verwunden, sie ist der festen Überzeugung, dass ihr Bruder Stanco die Schuld an Arancas Tod trägt, denn er handelt in dubiosen Kreisen mit Drogen. Svetlana ist sich sicher, dass Arancas Ermordung damit zu tun haben muss. Gleichzeitig fürchtet sie sich auch, als sie von Emils Verschwinden erfährt. Kennt sie die Familie Walz doch genauer, als sie dies der Polizei gegenüber zugeben will?

Emils Vater Gerd Walz ist verzweifelt. Genau einen Tag, bevor seine Frau aus der psychiatrischen Klinik entlassen werden sollte, wird Emil entführt. Was steckt bloß hinter dieser Tat? Oder hat vielleicht seine Frau etwas mit Emils Verschwinden zu tun? Emils große Schwester Elke erfährt bald Genaueres über Emils Verbleib, muss aber Stillschweigen bewahren, denn Emil lebt und wurde verschleppt, allerdings hängt sein Leben dennoch am seidenen Faden.

Die Ermittler der Sonderkommission haben alle Hände voll zu tun, denn zunächst findet sich nirgends eine Spur, die beide Fälle miteinander verknüpfen könnte, obwohl die meisten es doch im Gefühl haben, dass die Aufklärung des einen Falles auch das andere Verbrechen lösen dürfte. Ganz langsam entwirren sich die Fäden eines erst unübersichtlichen „Indizienknäuels“ und ganz allmählich werden uns die Hintergründe und Zusammenhänge aufgezeigt …

Uta-Maria Heim siedelt ihre Kriminalgeschichte in zwei kleinen schwäbischen Örtchen an, in denen die Bevölkerung bislang nicht mit derlei brutalen Verbrechen konfrontiert wurde. Schon früh ist dem Leser klar, dass die Lösung des Falls in der Vergangenheit zu suchen ist, denn den Einstieg in den Roman macht die Vorstellung Marthas, die uns von ihren zahlreichen Geschwistern berichtet und insbesondere von ihren beiden Brüdern Edmund und Emil, die beide nicht sehr alt geworden sind. Eines Tages wird Martha Zeuge, wie Emil von einem Zug überfahren und dabei geköpft wird. Als der Name „Emil“ schließlich auch in der Gegenwart auftaucht, sucht man zunächst ziellos den Zusammenhang mit Martha, doch muss der Leser etwas länger warten, bis Uta-Maria Heim ihre Joker ausspielt und uns erklärt, in welchem Verhältnis der kleine Emil Walz zu der alten [Klaiberin]http://de.wikipedia.org/wiki/Klaiben Martha steht.

Zu Beginn wirkt „Dreckskind“ etwas ziellos; man kann nicht einmal erahnen, welche Rolle Martha in dieser Geschichte spielt und warum sie sich anfangs so detailliert vorgestellt hat, doch wenn man als Leser langsam vergisst, dass es diesen Prolog gegeben hat, trifft man plötzlich wieder auf Martha und es fällt einem wie Schuppen vor den Augen, wie Heim ihre Protagonisten miteinander verwoben hat.

Apropos Protagonisten: Obwohl das Buch mit nur 374 Seiten eher schmal geraten ist, treten unzählige Charaktere auf den Plan und werden uns alle mehr oder weniger ausführlich vorgestellt. Leider kann keiner der Protagonisten Sympathien auf sich vereinigen; alle haben dermaßen komische Macken und Launen, dass man sich mit niemandem so recht anfreunden kann. Das führt dann auch dazu, dass man sich weder in eine der Personen hineinversetzen kann und will, noch mit einer der Personen mitfiebert.

Uta-Maria Heim präsentiert uns eine recht verworrene Geschichte, die nur langsam ihre Zusammenhänge offenbart und auch das scheinbar nur widerwillig. Es tauchen genug Figuren auf, die im Grunde genommen keine oder nur eine winzige Rolle spielen. Das führt leider dazu, dass man sich gar nicht alle Namen und die zugehörigen Lebensgeschichten merken kann. Auch streut Heim einige überraschende Wendungen ein, die man irgendwann kaum noch mitverfolgen kann. So bleibt das große Aha-Erlebnis schlussendlich aus, da man eigentlich nur froh ist, endlich zu wissen, was Aranca Burlic und Emil Walz miteinander zu tun haben. Heim verlangt von ihren Lesern schon einen recht langen Atem, zumal sie kaum spürbare Spannung aufbaut.

Besonders erschwerend kommt die Schwäbische Sprache hinzu, in der sich die meisten Protagonisten unterhalten, was in einem Hörbuch zwar nett klingen mag, was aber sehr lästig zu lesen ist:

|“Es dauert mich, aber mir pressiert’s. Also, ade!“ „Äll Hack ein neues Theater.“ „I verhebbs nimme.“ „Ha noi, ond des secht grad des Chefle!“ „Etzt haltet doch elle mol d‘ Gosch!“|

Wenn es nur darum gegangen wäre, dass aus dem Chef das unvermeidliche „Chefle“ geworden wäre, hätte ich die Verwendung des Schwäbischen sicher noch amüsant gefunden und ich muss gestehen, dass das gesprochene Schwäbisch durchaus Unterhaltungswert hat, aber in geschriebener Form ist es wohl doch eher Geschmackssache und für Schwaben oder hartgesottene Schwäbischfans gedacht.

Insgesamt macht es uns Uta-Maria Heim nicht einfach, sich in ihr Buch einzudenken und einzufühlen. Sie baut Zeitsprünge ein, um uns das Verschwinden Arancas näher zu bringen und um die beiden Familiengeschichten zu erzählen, um die es hier gehen soll. So fällt es doch nicht leicht, sich in diesem Buch zurechtzufinden, und das, obwohl die Grundidee des Buches durchaus vielversprechend war. Die Aufklärung, wie Emils Verschwinden und Arancas Ermordung zusammenhängen und welche Rolle Martha in all dem Kuddelmuddel spielt, gefällt im Grunde genommen gar nicht schlecht, doch muss ich gestehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits die Geduld mit dem „Dreckskind“ verloren hatte.

Insgesamt ist „Dreckskind“ ein sehr eigenwilliger Kriminalroman, der bestimmt seine Anhänger finden wird, ich persönlich würde es jedoch nicht als großen Wurf bezeichnen, da ich weder mit den Charakteren warm werden konnte noch mit Heims eigenwilliger Erzählweise.

http://www.gmeiner-verlag.de/

Schreibe einen Kommentar