Heitz, Markus – Blutportale

Das Genre der Dark Fantasy lebt in den letzten Jahren wieder auf und erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Die erzählerischen Grenzen zwischen Gut und Böse sind dabei fließender geworden. Vampire und Werwölfe, Magier und Dämonen, allesamt können sie hinterhältig und wirklich böse sein, andererseits helfen sie den sterblichen Menschen durchaus und beweisen damit, dass scheinbar artentypische Verhaltensmuster letztlich nur eine Frage der Betrachterperspektive sein können.

Die Frage, ob jemand eine anscheinende böse Tat begeht, ist meistens sehr differenziert und mit Abstand zu betrachten. Die Überzeugung, das Richtige für sich und andere zu tun oder unter Druck in Extremsituationen handeln zu müssen, lässt manchmal keinen anderen Ausweg zu, aber steht dabei auch das Wohl des Einzelnen über dem von vielen?

Markus Heitz konnte schon mit seinem Zwergenepos ein großes Publikum für sich gewinnen, nur wenig später folgten „Ritus“ und „Sanctum“, in denen Wandelwesen das Sagen haben. Mit „Die Kinder des Judas“ verfolgte der Autor die Geschichte eines Vampirclans.

Inzwischen sind der Name Markus Heitz und seine Werke eine feste Größe in der deutschen Fantasywelt. Nun ist der Feder des Autors ein neuer Roman entsprungen: „Blutportale“ und dieser Roman vermengt die Reihe „Ritus“/“Sanctum“ mit „Die Kinder des Judas“ und fügt noch ein paar dunkle Figuren aus dem Reich der Mystery und des Horrors hinzu.

_Inhalt_

Saskia Lange ist eigentlich Chefköchin in einem noblen Restaurant in Hamburg, doch ihre eigentliche Berufung und Leidenschaft ist das Fechten. Diese Kampf- und Schwertkunst, die schon ihr Vater ausübte, fordert ihr einiges ab. In einem anonymen Club mit dem Namen „Union“, der auf strenge Regeln Wert legt, kämpfen zwei Kontrahenten bis zum Blut und manchmal auch bis zum Tod, obwohl es nicht das Ziel ist, seinen Gegner zu töten. Es geht um die Ehre, die Würde des Kämpfers und darum, weiter bis zur Spitze der Union aufzusteigen.

Anführer dieser Rangliste ist der geheimnisvolle und charismatische Maître, der seit Jahren mit seiner außergewöhnlichen Fechtkunst jeden Gegner ohne Anstrengung im Kampf demütigt. Im Kampf gelingt es Saskia zwar, den Maître zu verletzen, aber in Wut geraten, zeichnet er Saskia mit blutigen Schnitten und die junge Frau weiß, dass sie solch einer Schwertkunst und Energie nichts entgegenbringen kann. In Panik und Todesangst gibt sie sich geschlagen.

Ihre Wunden schmerzen und werden vom „Professor“ der Union behandelt, doch sie denkt bereits wieder an eine Revanche. Aber zuerst muss sie auf die Party ihres Blumenhändlers, den sie seit langem kennt – Will Gul. Will ist zum Teil Inder und übt seinen Glauben an Shiva und Kali auch praktisch aus, aber was ihm bald zustoßen wird und womit er konfrontiert werden wird, soll sein gesamtes Weltbild erschüttern. Er lebt in einer großen Hamburger Villa, die er für einen anonymen „Sir“ verwaltet. Als die Villa mit seinen Freunden und Geschäftspartnern gefüllt und auch Saskia zugegen ist, geschieht etwas Schreckliches: Ungewollt öffnet die junge Frau eine rätselhafte Tür, die seltsam verziert ist, und lässt dadurch unabsichtlich einen Schutzgeist frei, der die Besucher als Eindringlinge ansieht und ein Massaker anrichtet, das nur Saskia und Will überleben.

Doch auch etwas anderes wird durch das Portal geschleudert: Justine, eine Werwölfin, die nach ihrem gewaltsamen Tod ihre Seele einem Dämon überließ. Wieder in ihrer physischen Gestalt, ist es ihr nicht mehr möglich, kraft ihres Willens die Bestie in sich zu wecken, die einen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit ausmacht.

Saskia beginnt zu verstehen, dass der Kampf mit dem Maître – oder Levantin, wie er sich selbst nennt, kein Zufall war. Das Trio gerät zwischen die Fronten verschiedener Gruppen, die alle auf der Suche nach bestimmten verstreuten Artefakten sind und keine Gnade und Menschlichkeit kennen. Sollten diese dämonischen Artefakte zusammengeführt werden, so könnte man das Portal zu einem besonders machtvollen und grausamen Dämon öffnen, und die Menschheit fiele dem Untergang anheim.

Ein Wettlauf durch Raum und Zeit beginnt und die Fronten verändern sich erneut, denn auch Will und Justine besitzen übermenschliche Kräfte und setzen sie manchmal etwas unkontrolliert ein. Dabei sehen sie sich menschlichen und dämonischen Mächten ausgeliefert …

_Kritik_

In „Blutportale“ von Markus Heitz geht es diesmal deutlich actionreicher zu als in seinen bisherigen Mystery- und Horrorthrillern. Heitz weiß, wie man ‚bildlich‘ schreibt; er versteht sein Handwerk. Schon im Prolog bekommt der Leser einen blutigen ersten Eindruck und kann bereits erahnen, wohin der Weg des Grauens führen wird.

Dass Markus Heitz diesmal seine Protagonisten aus „Ritus“/“Sanctum“ und „Die Kinder des Judas“ in einer neuen Erzählung auftauchen lässt, ist gewöhnungsbedürftig und fügt sich erst langsam zu einem stimmigen Bild. Aber dem Autor sind die charakterlichen Ideen nicht ausgegangen. Es gibt neue, bösartigere, intensivere Charaktere, die sich hier ein Stelldichein geben. Originell ist dieser Ansatz in jedem Fall und außergewöhnlich spannend obendrein.

Die Reise unserer Helden ist im wahrsten Sinne des Wortes ‚bewegend‘. Nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich verschlägt es sie in andere Ebenen, wenn Saskia ihre besondere Gabe nicht kontrollieren kann und alles aus dem Ruder läuft. Saskia ist die Schlüsselgestalt in „Blutportale“, und sie ist nicht nur talentiert darin, materielle Räume zu öffnen – sie kann noch viel, viel mehr.

Es gibt zwei Handlungsstränge. Der erste lässt uns zusammen mit Saskia, Will und Justine unter Lebensgefahr nach Artefakten suchen, denn immer wieder müssen die drei gegen eine Vielzahl von dämonischen Angreifern kämpfen, die ihnen alles Menschenmögliche abverlangen. Saskia will sich bei ihrem ehemaligen Gegner, dem Maître, revanchieren, der sie verletzt und ihre Gabe anscheinend geweckt hat, und Justine will ihr zweites Alter Ego – die Bestie, die in ihr wohnt – wieder rufen können. Tja, und Will ist auch kein Zuschauer in diesem Drama, schließlich war es ja sein Haus, in dem der Schutzgeist das Massaker angerichtet hat.

Im zweiten Handlungsstrang ist der Maître selbst auf der Suche. Nicht die dämonischen Relikte seine primäre Motivation, nein, er will Saskia, die für ihn ein besonderes Portal öffnen soll. Nach ihr hat er Jahrtausende gesucht und nun sieht er sich seinen langersehnten Ziel sehr nahe. Seine Person ist auch die tiefgründigste und originellste und immer für Überraschungen gut. Dass die Menschen ihm gleichgültig sind und er entsprechend kalt und unnahbar wirkt, wird am Ende des Romans verständlich. Wer seit Jahrtausenden auf einer Welt wandelt, die nicht sein Zuhause ist, kann verbittert und egoistisch reagieren.

Justine war in den Romanen „Ritus“ und „Sanctum“ eine Nebenfigur. Nun muss sie sich beweisen, ohne auf ihre wandlerischen Fähigkeiten zurückgreifen zu können, doch auch ohne Klauen und Zähne ist sie eine beachtenswerte Gegnerin. Alle Fähigkeiten hat sie noch nicht verloren, und sich zwischen den Welten zu bewegen, ist ihr förmlich ins Blut übergegangen. Saskia wäre ohne ihre unfreiwilligen Freunde verloren; sie ist eine Einzelgängerin und wusste sich immer zu behaupten, aber bei dieser Gefahr sieht sie sich überfordert.

Spannend ist „Blutportale“ allemal. Obwohl die Spannung nicht so sehr von den Protagonisten ausgeht, sondern vielmehr von den zahlreichen Schauplätzen beider Handlungsstränge. In der Mitte der Erzählung gibt es einige Längen, die aber durch das Auftauchen des geheimnisvollen Maître/Levantin immer wieder relativiert werden können. Er ist ein (über)mächtiger Gegner und seinen Kontrahenten meistens einen Schritt voraus.

In „Blutportale“ gibt es angenehmerweise nicht das klischeehafte Gut-Böse-Denken. Hinter jeder Gruppe und beinahe jedem Charakter verbergen sich unterschiedliche Perspektiven und Betrachtungsebenen. Moral und Ethik kann man sich hier ohnehin kaum leisten, es bleib einfach keine Zeit dazu. Die Atmosphäre des Buches ist entsprechend auch durchweg pragmatisch zu sehen; es muss gehandelt werden, und Verluste sind in dieser Gleichung durchaus vorgesehen. Aufgrund der spannenden und abwechslungsreichen Handlung bleibt manchmal die Logik im Hintertreffen, doch so atemberaubend die Geschichte voranschreitet, fällt das kaum auf. Die Dialoge sind dabei spärlich gesät; zu sehr entlädt sich hier die Gewalt um die Protagonisten herum.

Zum Ende von „Blutportale“ entfaltet sich die Geschichte in einem gekonnten Höhepunkt, der wirklich extrem aufregend und spannend geraten ist, so dass alle vorherigen erzählerischen Längen vergessen sind. Das Buch endet, wo es begonnen hatte, doch bleibt alles anders, und wir wissen: „Blutportale“ war nur der Auftakt zu einer weiteren dunklen Saga.

_Fazit_

„Blutportale“ von Markus Heitz ist anders als die schon von ihm geschriebenen Romane. Sehr positiv finde ich die realistische Atmosphäre in der Geschichte: Das ‚Böse‘ ist niemals wirklich abgrundtief schlecht, das ‚Gute‘ niemals nur hell und rein, es gibt viele Schattierungen, die uns vor Augen geführt werden und mahnend davon erzählen, dass alles mehrere Perspektiven besitzen kann.

Wer die drei anderen Romane aus dem |Pakt der Dunkelheit| gelesen hat, wird ebenso Gefallen an „Blutportale“ finden; dass Markus Heitz allerdings einige Charaktere entliehen hat, mag erstmal merkwürdig wirken. Das Actionfeuerwerk, das hier gezündet wird, sucht allerdings seinesgleichen, und so gibt neben dem spannenden Nervenkitzel eine Menge Rauch und Feuer, Gewalt und Kampf, und demzufolge auch Opfer und Verlust. Selbst die Liebe kommt nicht zu kurz, und für wen sich der „Finder-Inder“, wie er gelegentlich benannt wird, entscheidet, wird hier nicht verraten.

Für alle Fans mysteriöser und dunkler Gestalten ist „Blutportale“ ein Must-read-Titel. Es ist nicht Heitz‘ bester Roman, da zu wenig von Hintergrund erklärt wird und doch einiges offen bleibt – mag sein, dass sich der Eindruck in einer möglichen Fortsetzung relativiert -, doch ist er in jedem Fall empfehlenswert und bietet spannende Unterhaltung.

|665 Seiten, Klappenbroschur
ISBN-13: 978-3-426-66339-4|
http://www.pakt-der-dunkelheit.de
http://www.knaur.de

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