Heitz, Markus – Zwerge, Die

Zwerge – für viele sind das nur die lustigen Gefährten mit den roten Zipfelmützen, die manch einer zu Dutzenden in seinem Vorgärten zu stehen hat, um dadurch zum Gesprächsthema der gesamten Straße zu werden. Ganz anders stellen sich diese kurzgewachsenen Gefährten üblicherweise im Fantasy-Genre dar. Überzeugte der bärtige Gimli bei Tolkien noch durch seine Freundschaft zu dem einst verhassten Elb, durch seine bärbeißige Art und seine geschickt geschwungene Axt, so zeichnet Markus Heitz in seiner Zwergen-Reihe Charaktere, die ihresgleichen suchen!

_Zwerge gegen den Rest der Welt_

Das Böse hat das Geborgene Land erobert. Der Magier Nudin ruft die anderen mächtigen Magi und Magae zu sich, um ein altes Ritual durchzuführen. Was die anderen jedoch nicht wissen: Ein hinterhältiges Wesen ist in Nudin eingefahren, das ihn verändert, ihn mächtiger und böser werden lässt. Nudin hat sich zu Nôd’onn gewandelt und will die anderen Magier vernichten. Er entzieht ihnen bei dem Ritual alle Magie und tötet sie. Anschließend widmet er sich auch den Magierschülern, doch eine Maga überlebt – gerettet von ihrem treuen Diener.

In einer anderen Geschichte lernen wir den Zwerg Tungdil kennen, der bei den Menschen aufgewachsen ist. Er lebt bei dem Magus Lot-Ionan und hat bei den Menschen echte Freunde gefunden, doch auch Feinde. So kommt es eines Tages zum Streit mit einem Menschen. Wichtige Zauberformeln werden dabei zerstört und Lot-Ionan schickt Tungdil daraufhin auf eine lange Reise. Im Herzen weiß er, dass der Zwerg unschuldig war und möchte ihm mit dieser Reise auch die Gelegenheit geben, andere Zwerge kennen zu lernen und das geborgene Land zu sehen.

Unterwegs erlebt Tungdil allerlei Abenteuer, spannend wird es allerdings erst, als er die Zwergenzwillinge Boëndal und Boïndil kennenlernt. Die beiden sind auf der Suche nach einem geeigneten Thronfolger für die Zwerge. Der Großkönig ist alt geworden und sieht seinen letzten Tagen entgegen, doch der einzige Thronanwärter – Gandogar – ist auf Krieg mit den Elben aus, was einige tapfere Zwerge wie Balendilín verhindern wollen. Also hat er die beiden Brüder ausgeschickt, um Tungdil aufzugreifen. Doch bevor Tungdil als Thronfolger anerkannt wird, stehen ihm und seinem Widersacher Gandogar einige Prüfungen ins Haus, in denen sich der echte Thronfolger beweisen muss. Es steht zwei zu zwei, als die letzte Aufgabe gezogen wird – eine, die Tungdil sich erdacht hat. Auf seinen Reisen hat er erlebt, wie das Tote Land Einzug in das Geborgene Land genommen hat. Er weiß von Nôd’onns Verrat und kennt einen Weg, ihn zu zerstören: Eine Feuerklinge muss geschmiedet und gegen den bösen Magus gerichtet werden. Und so besteht die letzte und entscheidende Aufgabe der Thronanwärter darin, sich auf eine lange und gefährliche Reise zu begeben, um die Feuerklinge zu schmieden und den bösen Magier zu vernichten.

Um diese Aufgaben zu erfüllen, darf jeder der beiden Zwerge sich eine kleine Reisegruppe zusammenstellen. Tungdil nimmt selbstverständlich die beiden Brüder Boëndal und Boïndil mit, die ihm bereits mehrfach das Leben gerettet haben, außerdem entscheidet er sich für den ständig betrunkenen Steinmetz Bavragar und den ängstlichen Edelsteinschleifer Goïmgar, der permanent im Clinch mit der Reisegruppe liegt, da er sich an Kämpfen nicht beteiligt und offen zum Ausdruck bringt, dass er einzig Gandogar unterstützt und ihm Tungdil verhasst ist. Unterwegs sammeln sie noch einige weitere Gefährten auf, und Boïndil erhält viele Gelegenheiten, sich ins Schlachtgetümmel zu stürzen. Denn es steht schlecht um das Geborgene Land, das Böse breitet sich immer schneller aus, und die Zwergengruppe ist die einzige Hoffnung …

_Zwerge sind cool_

Bislang hielt ich Zwerge für eher komische Wesen, die für mich wenig Reiz besaßen. Für mich waren das einfach nur die bärtigen Wesen, die sich am liebsten in unterirdischen Höhlen aufhalten. Doch Markus Heitz spendiert den Zwergen ganz neue Facetten. Natürlich halten sich auch seine Zwerge am liebsten unterirdisch auf – auch wenn sie sich nicht gerne als Unterirdische bezeichnen lassen. Heitz verleiht nicht nur allen Bevölkerungsgruppen Charakteristika, sondern auch jeder einzelnen Figur und vor allem jedem einzelnen Zwerg. Bei ihm teilen sich die Zwerge in fünf Gruppen, die alle unterschiedliche Talente haben: Die einen können gut schmieden, die anderen gut Diamanten schleifen und die dritten kämpfen, und zwar am liebsten gegen ihre Artgenossen. Natürlich mögen die Zwerge keine spitzohrigen Elben, manche würden sogar am liebsten in den Krieg gegen die Elben ziehen. Die Elben bleiben ein wenig blass im Buch, da sie nur ganz am Rande auftauchen, viel interessanter sind da schon die Alben, die schwarzäugigen bösen Elben, die den Zwergen an die Wäsche wollen. Alben sind durch und durch böse und unterscheiden sich vor allem durch ihre schwarzen Augen von normalen Elben. Daneben tauchen natürlich die anderen bekannten Bevölkerungsgruppen auf: Orks und Oger, Menschen und Magier, Gnome und ein paar andere, die tapfer für das Böse in die Schlacht ziehen.

Was das Buch ausmacht, sind die ausgefeilten Charakterzeichnungen. Bei Markus Heitz ist jeder Zwerg individuell. Tungdil ist bei den Menschen aufgewachsen und kennt Zwerge nur aus den Büchern. Dementsprechend belesen ist er auch und wird daher gerne als der Gelehrte tituliert. Er ist schüchtern gegenüber Zwergenfrauen, da er sie erst spät kennenlernt, er muss das Kämpfen noch lernen, aber Schmieden kann er wie ein echter Zwerg – was er ja auch ist. Boïndil ist hitzköpfig und braucht regelmäßig Schlachten gegen Orks, sonst wird er unausstehlich. Er liebt das Schlachtengetümmel und meidet nicht einmal die auswegloseste Situation. Ganz anders dagegen sein Bruder Boëndal, der deutlich besonnener und freundlicher ist. Er versucht stets, seinen Bruder im Zaum zu halten und zu vermitteln. Mit am besten gefallen hat mir der ewig betrunkene Bavragar. Einst war er der beste Steinmetz der Zwerge, er hat bislang unübertroffene Kunstwerke geschaffen, doch dann ist er dem Alkohol verfallen. Seine Hände zittern und er schafft es nicht mehr, sein Handwerk auszuüben. Dafür hat er stets ein Liedchen auf den Lippen und genießt sein Leben in vollen Zügen. Nur beim Zwergenvolk ist er nicht mehr glücklich, da sein Schicksal dort zu öffentlich ist. Er wünscht sich, sein Lebenswerk zu krönen und dann nicht mehr zu den Zwergen zurückzukehren. Alle diese Figuren gestaltet Markus Heitz gekonnt aus; wir lernen die Zwerge und ihre Eigenarten immer besser kennen, bis sie zu wahren Freunden werden. Was Heitz hier schafft, ist wahrlich meisterhaft.

_Kommt Zeit, kommt Spannung_

Zu Beginn lässt Markus Heitz sich viel Zeit, um die Figuren vorzustellen und in die Geschichte einzuleiten. Er stellt erst ausführlich die handelnden Figuren vor, beschreibt die Situation und versetzt uns in seine Welt. Das dauert mitunter schon recht lange, ohne dass die Geschichte ins Rollen kommt. Die ersten knapp 200 Seiten ziehen sich daher ein wenig hin, was ich aber mehr als verzeihlich finde in Anbetracht dessen, was man dafür später geboten bekommt, und angesichts der Tatsache, dass er mit diesem Buch in seine Zwergenreihe einleitet. Der Spannungsbogen setzt demnach später an, ist dann aber durchaus gelungen. Die Situation für Tungdils Reisegruppe wird immer gefährlicher und auswegloser, sodass man immer mehr mit ihr mitfiebert. Je länger man liest, umso mehr versinkt man in der Welt der Zwerge und umso schwieriger ist es, das Buch noch aus der Hand zu legen.

Gleichzeitig schafft Markus Heitz es, die Landschaften und Situationen dermaßen plastisch zu beschreiben, dass sie uns direkt vor Augen stehen. Dies macht er aber, ohne zu langweilen. Nie hatte ich das Gefühl, dass ich über eine Landschaft, über eine Höhle oder eine Stadt zu viel erfahre, er streut seine Beschreibungen so geschickt in die Geschichte ein, dass es ein stimmiges Ganzes wird, das fasziniert. In diesem Buch kann man vollkommen versinken, wenn man sich erst einmal auf die Geschichte einlässt.

_Die erste Schlacht der Zwerge_

Insgesamt ist das vorliegende Buch mehr als gelungen. Wer die ersten 200 Seiten übersteht und sich durch die lange Einleitung „hangelt“, dem bietet Markus Heitz viel: faszinierende Charaktere, spannende Schlachten, böse Gestalten, viele Intrigen und bildhafte Beschreibungen. „Die Zwerge“ machen Lust auf mehr und verleiten definitiv dazu, gleich zum nächsten Buch zu greifen, um zu erfahren, wie es mit unseren zwergischen Helden weitergeht!

|635 Seiten, kartoniert
überarbeitete Neuausgabe
ISBN-13: 978-3-492-70076-4|
http://www.piper-verlag.de

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_Markus Heitz auf |Buchwurm.info|:_

[Interview mit Markus Heitz]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=56
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