Henn, Carsten Sebastian – Blut & Barolo

Nachdem die beiden liebenswerten Schnüffler Giacomo und Niccolò in ihrem ersten Fall das mysteriöse Verschwinden der Menschen in Rimella aufgeklärt haben, agieren sie in „Blut & Barolo“ nun in Turin. Dort gilt es, einen geheimnisvollen Diebstahl aufzuklären …

_Trüffeltuch_

Die Biologin Isabella wird nach Turin zum bekannten Palazzina di Caccia di Stipinigi gerufen, weil dort viel zu nah an menschlichen Behausungen ein Rudel Wölfe gesichtet wurde. So schnappt sie ihre Hunde – die verwöhnte Hündin Canini, das zierliche Italienische Windspiel Niccolò und den felligen Trüffelhund Giacomo – und macht sich auf den Weg in die große Stadt.

Im Duomo di San Giovanni hat derweil der Pharaonenhund Amadeus seinen neuen Job angetreten, nämlich die Bewachung des berühmten Grabtuchs. Seine Familie ist schon seit Urzeiten dafür zuständig, das Grabtuch zu bewachen, und nun hat Amadeus diese ehrenvolle Aufgabe frisch von seinem Großvater übernommen – als das Tuch auch schon gestohlen wird! Die anderen Pharaonenhunde verstoßen Amadeus daraufhin, so dass er sich tapfer alleine auf die Suche nach dem Tuch machen muss.

Kurze Zeit später erschnüffelt Giacomo einen für ihn himmlischen Duft, nämlich den von Trüffeln. Er geht seiner Nase nach und findet ein schmutziges Tuch, das merkwürdigerweise nach Trüffeln riecht. Doch irgendwas stimmt damit nicht. Verwirrt schnappt er es sich und trägt es zu Isabella, die es sogleich als das gestohlene Grabtuch identifiziert und die Polizei informiert. Damit aber beginnt der Ärger, denn Isabella wird als Diebin verhaftet und Giacomo, der gerade noch fliehen kann, auf Fahndungsplakaten gesucht. Canini und Niccolò werden von einem Freund Isabellas abgeholt, aber Niccolò hält es dort nicht lange aus, weil er Giacomo suchen will. Der hat unterdessen drei weitere Trüffelhunde gefunden – allerdings keine reinrassigen -, denen er sich angeschlossen hat. Auf die Straße kann sich Giacomo kaum noch trauen, weil überall Plakate mit seinem Angesicht die Straßen Turins zieren.

Aber Amadeus und Giacomo sind nicht die einzigen, die nach dem Grabtuch suchen. Dieses Mal helfen auch der Conte (ein kleiner Pekinese) und die Dachshunde mit, später kommen die Wölfe dazu, einige dubiose Menschen, und es gilt, Isabella aus der Gefangenschaft zu befreien. Große Aufgaben also für kleine Hunde …

_Die Straßen Turins_

In seinem zweiten Hundekrimi hat Carsten Sebastian Henn, der für seine Weinkrimis bekannt ist, den Schauplatz vom beschaulichen Rimella nach Turin verlegt. So tauchen neben den bekannten Hunden auch viele neue Gefährten auf, die ebenso menschliche Züge tragen wie die Hunde und Wölfe Rimellas. Je weiter die Handlung fortschreitet, umso mehr Personen und Tiere kommen ins Spiel, immer neue Grüppchen bilden sich, neue Freundschaften werden geschlossen, aber auch Feindschaften. Sehr gut gefallen hat mir die Findigkeit der Tiere, die beispielsweise daran denken, Giacomo an einem Stückchen Kohle zu reiben, damit er seinem Fahndungsbild nicht mehr so ähnlich sieht, oder die ihren eigenen Wohnbereich fluten, um ihre Feinde zu überrumpeln. Da kann man manchmal durchaus staunen.

Zu Beginn nimmt der Krimi viel Fahrt auf. Schnell erfahren wir, worum es geht – nämlich um das entwendete Grabtuch. Als Isabella in Gefangenschaft gerät und Giacomo und Niccolò voneinander getrennt werden und ganz Turin nach dem felligen Trüffelhund sucht, fiebert man mit dem sympathischen Schnüffler mit, der sich mit viel Geschick vor den Hundefängern versteckt bzw. ihnen zumindest schnell entkommen kann. Der aufzuklärende Fall ist von Anfang an überaus mysteriös, denn wer klaut ein wertvolles Grabtuch, um dann darin eine Trüffel zu wälzen und das schmuddelige Tuch in einem Baum zu verstecken – genau vor dem Palazzo, in dem zu der Zeit der bekannteste Trüffelhund weilt? Außerdem fragt man sich früh, ob die Pharaonenhunde alle mit offenen Karten spielen, denn schnell wird klar, dass zumindest Amadeus‘ Oma offensichtlich etwas zu verbergen hat. Bis etwa zur Hälfte habe ich das Buch regelrecht verschlungen.

Mit der Zeit wird die Angelegenheit aber recht unübersichtlich, denn nicht immer ist klar, mit welcher Absicht die Menschen und Tiere eigentlich nach dem Grabtuch suchen und was sie damit bezwecken wollen. Außerdem durchschaut man nicht immer die Struktur der Hundegruppen, da sich manche Freundschaften schneller zerschlagen, als man lesen kann. Besonders am Ende, als Giacomo seinen in einer Weinlaune ersonnenen Plan zur Aufklärung des Falles von all seinen Freunden und Bekannten ausführen lässt, kommt man nur schwer mit, zumal die Aufklärung etwas abstrus ausfällt. Doch Giacomo macht das wenig aus, hat er sich vorher doch in einer riesigen Barololache suhlen und davon trinken können.

_Der beste Freund des Menschen_

Warum das Buch schließlich doch amüsant zu lesen ist, sind Carsten Sebastian Henns hündische Charaktere. Giacomo habe ich bereits im ersten Hundekrimi Kennen und Lieben gelernt, aber in diesem Buch wird er mir sogar noch sympathischer. Am besten gefiel mir sein Auftritt zum Ende des Buches hin, wo er seinen Gefährten klarmacht, dass er nur dann seine bekannte Spürnase hat, wenn er edlen Wein zu trinken bekommt. Und so machen die Hunde sich erstmal dran, Giacomo zu seinem geliebten Wein zu bringen, wo er sich dermaßen betrinkt, dass er mitten in seinen Planungen einschläft. Dennoch ersinnt er in weinseeliger Trunkenheit einen atemberaubenden Plan, der nur dann funktionieren kann, wenn halb Turin auf den Beinen ist. Am Ende schien es mir, als wäre selbst Giacomo überrascht davon, dass dieser hanebüchene Plan tatsächlich funktioniert. Eine besonders sympathische Seite ist vor allem seine Fürsorge, denn das Windspiel Niccolò trägt zwar einen Hundepullover aus Teddybärenfell, doch ist es so kalt, dass ihm trotzdem friert. Damit hat der fellige Giacomo keine Probleme und hält seinem kleinen Freund daher immer den wärmenden Platz in seinem Windschatten frei und kuschelt sich an das Windspiel, damit es nicht so frieren muss.

Aber auch Niccolò gewinnt neue Facetten hinzu, denn in diesem Buch wird er zunächst von Giacomo getrennt. Und um seinen Freund wiederzusehen, kehrt das italienische Windspiel sogar der sicheren Pflege bei Isabellas Bekanntem den Rücken und begibt sich auf die unsicheren Straßen Turins. Später traut sich selbst die harmoniebedürftige und verwöhnte Canini aus der Wohnung heraus, um ebenfalls nach ihren alten Gefährten zu suchen. Im ersten Buch hätte man dies der eingebildeten Hundedame sicherlich nicht zugetraut.

_Spürnasen auf vier Beinen_

Leider kann Carsten Sebastian Henn das hohe Niveau nicht über das ganze Buch halten. Nach spannendem Anfang verzettelt er sich in der zweiten Hälfte des Buches in zu vielen Charakteren, zu vielen Intrigen und zu vielen Handlungssträngen. Hier begeht er den gleichen Fehler wie schon in seinem ersten Hundekrimi, der mir auch stellenweise zu verworren war. Punkten kann Henn dagegen wieder einmal mit seinen Hundecharakteren – allen voran mit dem sympathischen Giacomo, der zu einem späteren Punkt im Buch Teile seines wärmenden Fells einbüßen muss und dann feststellt, dass er plötzlich viel besser gucken kann. Wenn sich Henn im nächsten Hundekrimi mal auf einige wenige Handlungsstränge und handelnde Figuren (also Menschen und Tiere) beschränkt, bin ich mir sicher, dass er damit einen ganz großen Wurf landen kann.

|Broschiert: 336 Seiten
ISBN-13: 978-3471300039|

Schreibe einen Kommentar