Henn, Carsten Sebastian – Tod und Trüffel

Spätestens seit dem tierisch guten Tierkrimi [„Glennkill“ 1583 oder dem Klassiker „Felidae“ sind uns Tiere als Krimi- und Romanhelden nicht mehr fremd. Was lag da näher, als den besten Freund des Menschen zum ermittelnden „Beamten“ zu erheben, und dies zudem noch in einer ausgesprochen idyllischen Gegend? Genau diese Idee hat Carsten Sebastian Henn mit seinem Hundekrimi aus dem Piemont in die Tat umgesetzt, doch die Messlatte liegt seit den liebenswerten schafigen Krimihelden ausgesprochen hoch …

_Die Spürnasen ermitteln_

Das [Italienische Windspiel]http://de.wikipedia.org/wiki/Italienisches__Windspiel Niccolò lebt bei einer Familie im beschaulichen Örtchen Rimella im Piemont. Doch eines Tages ist alles anders: Die Menschen sind verschwunden! Niccolò macht sich auf die Suche nach seinen Freunden und Bekannten und findet – nichts! Als er seine Hundefreundin Cinecitta schließlich doch noch entdeckt, stürzt über den beiden die Welt zusammen. Niccolò kann sich retten, doch Cinecitta wird verschüttet. In jenem Moment, in dem Niccolòs Welt buchstäblich zusammenbricht, tauchen Wölfe auf und jagen das junge Windspiel. Niccolò rennt um sein Leben und kann seine Verfolger schließlich abschütteln. Allerdings verirrt er sich dabei und findet den Weg nicht mehr zurück nach Rimella. Bald fällt ihm aber die Lösung ein: Er muss Giacomo finden, den legendären Trüffelhund, der mit seiner Spürnase praktisch alles findet. Also begibt Niccolò sich nach Alba, wo er Giacomo aufsucht.

Giacomo führt ein angenehmes Leben in Alba; zwar findet er nicht immer Leckereien zum Naschen, doch kennt er eine Weinhändlerin, die ihm abends den köstlichsten Wein bereitstellt, der tagsüber nicht ausgetrunken wurde. So schwelgt Giacomo oftmals in weinseligen Träumen, die ihm der edle Barolo beschert hat. Als das aufgeregte Windspiel bei ihm auftaucht, braucht es daher einige Überredungskunst, um Giacomo aus seinem Leben herauszureißen. Als er jedoch einen Menschen beißt und selbst verfolgt wird, verlässt er Alba freiwillig und begibt sich mit Niccolò zusammen nach Rimella.

Dort haben derweil die Wölfe die Stadt erobert. Nirgends ist ein Mensch zu finden, dafür vergrößern die Wölfe ihr städtisches Territorium. Über allem wacht der gefährliche Grarr, der nicht einmal vor Brudermord zurückschreckt. Aber die Leitwölfin Laetitia beginnt Grarr zu durchschauen. Sie sucht nach ihrem Geliebten Aurelius, den Bruder Grarrs, der dessen teuflischen Plänen zum Opfer fiel, doch das weiß Laetitia zunächst noch nicht.

Die Biologin Isabella hat gemeinsam mit ihrer verwöhnten Hündin Canini ihr Lager nahe Rimella aufgeschlagen, um die Wölfe zu beobachten und vor allem vor den fiesen Attacken Tarcisio Burgnichs zu bewahren. Als Niccolò ihr das Leben rettet und sie im Gegenzug das Gleiche für ihn tut, entdeckt das junge Windspiel die perfekte Verbindung zwischen sich und der Biologin: Er kann ihre Gedanken lesen, doch was er da entdeckt, gefällt ihm gar nicht, denn er möchte Rimella lieber wieder für sich, die Hunde und die Menschen haben, vor den Wölfen hat er schreckliche Angst. Wieso will Isabella diesen gefährlichen Tieren also helfen? Was er nicht ahnt, ist, dass Burgnich ganz eigene Pläne für das kleine Städtchen hat, und nicht alle Lebewesen haben Platz in seinen Plänen …

_Tierische Helden_

„Tod und Trüffel“ spricht schon auf den ersten Blick an. Das farbenfrohe Cover zieren die beiden Helden unserer Geschichte – der legendäre Trüffelhund Giacomo mit seiner verschrobenen Nase und das kleine, zierliche und etwas ängstliche Windspiel Niccolò. Im Hintergrund sehen wir noch Teile der Stadt Rimella, die ein großes Unglück ereilt hat. Im gleichen Maße, wie die Menschen verschwinden, breiten die Wölfe sich dort aus und sichern ihr Territorium gegen Mensch und Hund.

Das gefällt Niccolò natürlich überhaupt nicht. Unterstützt von Giacomo und seinen alten hündischen Freunden, die sich noch aus der Stadt retten konnten, sagen sie den Wölfen den Kampf an, erst recht, nachdem Niccolò erfährt, was aus seinem Herrchen geworden ist. Während Niccolò manchmal etwas verzagt ist, wirkt Giacomo mitunter etwas phlegmatisch, was durchaus auch am Genuss diverser Köstlichkeiten wie Trüffel und Wein liegen kann, die ihm die Sinne benebeln.

Carsten Sebastian Henn präsentiert uns hier tierisch gute Helden, wie man sie leider nur selten zu lesen bekommt. Obwohl es bis auf wenige Ausnahmen nur tierische Charaktere gibt, tragen sie doch alle allzu menschliche Züge. Da wäre das kleine Windspiel Niccolò, das alles verliert, aber trotzdem nicht aufgibt. Niccolò trottet durch die Lande, um den Trüffelhund zu finden, der ihm helfen kann, zurück in seine Heimat und zu seinen Menschen zu finden.

Niccolò mausert sich im Laufe der Geschichte zu einem mutigen Helden, der am Ende sogar eine ganze Hundemeute anführt, die Rimella zurückerobern will. Als er schließlich die perfekte Verbindung zu Isabella entdeckt, scheint fast alles makellos, wäre da nicht die überaus eifersüchtige und verzogene Hündin Canini, die Isabella natürlich für sich allein haben möchte. Auch diese Zickereien dürften aus dem wahren Leben nicht allzu unbekannt sein.

Ganz anders Giacomo, der in seinem Hundeleben schon einige harte Schicksalsschläge erleiden musste. Erst verliert er sein Herrchen, mit dem er immer die allerbesten Trüffel gefunden hat, um dann zu einem Herrchen zu kommen, das ihn misshandelt. Aber Giacomo lässt sich nicht unterkriegen und flüchtet in ein Leben ohne Menschen. Ihm reicht es schon, ab und an verschiedene Leckereien aufzutun und das Leben und all seine Vorzüge zu genießen. Hier treffen also die unterschiedlichsten Charaktere aufeinander, die man einfach auf Anhieb liebgewinnen muss.

Den Hunden gegenüber stehen die Wölfe, die natürlich deutlich gefährlicher und rücksichtsloser charakterisiert werden. Aber auch bei den Wölfen gibt es Ausnahmen, wie zum Beispiel den weisen Aurelius, der allerdings den Intrigen seines Bruders zum Opfer fällt, doch Laetitia will ihn rächen und Grarrs Herrschaft beenden. Auf sich allein gestellt, trotzt sie den Schergen Grarrs und findet Unterstützung durch ihren Sohn Vespasian, der nicht ahnt, dass Aurelius sein Vater war.

_Verstricktes_

Rimella hat ein großes Unglück ereilt, die Menschen sind verschwunden und die Wölfe haben Einzug in die Stadt genommen. Doch was ist eigentlich wirklich passiert? Was steckt hinter all dem? Das sind die Fragen, um die sich praktisch alles dreht, denn die Hunde der Stadt verstehen nicht, was vorgefallen ist und wohin ihre Menschen einfach verschwinden konnten, ohne sie mitzunehmen. Um zu verstehen, was vorgefallen ist, braucht es allerdings erst Isabella und ihr menschliches Gespür.

Carsten Sebastian Henn macht viele Baustellen auf, um die sich seine Romanhandlung dreht. Wir lernen die verschiedensten handelnden Figuren kennen und erfahren, was sie vorhaben, denken und planen. Allerdings dauert es arg lange, bis wir beginnen, hinter die Fassade zu schauen und zu verstehen, was vorgefallen ist. Mir persönlich waren es deutlich zu viele Handlungsstränge für das mit gut 300 Seiten doch recht schmale Büchlein.

So verfolgen nicht nur die jeweiligen Rassen ihre eigenen Pläne, sondern sie splitten sich auch untereinander auf. Die Hunde wollen nahezu geschlossen ihre alte Heimat zurückerobern. Isabella möchte die Wölfe retten, durchschaut allerdings noch nicht ganz Burgnichs Pläne. Am schlimmsten ist es bei den Wölfen, die völlig auseinanderdriften. Da ist einmal Grarr, der alle anderen Wölfe befehligt und stets begleitet wird von seinen schaurigen Schergen. Wie wir später erfahren, verfolgen diese allerdings ihre ganz eigenen Pläne. Sie alle hören aber auf die Mutter aller Wölfe, deren Stimme in einer Höhle zu ihnen spricht und sie an die Legende von Romulus und Remus erinnert. Laetitia will Grarr stürzen und die Wölfe zurück in den Wald locken. Vespasian, der zunächst ein treuer Gefährte Grarrs ist, hilft Laetitia später mehr und mehr. Aber auch Aurelius verfolgte bereits eigene Pläne.

Insgesamt ist das alles kaum zu durchschauen. So findet die Handlung an zu vielen Schauplätzen statt, wodurch man leicht den roten Faden zu verlieren droht. Sicherlich waren nicht alle Handlungsstränge notwendig, um eine spannende Geschichte zu stricken. Sinnvoller wäre es meiner Meinung nach gewesen, sich auf wenige Handlungsstränge zu beschränken und dafür viel früher Informationen einzustreuen, die den Leser auf die Fährte einer möglichen Lösung locken. Doch Henn tut dies leider nicht. Er verfolgt die verschiedenen Geschichten und verliert dabei aus den Augen, dem Leser mitzuteilen, was eigentlich in Rimella geschehen ist. Das mindert dann auch irgendwann die Spannung, weil man zwar mit den tierischen Charakteren mitfiebert, aber gar nicht mehr genau weiß, was eigentlich Sache ist.

_Tierisch gut?!_

Unter dem Strich gefällt „Tod und Trüffel“ trotzdem gut. Insbesondere die tierischen Charaktere überzeugen auf ganzer Linie. Mit den beiden sympathischen Hunden Niccolò und Giacomo steht und fällt alles, und da man sie richtig ins Herz geschlossen hat, funktioniert auch das Buch als Ganzes irgendwo. Inhaltlich wäre weniger aber durchaus mehr gewesen. Lesen lässt sich das Buch dennoch prima; die Sprache ist einfach, beschreibt die Situationen aber immer so treffend, dass man sich in die Szenen hineinversetzen kann. Der Roman macht neugierig auf weitere Hundekrimis, denn wie es mit unseren beiden Hundehelden weitergeht, möchte ich jetzt natürlich schon wissen!

|336 Seiten, gebunden|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc/

Schreibe einen Kommentar