Hennen, Bernhard – Alica und die Dunkle Königin

|Alica reist zum Rittergut ihrer Großeltern und damit mitten hinein in ein Fantasy-Märchen der etwas anderen Art: In dem Gemäuer treibt ein Geisterfalke sein Unwesen und Alica verliebt sich bald in einen jungen Husaren, der ihr im Spiegel erscheint. Und dann taucht auch noch der Heinzelmann Wallerich auf, von Köln in die Eifel strafversetzt, um den Falken mit Magie, modernster Technik und Alicas Hilfe nach ‚Nebenan‘ zu bringen – der Welt der Fabelwesen. Auf dem Rücken der Möwe Schnapper stürzen sich die beiden ins Abenteuer und rufen damit die Dunkle Königin hinter den Spiegeln auf den Plan.|

Bernhard Hennen ist den Fantasy- und Phantastiklesern längst ein Begriff. Nun hatte ich bisher nur Texte für Erwachsene von ihm gelesen und „Alica und die Dunkle Königin“ war mein erstes |Jugend|fantasybuch des Autors. Die Atmosphäre, die den Seiten entströmt, ist märchenhaft, oftmals mit einer gehörigen Prise Humor gewürzt und merklich auf die Zielgruppe ausgerichtet. Besonders jugendliche Leser|innen| werden sicher ihre wahre Freude an dem Titel haben.

Angesiedelt ist die Rahmenhandlung in der Eifel: ein Spuk, der sich um das Herrenhaus Greifenstein rankt, das Alica Bäuers Großeltern gehört und auf das sie geschickt wird. Der Beginn des Romans liest sich beschaulich, eher herkömmlich und mit einer gewissen Antriebsschwäche – aber schon bald entwickelt sich die Handlung in eine spannend-romantische Richtung und nimmt an Tempo zu, denn Alica gerät in eine wahre Welt der Fabelwesen.

Da ist Wallerich, der Heinzelmann, der Alica, die wegen familiärer Probleme bei ihren Großeltern weilt, einen Ring gibt, der es ihr ermöglicht, Märchenfiguren wie Feen und andere Geschöpfe zu sehen. Von Wallerich erfährt sie auch, dass diese für alle unsichtbar sind, die den Glauben an das Wunderbare verloren haben.

Und eben jene Wesen und deren besondere Welt und Eigenarten, die Bernhard Hennen liebevoll in Szene setzt, machen den Reiz dieses Buches aus, seien es Wallerichs „Spionagetechnik“ – natürlich ist wie er sein Computerraum ebenfalls in Heinzelmanngröße (seit Wallerichs Auftauchen steckt Alica mitten in einer „Heinzelmännergeheimdienstoperation“) – oder Schnappers Flugkünste. Jene Möwe, auf deren Rücken sich Wallerich und Alica, die dank des Zauberrings ihre Größe verändern kann und dann ebenfalls auf Wallerich-Maße schrumpft, durch die Lüfte bewegen – hinein in eine Wirklichkeit gewordene Märchenwelt. Alica erfährt von Trollsöldnern, die nicht so leicht in Großstädten wie Köln einzusetzen sind, weil sie dann immer „die halbe Zeit vor dem Fernseher hocken und sich Actionfilme ansehen, weil sie auf Prügeleien und Autocrashs stehen“, begegnet einer waschechten Hexe und hört mit Erstaunen, dass selbst Zauber ein Verfallsdatum haben, weil „normale Gebrauchszauberei“ irgendwann nicht mehr wirksam ist, sich Saucenbinder besser als anderes zum Binden von verschiedenen Zaubern eignet, man die Sprache aller Tier versteht, wenn man die Schwanzspitze einer weißen Schlange isst … und vieles mehr.

Doch richtig phantastisch wird es, als Alica den Zauberspiegel im Bad entdeckt, durch den man nach „Nebenan“ gelangt – was sie dann auch mutig vollbringt. Dort hört sie von der Dunklen Königin, Arduinna Silva, der Göttin der dunklen Wälder und der Jagd – geheimnisvoll und unbarmherzig -, die im Laufe der Jahre zur Dunklen Königin wurde und um die sich die Sage rankt, dass „wer sie erblickt, des Todes ist“.

Alica begegnet „General Lollejan“, dem Oberbefehlshaber aller Kobolde, Soldat „Knochenheiß“, „Buddel“, dem Reithasen, „Kleereißer“, dem Feigling, der, sobald er einen Schuss hört, auf und davon hoppelt und darüber hinaus zu blöd ist, um Erbsen und Hasenköttel zu unterscheiden, Kobolden, die Nussschalen als Sturzhelme tragen und vielen weiteren wundersamen Gestalten. So auch dem Geist der Freifrau Magdalena von Greifenstein, die nicht eher ruhen kann, bis sie Gewissheit darüber hat, warum ihr Verlobter Johannes Reisigendorf von einer Reise nach Cöln nie zu ihr zurückkehrte, und die Alica davor warnt, sich zu sehr zu verlieben, weil es das Leben zerstören kann. Doch genau dieses allumfassende Gefühl befällt Alica, als sie einem „Reiter in stürmischer Nacht“ begegnet – dem Husarenjungen Francois Ibrahim de la Croix, der sich ebenso in sie verliebt, wie sie sich in ihn … Mehr sei an dieser Stelle nicht über den weiteren Verlauf der Handlung verraten!

Die Mixtur von „Alica und die Dunkle Königin“ ist eine geschickte Verknüpfung historischer Ereignisse und Fantasyelemente – selbst die erste Liebe wird hier einmal anders eingebettet – und entführt den Leser auch in eine Handlung im Jahre 1812. Und genau diese Mischung macht den Reiz aus. Es sind die liebevollen ‚Kleinigkeiten‘, die in die Story einfließen und die sie letztendlich zu Leben erwecken; sei es der „Orden der Goldenen Haselnuss“ oder das „Altenheim für irregeleitete Kobolde“, um nur zwei zu nennen.

So viel zum Text des Buches, komme ich zur Aufmachung, die wie immer bei |Ueberreuter| souverän und ansprechend ist, das Papier bestens, Layout und Schriftgröße sehr augenfreundlich sind – einzig das Lektorat ist nicht optimal und hätte etwas sorgfältiger sein dürfen. Besonders negativ ins Auge stachen die „ganz“-Kombinationen, die sich durch den gesamten Text ziehen und auf die ein guter Romantext im Gros verzichten sollte: ganz unverhohlen, ganz verzweifelt, ganz kalte Hände, ganz zufrieden, ganz offensichtlich, ganz übel, ganz frisch … etc pp. Aber auch stilistische Stolpersteine wie „Sie wirkten wirklich ergriffen“, die aber eher die Seltenheit waren.

Das ist aber auch das einzige (kleine) Manko dieses Bandes, der jedem empfohlen werden kann, der Jugendliche zu beschenken hat oder sich selbst ein märchenhaftes Lesevergnügen bereiten will – ein humorvolles, märchenhaftes Fantasyabenteuer für Jung und Alt.

|Titelillustration Jill Baumann
Titelgestaltung von Nele Schütz Design, München
323 Seiten, Hardcover|

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