Hennen, Bernhard – Elfen, Die

Nach etlichen Sagen, zahlreichen Trilogien und etlichen Single-Romanen hat sich Stan Nichols vor nicht allzu langer Zeit ein Herz gefasst und in seinem Buch „Die Orks“ eines der bekanntesten Fantasy-Völker im Rahmen einer spannenden Geschichte näher unter die Lupe genommen. Der Erfolg seines Romans inspirierte schließlich auch andere Schriftsteller zu einer ähnlichen Vorgehensweise; so zum Beispiel auch Markus Heitz, der sich seit 2003 in seinen Zwergen-Romanen eines weiteren viel zitierten Volkes annahm. In seine Fußstapfen ist Ende 2004 mit Bernhard Hennen ein weiterer deutscher Autor getreten, der die Erfolgsspur seiner Vorgänger aufnahm und die Gemeinschaft der Elfen näher beleuchtete. Der erste Band seiner Reihe hört demzufolge auch schlicht und einfach auf den Namen „Die Elfen“ und erzählt die Geschichte eines Menschen, der sich plötzlich in der Welt der Elfen wiederfindet und mit ihnen im Bunde gegen die Auswüchse einer dämonischen Kreatur kämpft.

_Story_

Inmitten eines eiskalten Winters zieht Mandred Torgridson aus dem Land am Fjord aus, um eine grausame Bestie zu jagen. Das Wesen, halb Mensch, halb Eber, treibt schon seit geraumer Zeit sein Unwesen in der Nähe eines kleinen Dorfes, so dass die Bevölkerung sich gezwungen sieht, etwas zu unternehmen. Doch das Untier kann die Jäger überraschen und bringt bis auf Mandrded alle Feinde auf. Schwer verwundet kann er zu einem Steinkreis fliehen, doch die Kälte und sein angeschlagenes Wohlbefinden werfen ihn schließlich in die Bewusstlosigkeit und, so glaubt Mandred, in den sicheren Tod.

Doch der Nordmann wird eines Besseren belehrt, als er unerwartet in einer völlig fremden Umgebung wieder erwacht. Mandred ist im Land der Elfen gelandet und trägt ihrer Königin seine Geschichte vor. Doch dort wird er von dem arg reservierten Volk erst einmal abgewiesen. Erst nach und nach kann er seine neuen Freunde davon überzeugen, die grausame Bestie aufzusuchen und zu erledigen. Schließlich werden ihm der heroische Farodin und der verträumte Nuramon zur Seite gestellt, mit deren Hilfe die Elfenjagd beginnen soll. Die beiden Elfen befinden sich allerdings selber noch in einem Konflikt: Beide sind sie in die wunderschöne Noroelle verliebt, doch die Elfendame will das Schicksal entscheiden lassen, welcher ihrer Verehrer am Ende ihre Liebe erfahren wird.

Doch Farodin und Nuramon beschäftigen schon sehr bald andere Gedanken; das Biest hat sie in eine Falle gelockt, in der sie zusammen mit ihrem menschlichen Freund jahrelang gefangen gehalten werden. Beim entscheidenden Kampf hat sich der übermächtige Gegner schließlich auch als Dämon einer längst vergessenen Zeit entpuppt, dessen besondere Eigenschaft es ist, sich in andere, real existierende Personen zu verwandeln. So nimmt der Dämon die Gestalt des Nuramon an und genießt als dieser die Gunst von Noroelle, die nichts von der erneuten List der Bestie ahnt.

Die Elfenkönigin indes akzeptiert das aus dieser Liaison entstammende Baby nicht und will es töten lassen, was Noroelle ihr jedoch verweigert. Zum eigenen Schutz wird es in der Welt der Menschen versteckt und wächst dort zu einer der bedeutendsten Personen überhaupt heran. Noroelle hingegen wird wegen ihres Protestes gegen die herrschaftlichen Anweisungen in eine gänzlich andere Welt verbannt, aus der es kein Zurück mehr gibt.

Farodin, Nuramon und Mandred jedoch haben den Glauben daran, Noroelle noch zu retten, nicht aufgegeben. Erneut machen sie sich als Gefährten auf, um die liebreizende Dame aus ihrem Exil zu befreien.

Derweil rüsten die Menschen zum Krieg gegen die Elfen. Der Tod ihres Helden, Noroelles Sohn, hat sie angestachelt, und verbündet mit den Trollen, die den Elfen stets unterlegen waren, rufen sie den heiligen Krieg aus …

_Meine Meinung_

Zwischen reichlich ‚regulärer‘ Arbeit hat es in den vorangegangenen vier Tagen bei mir keine andere Beschäftigung gegeben als das Durchwälzen dieses mit 900 Seiten enorm umfangreichen Fantasy-Romans. Viel hatte ich schon von Bernhard Hennen gehört, eigentlich nur überaus Positives, und trotzdem hat mich dieses spannende, gleichzeitig aber auch sehr bewegende Buch überrascht. Dass „Die Elfen“ nämlich derart fesseln würde, hatte ich mir nicht ausgemalt, und vor allem nicht, dass ich die Geschichte in so kurzer Zeit verschlingen würde.

Der Autor setzt im Verbund mit seinem Kollegen James Sullivan in diesem Roman vielfach Glanzpunkte, indem er die immer wieder bemühten Klischees im Hinblick auf die Charaktereigenschaften – starrsinnige Menschen, stolze und edle Elfen, hinterlistige Trolle – durch weitere Facetten wie Trauer, Melancholie und authentische Hoffnungslosigkeit erweitert und diese sehr umfassend beschreibt. Es mag sicher nicht jedermanns Sache sein, Personen über eine Unzahl von Seiten auch nur entfernt kennen zu lernen, geschweige denn die Darstellungen der verschiedenen Handlungsschauplätze über einen ziemlich großen Raum verteilt in sich aufzusaugen, doch genau hierin liegt eine der besonderen Stärken des Autorenteams. Es lässt sich die nötige Zeit, hat aber auch die erforderliche Ruhe weg, was zur Folge hat, dass es trotz hinlänglicher Charakter- und Landschaftsmalereien beständig sehr nahe an der eigentlichen Handlung bleibt. Trotz des offenkundigen Detailreichtums, und vor allem trotz des Umfangs von 900 Seiten ist das Erzähltempo von vornherein recht hoch. Lediglich der Zugang zum Sprachgebrauch ist zu Beginn noch schwierig, weil Hennen gerne mal ellenlange Satzmonster kreiert. Aber dies ist eine Eigenheit, die uns durch die gesamte Geschichte begleitet und nach einmaliger Einarbeitungszeit auch nicht mehr auffällt – weder positiv noch negativ.

Die Erzählung selber ist ein gewaltiges Epos mit unheimlich vielen Stimmungswechseln, was dem Roman bisweilen auch einen sehr düsteren Beigeschmack verleiht, dessen er sich nach einer Weile auch nicht mehr entledigen kann. Der heiteren Aufbruchstimmung der drei Hauptfiguren folgen zahlreiche tragische Ereignisse, weitere niederschlagende Begebenheiten und letztendlich auch ein tränenreiches Ende, bei dem der Leser gern versuchen darf, seine Gefühle gut im Zaum zu halten. Das Einzige, was man den beiden Autoren vorwerfen kann, ist der manchmal fehlende Überraschungseffekt. Es gibt viele Punkte, an denen die Story eine deutliche Wende nimmt, und oft ist es dann so, dass man schon im Vorfeld eine Ahnung davon hat, in welche Richtung das Ganze fortgesetzt wird. Andererseits entspricht diese Richtung dann eigentlich auch immer dem Wunsch des Lesers, soll heißen, es geschehen im Laufe des Buches mehrfach Dinge, die man sich insgeheim auch erhofft hat.

Insgesamt handelt es sich bei den wenigen Kritikpunkten, die man der Handlung anlasten darf, aber ausschließlich um minimale Schönheitsfehler, die schon fast wie Erbsenzählerei anmuten. Hennen und Sullivan haben uns nämlich schon sehr zügig in die Welt der Elfen entführt und ein völlig neues Fantasy-Universum eröffnet, in dem man irgendwann selber keine Kritik von außen mehr vertragen möchte. Alles wirkt so stimmig und erhaben, dass man sich von Anfang an für die Zeitdauer der Lektüre von der Realität abwenden kann und die Umgebung um sich herum komplett vergisst. Für meinen Geschmack ist dies genau der Effekt, den ein guter Fantasy-Roman erreichen sollte, und somit auch das erstrangige Qualitätsmerkmal einer solchen Geschichte. Nun ist „Die Elfen“ aber nicht nur gut, sondern schlichtweg genial und den erfolgsverwöhnten Romanen von Markus Heitz definitiv ebenbürtig. „Die Elfen“ ist jedoch nur der Anfang, denn neben mir liegt schon der nächste Roman um das edle Geblüt, und bevor ich mich jetzt bezüglich dieser faszinierenden Geschichte noch wiederhole, atme ich noch einmal tief durch und stürze mich sofort in das nächste Abenteuer aus dem Land der Elfen mit dem Titel [„Elfenwinter“. 2185 Und während ich Luft hole, suche ich dann auch noch mal nach weiteren Superlativen, die diesem monumentalen Epos gerecht werden …