Herbert,Frank / Herbert, Brian / Anderson, Kevin J. – Träume vom Wüstenplaneten

_Ein geplündertes Grab oder mehr?_

„Träume vom Wüstenplaneten“ versammelt u. a. aus dem ersten Roman „Der Wüstenplanet“ herausgenommene Kapitel, aber noch vieles mehr: Den Anfang macht ein völlig anderer „“Dune““-Roman, den Brian Herbert und Kevin Anderson anhand von Frank Herberts Storyline schrieben – nur 230 Seiten, aber sehr interessant. Den Schluss bilden vier ihrer Kurzgeschichten aus dem „Dune“-Universum, von denen drei im „Legenden“-Zyklus spielen (siehe Werkverzeichnis).

_Die Autoren:_

1.) Frank Herbert (1920-1986) wuchs im Nordwesten der USA auf, arbeitete als Reporter und Wahlkampfhelfer, bevor und während er ab 1952 seine ersten SF-Storys veröffentlichte, denen 1956 der erste Roman „Dragon in the Sea“ folgte. 1963 -1965 wurden seine Storys um den Wüstenplaneten Arrakis in „Astounding“ publiziert, doch um seinen daraus aufgebauten Roman „Der Wüstenplanet“ unterzubringen, musste Herbert erst 20 Ablehnungen kassieren, bevor es ihm 1965 gelang, den Verlag Chilton Book Co. zu gewinnen, der mehr für seine Autoreparaturratgeber bekannt war. Die „“Dune““-Saga umfasste schließlich sechs Romane aus Frank Herberts Schreibfabrik, von denen die ersten drei verfilmt worden sind. Herbert schrieb neben 20 anderen SF-Romanen auch einen interessanten Non-SF-Roman namens „Soul Catcher“, der noch nicht übersetzt worden ist.

Die „Dune“-Saga:

1) Der Wüstenplanet (1965)
2) Der Herr des Wüstenplaneten (1969)
3) Die Kinder des Wüstenplaneten (1976)
4) Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (1981)
5) Die Ketzer des Wüstenplaneten (1984)
6) Die Ordensburg des Wüstenplaneten (1985)

2.) Brian Herbert, geboren 1947, ist der einzige Nachkomme Frank Herberts, der das Schriftstellergen geerbt hat. Mit seinem Vater schrieb Brian 1986 den SF-Roman „Mann zweier Welten“. Seine Biografie „Dreamer of „Dune““ (2003) ist sehr lesenswert und nicht nur wegen der Bibliografie seines Vaters ein Geheimtipp. Ergänzt wird sie durch die HUGO-nominierte Monografie von „The Notebooks of Frank Herbert’s „Dune““, die er 1988 herausgab. Brian Herbert hat einen Zyklus zu veröffentlichen begonnen, der mit dem Roman „Timeweb“ startet.

Er fragte Kevin J. Anderson, ob dieser an einer „“Dune““-Vorgeschichte mitarbeiten wollen. Anderson, selbst Autor von über 15 Millionen verkauften Büchern („Akte X“, „Star Wars“ u. v. a.), sagte geehrt und begeistert zu.

3.) Kevin J. Anderson, geboren 1962, veröffentlichte 1982 seine erste Kurzgeschichte. Bis 1992 hatte er über 100 Beiträge für Magazine geschrieben, denn Anderson kommt aus der Technik. Sein erster Roman „Resurrection Inc.“ erschien 1988 und enthielt Horrorelemente, danach folgte eine Trilogie um „Gamearth“ (1989/90). Danach folgten „Lifeline“ (1990) und „The Trinity Paradox“ (1991), beide zusammen mit Doug Beason. Anderson ist ein äußerst effizient arbeitender Autor. Das zeigt sich auch an seinem Ausstoß an „Star Wars“-Romanen für Jugendliche sowie an „Akte X“-Romanen (15 Mio. Exemplare gibt Heyne an). Zuletzt erschien ab 2002 sein neuer Zyklus „Die Saga der sieben Sonnen“, von dem die ersten Romane bei Heyne erschienen sind. Mehr Infos dazu finden Sie unter [www.wordfire.com]http://www.wordfire.com.

Das Ergebnis der Kooperation war zunächst die Trilogie der „Frühen Chroniken“ des Wüstenplaneten, die aus folgenden Bänden besteht:

1) Das Haus Atreides
2) Das Haus Harkonnen
3) Das Haus Corrino

Mittlerweile ist die zweite Trilogie „Der Wüstenplanet: Die Legende“ abgeschlossen. Sie besteht aus folgenden Bänden:

1) Butlers Djihad (The Butlerian Djihad)
2) Der Kreuzzug (The Machine Crusade)
3) Die Schlacht um Corrin (The Battle of Corrin)

Ein weiterer Band namens „Träume vom Wüstenplaneten“ ist 2005 erscheinen und wird hier besprochen. Er bildet ein Zwischenspiel, bevor Herbert & Anderson den zentralen „“Dune““-Zyklus fortführen, denn …

7) Die Jäger des Wüstenplaneten (2006, dt. 2007)
8) Die Erlöser des Wüstenplaneten (2007, dt. 2008)

… schließen den ersten „Dune“-Zyklus so ab, wie Frank Herbert es vorsah, bevor ein unzeitiger Tod ihn am Weiterschreiben hinderte. Die Teile 7 und 8 bilden eine Art Doppelroman, der zusammengehört, aber aus Platzgründen gesplittet werden musste, denn ein Roman von 1300 Seiten ist absolut unverkäuflich (es sei denn, man hieße Tolkien).

Weitere Romane: „Paul Atreides“, „Lady Jessica“.

_Handlung von „Der Gewürzplanet – Der andere „Dune“-Roman“:_

Der Imperator Wuda befiehlt den Edelmann Jesse Linkam (= Herzog Leto Atreides) zu sich auf die Zentralwelt Renaissance, auf dass dort über das Anliegen der Adelshäuser entschieden werde, an dem einträglichen Abbau von und Handel mit dem Spice Melange teilzuhaben. Darauf nämlich hat das Haus Hoskanner unter seinem Lord Valdemar (= Vladimir Harkonnen) ein vom Kaiser verliehenes Monopol, wofür der Kaiser eine hohe Gebühr erhebt. Lord Valdemar bietet Jesse Linkam einen trügerischen Kompromiss an: Linkam darf für zwei Jahre das Spice abbauen, und wenn es ihm gelingt, binnen zwei Jahren die Spice-Produktion der Hoskanner zu übertreffen, darf er Arrakis behalten. Jesse ahnt zwar den Betrug, doch der Imperator zwingt ihn, sich auf das Angebot einzulassen.

Als Linkam mit seiner Konkubine und Managerin Dorothy Mapes (= Lady Jessica) und seinem achtjährigen Sohn Barri (= Paul Atreides) auf der Dünenwelt (= Arrakis) eintrifft, erweist sich schnell, dass die Hoskanner hier eine Todesfalle aufgebaut haben, in denen der Adlige und seine Leute umkommen sollen. Nicht nur sind die ausbedungenen Spice-Abbaugeräte praktisch schrottreif, es gibt auch eine Reihe Fallen und Saboteure. Noch ahnt Jesse nicht, dass sich auch ein Verräter in seiner Truppe befindet. Auch die lebenswichtigen Wettersatelliten fallen aus. Als deswegen Linkams Leute einen Coriolis-Sturm fast übersehen, kommen um ein Haar eine Menge Arbeiter um.

Doch der planetarische Ökologe Dr. Haynes (= Pardot oder Liet Kynes) hilft Linkam ebenso wie der Spice-Ingenieur William English. Mit diesen Vertrauten verbringen Linkam und Barri einen Tag auf einer Forschungsstation am fernen Äquator. Die Sandwürmer stellen eine ständige Gefahr dar. Dorothy, die keine Bene Gesserit ist, aber über eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe verfügt, macht sich Sorgen um ihren Geliebten, aber noch mehr um Barri, ihr einziges Kind.

Nachdem aufgrund von Sabotage der Flieger (ein „Ornijet“) Linkam in einem Sturm hat notlanden müssen, glaubt man den Edelmann und seine Begleiter in der tiefen Wüste verschollen. Dorothy macht sich Vorwürfe, denn alles scheint nun zu enden. Doch Linkam, Barri und English sind nicht tot, sondern machen sich auf den Weg zum nächsten Forschungsposten – mitten durch alle Gefahren, die die Dünenwelt zu bieten hat …

_Mein Eindruck:_

Dieser Roman mutet an wie eines der zweitklassigen Planetenabenteuer, wie sie Jack Vance in großer Fülle produziert hat. Er hat auch erstklassige SF-Romane geschrieben, aber von dieser Klasse ist „Spice Planet“ weit entfernt. Ich dachte zunächst eine Kurzgeschichte zu lesen, weil hierbei der Schwerpunkt auf der Action liegt und nicht auf dem Hintergrund und dem Schauplatz. In diesem Ton ging es auch weiter, und weiter, und weiter. Bis auf einmal ein Roman in zwei Teilen erzählt war, aber so rudimentär, dass es auch eine ausgewalzte Kurzgeschichte sein könnte. Das einzige Element, das „Gewürzplanet“ von anderen 08/15-Romanen der fünfziger und frühen sechziger Jahre unterscheidet, ist der ungewöhnliche Schauplatz: Dünenwelt.

Die Story verläuft völlig anders als im wohlbekannten Klassiker, doch es gibt auch Parallelen. Barri beispielsweise hat überhaupt keine Bedeutung (außer als bedrohte Geisel des Imperators), wohingegen Linkams Konkubine Dorothy eine recht zentrale Rolle spielt: Sie führt nicht nur Linkams Geschäfte, sondern spürt auch den Verräter in Linkams Haushalt auf. Mit dem Imperator und Linkams Konkurrenten Hoskanner treten zwei Oberschurken auf, die im zweiten Teil des Romans für einen spannungsreichen Höhepunkt sorgen. Das Schicksal des bekannten Universums hängt – in Gestalt des Gewürzplaneten – an einem seidenen Faden. Mehr sei nicht verraten. So wie Paul Atreides dem Imperator Shaddam IV. entgegentritt, so bietet Linkam dem obersten Herrscher Paroli. Wer das Gewürz kontrolliert, hat einen sehr langen Hebel …

Die wichtigste offensichtlichste Parallele besteht denn auch in dem Gewürzplaneten selbst. Nicht nur wird dort der wichtigste Rohstoff des Universums abgebaut, sondern es gibt dort auch eine in sich geschlossene und komplex gezeichnete Ökologie, die den Sandwurm und seine verschiedenen Formen ins Zentrum stellt. Unter den anderen Formen ist zunächst die Sandforelle zu verstehen, aber auch – und das ist neu und verblüffend – Gewürz-Pflanzen, die rasch in die Höhe wachsen, um aus dem unterirdischen Höhlensystem Gewürz-Sporen an die Oberfläche zu befördern, wo aus Sporen und verdorrten Pflanzenresten die begehrte Melange entsteht. Nun ja, das muss man nicht für wahrscheinlich oder plausibel halten, denn es ist ja fremdweltlerisch. Der planetare Ökologe Dr. Haynes jedenfalls ist gebührend fasziniert, als Jesse Linkam von seinem unfreiwilligen Ausflug in die Unterwelt des Gewürzplaneten berichtet.

Wer also keine großen Ansprüche an einen SF-Roman stellt, der wird von „Gewürzplanet“ gut unterhalten. Mich ärgert nur, dass das Buch größtenteils so schlecht geschrieben wurde. Der negative Eindruck wird ein wenig erträglicher, wenn man berücksichtigt, dass die Autoren keine Eulen nach Athen tragen wollten und auf das panoramamäßige Malen eines eh schon bekannten kulturellen Hintergrundes aus dem „Dune“-Universum vollständig verzichtet haben.

Ihre Grundlage war eine Storyline von Frank Herbert selbst, aber auch das mit dem Leser geteilte Wissen um dieses „Dune“-Universum. Sie erfanden keine Bene Gesserit, denn diese ergänzt der „Dune“-Fan automatisch, um sich selbst zu erklären, woher Dorothy (= Lady Jessica) ihre besonderen Fähigkeiten erhalten hat. Und General Tuek hat so viele Züge des Krieger-Mentaten Thufir Hawat (inklusive Spuren des Sapho-Saftes), dass es nicht schwer ist, die beiden miteinander zu identifizieren.

Das größte Manko liegt also im völligen Fehlen der Rolle eines Messias‘, wie Paul Atreides es wird. Einen Messias einzubauen, hätte den Roman „Gewürzplanet“ jedoch komplett auf den Kopf gestellt – und dann wäre „Der Wüstenplanet“ daraus geworden.

|Herberts Muse|

Alle Teile dieses Buches sind mit Einleitungen der beiden Autoren versehen, so dass man die Bedeutung der Abschnitte in das Werk des großen Meisters erfassen kann. Daraus geht hervor, dass Beverly Herbert zumindest geistig und intellektuell die Co-Autorin der Romane ihres Mannes war. Auf sie gehen die Bene Gesserit zurück und sie ist in Lady Jessica verewigt worden. Als sie ihre zweite Krebserkrankung hatte, schrieb Herbert den Seuchenroman „Die weiße Pest“. Mehr zu ihrem engen Verhältnis findet sich in „Dreamer of „Dune““ von Brian Herbert.

_“Der Weg zum Wüstenplaneten“:_

Der zweite Abschnitt des Buches führt den Leser mit verbindenden Anmerkungen durch die Entstehung des Romans „Der Wüstenplanet“. Die erste Phase fand bereits 1957 statt, als Frank Herbert einen Artikel mit dem Titel „Sie haben den Wandersand zum Stillstand gebracht“ über seinen Agenten unterbringen wollte. Allerdings hatte Lurton Blassingame eine Menge berechtigter Einwände, so dass von dem Projekt lediglich ein Brief und ein Angebot übrigblieben. Aber dies war für den Autor der Anstoß, sich noch weiter mit der Wüste, dem Islam und der arabischen Kultur zu befassen.

Dann konnte Blassingame eine „Dune“-Story nach der anderen beim wichtigsten Herausgeber eines SF-Magazins unterbringen: bei John W. Campbell jr, der selbst Schriftsteller war. Aus drei Erzählungen, die zwischen 1963 und 1965 in „Astounding“ erschienen, erstellte der Autor einen Roman, der mehr als doppelt so lang war wie das übliche SF-Buch zu jener Zeit: 200.000 Wörter. Es dauerte zwei Jahre, das Buch unterzubringen, bis schließlich ein anderer Schriftsteller, der als Lektor bei Chilton Books arbeitete, zuschlug: Sterling Lanier. Sein SF-Roman „Hieros Reise“ ist ein Klassiker.

Als „Der Wüstenplanet“ die zwei wichtigsten SF-Preise einheimste, arbeitete Herbert schon an der Fortsetzung. Doch „Dune Messiah“ („Der Herr des Wüstenplaneten“) wurde von Campbell vehement abgelehnt, weil es einen Antihelden als Hauptfigur hat. Dafür schlug nun „Galaxy“ zu, und die Buchausgaben waren bald ebenfalls unter Vertrag. „Children of Dune“ („Die Kinder des Wüstenplaneten“) sollte die Trilogie 1976 abrunden. Etwas ulkig fand ich, dass eine Reihe von Kritikern Herbert mit Edgar Rice Burroughs verglichen, der bei uns weniger für seine „Mars“-Romane als vielmehr für seine Figur Tarzan bekannt ist. Es hagelte auch negative Kritik.

Was ich an diesem Abschnitt am interessantesten fand, waren die Zitate, in denen der Autor über seine Inspirationen, seine Arbeitstechnik („Kameraperspektive“) und seine musikalische Kompositionstechnik erzählte. Kurios ist seine Methode, Figuren zu erfinden und sie in Beziehungen zu anderen zu setzen: Er erwähnt ein jungsches Mandala, wobei natürlich von Carl Gustav Jung die Rede ist. Und wenn es um Heldenfiguren geht, dürfte Herbert auch an Joseph Campbell klassische Studie „The hero of a thousand faces“ gedacht haben, erwähnt dies aber nicht.

Dieser Abschnitt ist nur für Fans und Literaturhistoriker interessant.

_Aus „Der Wüstenplanet“ und „Der Herr des Wüstenplaneten“ gestrichene Kapitel:_

Die aus „Der Wüstenplanet“ gestrichenen oder nie darin aufgenommenen Kapitel konzentrieren sich in auffälliger Weise auf den Beginn des Romans. Hier führt Paul Atreides eine Reihe von Gesprächen mit der Bene-Gesserit-Oberin Gaius Helen Mohiam. Die Kürzungen sind eine Reaktion auf die in den Briefen von Verlagslektoren gestellte Forderung, den Anfang des Romans nicht zu lange werden zu lassen. Interessant ist besonders ein langes „neues“ Kapitel, das Paul und Lady Jessica in einem Labor des planetaren Ökologen Liet Kynes zeigt. Hier wird nicht nur nach den Grundlagen der Spice Melange geforscht. Und wie es aussieht, gibt es in Kynes‘ Gruppe einen Spion der Harkonnen ….

Zwei Hauptpersonen spielen in den gekürzten bzw. gestrichenen Kapiteln zu „Der Herr des Wüstenplaneten“ eine Hauptrolle: Alia und ihr Bruder, der Prophet-Imperator Paul Muad’Dib Atreides. Alia, die mit einem Klon (ghola) des Schwertmeisters Duncan Idaho verheiratet ist, überführt einen mächtigen Gildennavigator(!) des Verrats: Der Angriff, den er angestiftet hat, schlägt fehl. Sie vergilt ihm dies mit einer üblen Maßnahme: Sie entzieht ihm das Spice-Gas, das er zum Leben braucht. Auch die beiden Bene-Gesserit-Schwestern Prinzessin Irulan und Gaius Helen Mohiam kommen nicht gut weg: Die Nachricht vom Tod des Propheten Muad’Dib löst einen Fremen-Aufstand aus, der zum Lynchmord an den drei genannten Herrschaften führt.

Einer der ärgerlichen Fehler von „Der Herr des Wüstenplaneten“ ist die fehlende Szene, in der uns der Tod oder wenigstens das Verschwinden des Propheten Paul Muad’Dib Atreides geschildert wird. Endlich können wir diese Szene nachlesen, und zwar als alternativen Schluss zu „Der Herr des Wüstenplaneten“. Es ist ein sehr stimmungsvolles und schönes Kapitel, das ich gerne im veröffentlichten Roman gesehen hätte. Vielleicht werden wir es in „Paul Atreides“ nachlesen können, das nächstes Jahr bei Heyne erscheinen soll.

_Die Erzählungen:_

|1) „Das Flüstern der Meere Caladans” (1999)|

Man schreibt das Jahr 10.191 der Raumgilde. Der Angriff der Harkonnen auf Arrakeen, die Zitadelle der Atreiden, ist in vollem Gange. Der Verräter Wellington Yueh hat den schützenden Störschild deaktiviert, und die Festung ist dem Angriff der Harkonnen-Truppen, dem Kanonenbeschuss schutzlos preisgegeben. Gurney Halleck, der Schlachtenführer, hat die herzoglichen Soldaten in den Verteidigungskampf geführt.

Doch dabei ist eine kleine Gruppe, die Vorräte schützen und von der Flanke Deckung geben sollte, in einer Felshöhle des Schildwalls durch einen Steinschlag vom Rest der Verteidiger abgeschnitten worden. Nun sitzt hier etwa ein halbes Dutzend Soldaten fest. Mit Hoh Vitt haben sie einen Meistergeschichtenerzähler vom Planeten Jongleur in ihrer Mitte. Mit seinen Geschichten schafft er es immer wieder, dass die Soldaten nicht die Nerven oder den Mut verlieren. Denn leider trennen drei Meter solider Fels sie von der Außenwelt. Sie sind sicher – aber auch verloren. Und der junge verletzte Elto Vitt, der Neffe des Erzählers, erinnert sich voll Sehnsucht an das Flüstern der Meere von Caladan.

Man munkelt, dass manche der Jongleur-Erzähler auch über magische Kräfte verfügen, und als nun Hoh Vitt in der letzten Stunde, als den Menschen der Sauerstoff ausgeht, von Caladan erzählt, erweisen sich die Gerüchte als begründet. Später dringen Fremen-Plünderer in die Höhle ein und wundern sich über den Ausdruck der Freude auf den Gesichtern der Toten. Als sie auch die Lungen öffnen, um ihr Wasser zu nehmen, beschließen sie allerdings, die Höhle sofort wieder zu verschließen …

|Mein Eindruck dazu:|

Im Geschichtenerzähler ist leicht Frank Herbert selbst zu erkennen, und seine Macht, die in seinem Umgang mit Worten gründet, ist in der Tat groß. Die Pointe ist zugleich erschütternd und überraschend. Dies macht diese Erzählung über einen Nebenschauplatz nicht nur zu einem schön aufgebauten Stück Dichtung, sondern wirft ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass alle Soldaten auch Menschen sind, mit einer Zukunft, einer Vergangenheit, einer Seele. Erst der letzte Satz, die Pointe, macht aus der Geschichte, obwohl sie auf einer fremden Welt spielt, schließlich doch ein Stück Phantastik.

Kein Wunder, dass 1999 die Magazinausgabe, in der diese Story abgedruckt, reißenden Absatz fand und ruckzuck vergriffen war. Denn die Story verweist auch auf die sechs Romane, die noch folgen sollten: die „Frühen Chroniken“ der drei wichtigsten Häuser (Atreides, Harkonnen, Corrino) und die „Legenden“ über Butlers Djihad.

|2) „Harkonnen-Hatz“ (2002)|

Dies ist eine Geschichte, die wenige Jahre vor dem Beginn von „Butlers Djihad“ spielt, so um das Jahr 220 V.G. (vor Gründung der Raumgilde). Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Familie Harkonnen. Xavier Harkonnen spielt im Roman „Butlers Djihad“ eine zentrale Rolle, doch hier ist er noch ein junger Knabe aus Salusa Secundus, der von Pflegeeltern aufgenommen wird. Das ist Nebensache. Im Mittelpunkt steht das Schicksal seiner Eltern Ulf und Katarina sowie das seines Bruders Piers. Xavier glaubt, sie seien alle tot und er der einzige Überlebende seines Hauses. Dies ist nicht ganz zutreffend …

Auf dem Rückflug von seinen Diamantminen auf Hagal wird Ulf Harkonnens Yacht von einer Jägergruppe der Cymeks – menschlichen Gehirnen in mechanischen Körpern – überrascht und angegriffen. Der grausame Titan Agamemnon selbst führt die Gruppe. Die Yacht verteidigt sich, doch sie schafft es nicht zur nahen Wasserwelt Caladan. Piers‘ Eltern sterben in einer Explosion, während er selbst in einer Rettungskapsel entkommen kann und in den Bergen Caladans notlandet.

Vier Cymeks, die ihn verfolgen, landen bald danach an der Absturzstelle und verfolgen den flüchtenden und verwundeten Menschen. Doch sie haben nicht mit den Tricks der Bergbewohner gerechnet, Nachkommen der Zensunni-Wanderer, die sich unter dem Gletscher eine kleine Siedlung aufgebaut haben. Hier kommt es zu einem Showdown zwischen Piers und dem General Agamemnon …

|Mein Eindruck dazu:|

Die Zahl der Niederlagen, die Agamemnon, der Führer aller Cymeks, hat einstecken müssen, ist nicht gerade Legion, wenn man den Erzählungen in den drei „Legenden“-Romanen glauben darf. Das macht diese actionreiche Geschichte bemerkenswert. Zum anderen wird es möglicherweise später noch wichtig, dass Xavier seinen Bruder nicht ganz verloren hat. Wenn Piers Nachkommen hat, so könnten diese noch in späteren Romanen auftauchen. Menschlich interessant wird die Story nur durch die Figur des Piers Harkonnen, der ein harter Sklavenhalter werden soll, darin aber völlig versagt, weil er viel lieber ein Geschichtenerzähler wäre – und sich am Ende diesen Traum auch erfüllen kann. Wenn auch auf völlig andere Weise als erwartet.

|3) „Der Prügel-Mek“ (2003)|

Diese Story schlägt eine Brücke zwischen „Butlers Djihad“ und „Der Kreuzzug“, den Bänden 1 und 2 der „Legenden“-Trilogie. Im Mittelpunkt steht Vergyl Tantor, der 23-jährige Halbbruder von Xavier Harkonnen. Er lebt jetzt auf Giedi Primus, der späteren Heimatwelt der Harkonnens, die jetzt aber noch eine grüne Welt ist. Xavier ist Oberbefehlshaber der Djihad-Kriegsflotte, die gerade von ihrem Einsatz bei Peridot zurückkehrt. Die Schiffe sind zerschunden und beschädigt, denn sie haben eine Schlacht gegen die Denkmaschinen hinter sich, welche Peridot zu einer Synchronisierten Welt machen wollten.

Soldat Vergyl Tantor hört zwar von Xavier, was auf Peridot Schreckliches passiert ist, doch das schreckt ihn nicht etwa ab, sondern stachelt vielmehr seinen Hass gegen die Denkmaschinen weiter an. Er will unbedingt bald mal in einen richtigen Kampfeinsatz. Einen Vorgeschmack darauf erhält er, als er an Bord von Xaviers Flaggschiff den berühmten Ginaz-Söldner Zon Noret beim Schwerttraining gegen einen echten Kampfroboter erblickt. Er überredet Noret, ihn selbst auch einmal einen Waffengang probieren zu lassen. Doch er erlebt sein blaues Wunder.

|Mein Eindruck dazu:|

Diese Brückenstory hat eigentlich keine richtige Handlung mit Anfang, Mitte und Ende, sondern bildet so etwas wie ein Porträt für eine Nebenfigur in „Der Kreuzzug“. Immerhin kommt es zu etwas Action, als Vergyl sich im Kampf mit dem Trainingsroboter Chirox reichlich verausgabt. Chirox ist eine Figur, die dauernd im Zusammenhang mit den Ginaz-Söldnern auftaucht, einer ihrer wichtigsten Lehrer. Inhaltlich belanglos, weiß die Story doch halbwegs zu unterhalten. Sie ist aber nur für Leser einigermaßen verständlich, die den 1. Band gelesen haben, „Butlers Djihad“.

|4) „Gesichter einer Märtyrerin” (2004)|

Auch diese Erzählung ist ein Brückenstück. Es verbindet Band 2 und 3 der Legenden-Trilogie. Am Anfang von Band 3 „Die Schlacht von Corrin“ fragt sich der Leser erstaunt, woher all die Veränderungen kommen, mit denen er unvorbereitet konfrontiert wird. Diese Fragen werden in der Story beantwortet. Im Grunde geht es nur um zwei Hauptfiguren: Vorian Atreides und Rekur Van.

Man schreibt das Jahr 165 V.G. (vor der Gilde). Vorian Atreides ist nach dem Tod von Xavier Harkonnen der neue Oberbefehlshaber der Djihad-Streitkräfte. Er muss eine seltsame Geschichtsfälschung verkräften. Obwohl er weiß und mehrmals gesagt hat, dass Xavier die Machenschaften des Großen Patriarchen Iblis Ginjo mit den Tlulaxa aufdeckte und diesen Kriegsgewinnler daraufhin in Selbstaufopferung tötete, ist inzwischen der Bösewicht zum Märtyrer gemacht und Xavier zum Schurken gestempelt worden. Ginjos Witwe und ihr Polizeichef, eine sehr gefährlicher Mann, haben Iblis neben Serena und Manion Butler gestellt und eine Dreifaltigkeit von Märtyrern geschaffen. Vorian ist angeekelt, muss aber seine Meinung für sich behalten, will er nicht dem Djihad gegen seine geschworenen Feinde, die Maschinen, ernsten Schaden zufügen.

Serena Butlers Anhänger haben die Genzüchtungsfabriken der Tlulaxa zerstört. Was für eine Verschwendung, denkt der Genhändler Rekur Van verbittert. Die Tlulaxa fliehen in Scharen von ihren zerstörten Planeten und werden abgeschossen. Wohin kann er sich wenden? Indem er sich totstellt, kann er davonschleichen. Die einzige Partei, die an seinen Errungenschaften interessiert sein könnte, sind die Denkmaschinen.

Der unabhängige Roboter Erasmus stellt laufend grausame Experimente an, um mehr über das Wesen und die Schwächen des Gegners, der Menschen, herauszubekommen. Als Rekur Van ihm die Zellen von Serena Butler im Tausch für sein Leben offeriert, ist Erasmus einverstanden. Er will wieder heiße Debatten mit jener Frau führen, die vor 35 Jahren den Djihad ausgelöst hat. Doch das Ergebnis entspricht nicht ganz Erasmus‘ Erwartungen. Rekur muss für seinen Fehler bezahlen …. (Und so sehen wir ihn am Anfang von „Die Schlacht von Corrin“ wieder.)

|Mein Eindruck dazu:|

Dies ist keine Erzählung, sondern ein herausgeschnittenes Stück aus einem Roman, in den es nicht hineinpasste. Oder weil es entbehrlich war. Insofern teilt es die gleiche Kategorie mit jenen gekürzten Texten aus „Dune“ Teil 1 und 2. Die Vorgänge sind ohne die Lektüre des Romans „Der Kreuzzug“ kaum zu verstehen oder zuzuordnen.

Von den vier Erzählungen wusste mich nur die erste zu beeindrucken, die anderen kann man getrost vergessen. „Das Flüstern der Meere Caladans“ ist nicht nur erstklassige Short-Story-Kunst, sondern auch ein Loblied auf Frank Herbert und dessen Talent des Geschichtenerzählens. Die Figur eines magischen „Master-Storytellers“ wie Hoh Vitt finde ich faszinierend und vielversprechend. Diese Figur erfüllt eine wichtige und hier tragisch geschilderte Rolle für die menschliche Gesellschaft.

_Die Übersetzung:_

Obwohl der Übersetzer gewechselt hat, hält man sich weiterhin an die sattsam bekannte Nomenklatur zum Wüstenplanet-Universum, welches ja bislang ausschließlich bei Heyne betreut worden ist. Es gibt sogar eine ganze Enzyklopädie dazu. Deshalb stößt der eingefleischte „Dune“-Fan auf keine Ungereimtheiten. Es sei denn, sie sind wie im „Gewürzplanet“-Roman ausdrücklich beabsichtigt, da es sich ja um eine alternative Version zu „Dune“ handelt.

Begrüßenswert finde ich, dass man die ursprünglichen englischen Bezeichnungen eingedeutscht hat. So wird aus „“Duneworld“ beispielsweise „Dünenwelt“ und aus „Spice“ natürlich „Gewürz“. Auf diese Weise können auch ostdeutsche Leser, die eher Russisch als Englisch erlernten, sowie Neueinsteiger etwas mit diesen Texten anfangen.

_Unterm Strich:_

Das Gesamturteil kann nicht besonders begeistert ausfallen, wenn es sich hauptsächlich um Resteverwertung handelt, was die beiden Autoren hier treiben. Neben einem minderwertigen SF-Abenteuerroman stehen jede Menge Erzählungen, teils gekürzte Szenen, neue Kapitel und wiedergefundene Brückenstücke zwischen Romanen sind.

Einzige Ausnahme ist meines Erachtens „Das Flüstern der Meere Caladans“, das nicht nur eigenständig als Story bestehen kann, sondern auch eine bemerkenswerte Aussage innerhalb des ursprünglichen „Dune“-Universums mitbringt. Wertvoll fand ich auch die Briefe zu „Dune“ Teil 1 und 2, die uns sehr viel über die Entstehung des SF-Klassikers und die Arbeitsmethode seines Autors sagen.

„Das Geheimnis von ‚Der Wüstenplanet‘ wird gelüftet“, verspricht der Verlag marktschreierisch auf dem Cover-Aufkleber. Das lässt sich nur durch Herberts eigene Statements hinsichtlich der Entstehung seines Mega-Romans rechtfertigen. Und diese Rechtfertigung ist schon mehr, als so manches Marketingversprechen halten kann!

|Für wen sich das Buch eignet|

Sicher können die angeblich „Millionen von ‚Dune‘-Fans“ da draußen etwas mit Fund- und Bruchstücken aus den ersten beiden „Dune“-Romanen anfangen, aber wollen sie das überhaupt? Ich käme mir wie einer der Leichenfledderer in „Das Flüstern der Meere Caladas“ vor. Es sei denn, ich wäre ein Literaturwissenschaftler, der danach strebt, das ganze Werk, das „Dune“ Teil 1 und 2 bildet, inklusive aller „Deleted Scenes“ kennenzulernen. Dann würde ich auch die Briefe zu diesen beiden Romanen sehr interessant finden.

Den Löwenanteil an diesem Buch bestreitet ohne Zweifel der Roman „Der Gewürzplanet“. Ich habe mein Urteil oben bereits differenziert erläutert. Der Roman steht auf dem Niveau eines B-Movies aus den 1950er Jahren, wäre da nicht das einzigartige Setting des Wüstenplaneten. Aber da wir es schon ausgiebig aus Verfilmungen und den Romanen kennen, hält sich der Neuheitswert stark in Grenzen.

Kurz und gut: Ein paar Texte sind für bestimmte Lesergruppen von Interesse, aber die breite Masse, selbst wenn sie „Dune“ mögen, braucht das Buch nicht zu kennen. Und um die letzten drei Erzählungen zu verstehen, muss man sowieso bereits die Legenden-Trilogie gelesen haben.

Eins steht für mich fest: Im „Dune“-Universum lassen sich mindestens ebenso viele Geschichten ansiedeln wie in „Star Wars“ und „Star Trek“. Will heißen: Anderson und Herbert können noch bis an ihr Lebensende darüber schreiben und Geld damit verdienen.

|Taschenbuch: 590 Seiten
Originaltitel: The road to Dune (2005)
Aus dem US-Englischen von Jakob Schmidt
ISBVN-13: 978-3453523319|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Frank Herbert bei |Buchwurm.info|:_
[„Der Wüstenplanet“ (Dune 1) 1662
[„Der Herr des Wüstenplaneten“ (Dune 2) 1637
[„Die Kinder des Wüstenplaneten“ (Dune 3) 1634
[„The Road to Dune“ 2805
[„Das Dosadi-Experiment“ 3937
[„Auge“ 3944
[„Das grüne Herz“ 4076
[DUNE 1: „Der Wüstenplanet“ Teil 1 von 2 (Hörbuch) 5259
[DUNE 1: „Der Wüstenplanet“ Teil 2 von 2 (Hörbuch) 5333
[DUNE 2: „Der Herr des Wüstenplaneten“ (Hörbuch) 5643
[DUNE 3: „Die Kinder des Wüstenplaneten“ (Hörbuch) 6182

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