Hetmann, Frederik – Traumklänge

_Liebe, Trug und Tod: unterhaltsamer Episodenroman_

Eine geheimnisvolle Kugel rollt durch die Zeiten. Sie wurde im antiken Indien von einem Zauberer geschmiedet und endet im heutigen New York City. Nur ganz bestimmte Menschen haben die Fähigkeit, ihren besonderen Klang zu hören, einen Klang, der ihrem Leben eine neue Richtung gibt, der sie bezaubert, animiert (auch erotisch) und inspiriert.

Als der verhinderte Schriftsteller Izaak in New York die Kugel von einer schönen Unbekannten erhält, verändert sich auch sein Leben auf mysteriöse, aber positive Weise: Endlich findet er den Stoff und die Kraft für seinen großen Roman, nach dem er so lange gesucht hat. Doch das ist erst der Anfang seiner New Yorker Abenteuer.

_Der Autor_

Frederik Hetmann alias Hans-Christian Kirsch, geboren 1934 in Breslau, Oberschlesien, lebt heute als freier Schriftsteller in Limburg an der Lahn. Er wurde bekannt durch seine zahlreichen Editionen über die Märchen des keltischen Kulturkreises (bes. Irland) und durch Biografien über Rosa Luxemburg, Georg Büchner, Francisco de Goya, Martin Buber, Martin Luther King und Che Guevara – Letztere habe ich seinerzeit mit Begeisterung gelesen. Sein historischer Roman „Yoshiwara oder die schwankende Welt“ (1997) erschien unter seinem Namen Hans-Christian Kirsch. (Verlagsinfo)

Mehr Info: http://www.hans-christian-kirsch.de.

_Die Sprecher_

Joachim Fuchsberger erlangte in den 60er Jahren als Kommissar in Edgar-Wallace-Verfilmungen seine erste Popularität. In den 70er und 80er Jahren unterhielt „Blacky“ die deutsche Fernsehnation mit mehreren erfolgreichen Shows. Er spielte in rund 90 Filmen, war Moderator in über 500 Fernsehsendungen und brachte seit den 1990er Jahren seine Wahlheimat Australien in Form seiner Filmreihe „Terra Australis“ dem deutschen Fernsehpublikum nahe. (Verlagsinfo)

Nina Ruge, geboren 1956, studierte Biologie und Germanistik. Bereits während ihrer Zeit als Lehrerin nahm sie Schauspielunterricht. Seit 1989 arbeitet sie beim ZDF, und seit 1997 moderiert sie werktäglich die Sendung „Leute heute“, die sie bei einem Millionenpublikum bekannt gemacht hat. (Verlagsinfo)

Die Musik trug Andy Matern bei. Der Text wurde von Dr. Gabriele Kreis bearbeitet und gekürzt. Folgende Kapitel fehlen im Hörbuch:

Kap. 8: Die Kugel rollt von West nach Ost
Kap. 9: Im Besitz eines Dichters (Francois Villon)
Kap. 11: Die Neue Welt kommt in Sicht
Kap. 12: Tam Lin oder Die Kugel in Schottland
Kap. 22: Epilog

_Handlung_

In der Gegenwart ist in New York City die Rahmenhandlung angelegt, die immer wieder von Blöcken aus Erzählungen um die magische Kugel unterbrochen wird. Es erscheint mir sinnvoll, zunächst einen Großteil der Rahmenhandlung wiederzugeben, denn alle Erzählungen aufzuführen, wäre wenig sinnvoll und würde auch keinen Zusammenhang ergeben.

|Die Rahmenhandlung|

New York City ca. 2000-2001. Der Kultur- und Literatur-Journalist Izaak hat den Traum, einen großen Roman zu schreiben, hat auch eine Idee, aber weder Zeit noch Kraft, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Seine Tochter Rosalie lebt bei ihrer Mutter, von der er sich scheiden ließ. Zur Ablenkung geht er ins Planetarium in eine Show über den Halley’schen Kometen, der alle 76 Jahre wiederkehrt.

Eliza Marlowe fragt ihn, ob es Leben auf anderen Welten gebe. Sie gehen zum Gespräch in den Vorraum. Wow, staunt er: sie ist rothaarig! Ende 20, Anfang 30, große Brüste. Eliza ist Kunsthistorikerin und Blumenhändlerin. Nach Kaffee, Essen und Wein muss er sie heimbringen, in ein Haus am Central Park Ost. Dort zeigt sie ihm eine Metallkugel, deren feinen Klang nicht jeder Mensch hören kann. Kaum hört er den fernen Klang, fühlt sich Izaak inspiriert. Eliza leiht sie ihm und küsst ihn stürmisch zum Abschied. Er fühlt sich endlich in der Lage zu schreiben.

Als Eliza Tage später wieder anruft, beschwert sie sich über sein Fernbleiben und erbittet die Kugel zurück. Besorgt um seine Kreativität, trifft er sie sonntags im Metropolitan Museum. Nach einem Schäferstündchen bei ihr sagt ihm Eliza, dass sie den Klang der Kugel nicht hören könne. Aber sie habe einen „Sugardaddy“, der sie höre und haben wolle. Ein „Sugardaddy“? Einen Gönner, den sie ein wenig „verwöhne“. Er sei ein reicher alter Banker, dieser Shmul.

Izaak ist nicht dumm und bittet seinen alten Vater Mendel, einen Metallhandwerker, ihm eine Fälschung anzufertigen. Der Silberschmied hat seine Eltern im KZ verloren und als einziger der Familie, die aus Krakau stammt, überlebt. Eliza übergibt die Kopie für 500 Dollar an Shmul, dieser lässt sie begutachten und erfährt, dass man ihn verarschen will. Die echte Kugel verhilft indessen Izaak zu einem Höhenflug der Inspiration. Er ahnt nicht, was sich zusammenbraut.

Denn Shmul ist nicht irgendjemand, sondern ein ehemaliges hochrangiges Mitglied der New Yorker Mafia. Mit wahrem Namen heißt er Samuel Salamander alias Shmul das Kinn. Nach einem Bandenkrieg musste er sich von diesem Milieu distanzieren und ging in Kunstmuseen. Dort lernte er die Kunsthistorikerin Eliza Marlowe kennen. In der Society weiß man über ihre Kugel Bescheid, und er möchte das Wunderding seiner Tochter Marcia zur Hochzeit schenken.

Als er Eliza besucht, gibt er endlich seine wahre Identität preis. Sie legt ihm ihre Gründe dar, warum Izaak unbedingt die echte Kugel behalten muss: damit erschreiben kann. Er lernt Izaak kennen und erfährt von dessen Traum, eine Filmdokumentation über Herman Melvilles Romanschauplätze in der Südsee zu drehen. Und Shmul kennt auch schon einen Produzenten, den er auf der Hochzeitsparty treffen will. Doch als es um die Kugel geht, bietet Izaak an, dass Mendel ihm stattdessen seinen Kabbalabaum schenkt. Genau von dieser Metallskulptur hat Shmul geträumt. Doch auf der Hochzeit kommt es zu einem blutigen Zwischenfall, der alles verändert …

|Der Anfang der Kugel|

Natürlich ergibt sich aus der Existenz der Kugel in den Händen von Eliza Marlowe und Izaak zunächst die Frage, wie sie nach New York City gelangte. Aber die wichtigste Frage von allen ist die nach ihrem Ursprung.

Es war einmal ein Prinz Amatu, der im fernen Indien alles hatte, was sein Herz begehrte, außer einer Frau. Sein bester Freund Freund war der Flötenspieler Pandith. Wenn sie zusammen musizierten, spielte Prinz Amatu die Sitar. Sein Vater lässt ihm ausrichten, dass er für ihn eine Frau im fernen Samarkand jenseits der Berge gefunden habe: Prinzessin Miribil. Die Hochzeit, die in drei Monaten stattfinden soll, beschert Prinz Amatu erotische Träume, aber auch Zweifel, ob er der Prinzessin würdig sei. Denn im Gegensatz zu Pandit ist er selbst relativ hässlich. Heimlich schickt er ihr daher Pandits Konterfei statt seines eigenen.

Nun braucht er noch etwas Besonderes als Hochzeitsgeschenk. Er beauftragt seinen Hofmagier, etwas Schönes zu schaffen. In einer Vollmondnacht und wenn die Venus richtig steht, wird die Kugel gegossen und geschmiedet. Um den Zauber zu bewirken, beschwört der Magier eine Mondfrau, die nicht nur ihren besonderen Segen gibt. Sie nimmt die fertige Kugel, lässt sie zwischen ihre Brüste rollen und gibt sie zurück. Der Zauber ist perfekt: Derjenige, der den leisen Klang der Kugel vernehmen kann, wird seine Lebenswege überdenken, sich zur Verwirklichung angespornt fühlen, doch die Kugel an sich erfüllt keine Wünsche. Und was der Busenzauber der Fee bewirkt, zeigt sich ebenfalls schon bald …

|Wie es der Kugel im ersten Abenteuer erging|

Mit seinem treuen Pandit reiste Prinz Amatu über die Berge nach Samarkand, um Prinzessin Miribil zu heiraten. Doch ein Sandsturm begrub die Karawane in der Wüste vor der Stadt. Nur Pandit überlebt und findet im Sand die Kugel und seine Flöte. Er ist schon fast verdurstet, als ihn ein Suchtrupp findet. Im Palast des Sultans erkennt die Prinzessin auf Anhieb ihren Verlobten. Sie hört den Klang der Kugel und verliebt sich auf der Stelle in den Jüngling. Pandit hat nichts dagegen einzuwenden, denn auch er ist verzückt von Miribils Schönheit.

Sie vollziehen die Ehe, sobald sie geheiratet haben, und bekommen einen Sohn. Bei Zweifeln konsultiert Pandit stets die Kugel und sie bestärkt seine Wünsche. Doch so viel Liebe und Glück auf einem Haufen erregt den Neid des stets missgünstigen und intriganten Hofstaats. Da muss ein Zauber im Spiel sein, heißt es. Was hat es nur mit der Wunderkugel auf sich? Der Wesir des Sultans schickt nach Rawalpindi zu Prinz Amatus Vater und erfährt die Wahrheit: Pandit ist ein Hochstapler! Die Folgen sind schrecklich …

Ein Dieb gräbt die Kugel wieder aus dem Wüstensand aus und verkauft sie in Palästina. Und so beginnen die vielfältigen Abenteuer der Kugel mit Liebe, Täuschung und Tod.

_Mein Eindruck_

Die Wechselfälle des Lebens und der Liebe bilden die Substanz und den Motor, der die sowohl die Episoden- als auch die Rahmenhandlung vorantreibt und ausmacht. Wenn sich Izaak und Eliza Marlowe kennen und lieben lernen, so ist dies ja schön und gut. Wünsche gehen in Erfüllung, ein Roman wird geschrieben, ein Kind kommt zur Welt. Liebende folgen ihrem Herzen statt ihrem Verstand (sofern noch vorhanden), ganz besonders auch dann, wenn ihre Beziehung Schranken überschreitet und Grenzen überwindet. Häufig wird die Ehe gebrochen, überdurchschnittlich oft von Frauen initiiert. Romantischer geht’s nicht mehr.

|Notwendige Gefahr|

Interessant wird die jeweilige Geschichte also erst durch die Gefahren, die dieser Liebe jeweils drohen. Der Ex-Mafioso Shmul Salamander könnte zu so einer Gefahr werden, aber auch er wird auf den rechten Weg geführt. Wie dies geschieht, hat des Öfteren schon etwas märchenhafte Züge und gewisse Aspekte, die die empirische Wirklichkeit überschreiten und dem Text Poesie verleihen. Wie weit der Leser bzw. Hörer bereit ist, auf diesem Weg mitzugehen, ist individuell sicher verschieden.

|Irene und Joachim 1900|

Das Kapitel, das mir am besten im Gedächtnis geblieben ist, spielt im China des Jahres 1900, als dort der Aufstand der Boxer tobt, der die ausländischen Repräsentanten (Botschafter, Kaufleute, vor allem aber Missionare) vertreiben soll. Der Deutsche Joachim Kortmann lernt auf dem Schiff nach Shanghai ein britisches Ehepaar kennen, das ebenfalls nach Peking unterwegs ist. Während der Mann ein fähiger Soldat, aber grober Gatte ist, muss die Ehefrau ständig klein beigeben.

Joachim verliebt sich in Irene und fragt sich, wann sich seine Wünsche jemals erfüllen werden. Dass auch Irene so fühlt, zeigt sich, als das Viertel der Gesandtschaften in Peking von den Aufständischen angegriffen wird. Während der Brite Entsatz holt, um die Angreifer in ihrem Rücken zu attackieren, kommt es mit Hilfe der Kugel zu einer heißen Affäre zwischen den Liebenden. Ob diese Liebe eine Zukunft hat, steht auf einem anderen Blatt. Man bedenke: Mit der Kugel sind nicht nur Liebe und Täuschung verbunden, sondern auch der Tod.

|Kein Missbrauch|

Ich habe mich stets gewundert, dass sich die Macht der Kugel nicht missbrauchen lässt, beispielsweise von einem Serienmörder. Wenn man von Missbrauch überhaupt einmal sprechen kann, so findet er im Glücksspiel statt – mit meist fatalen Folgen für den Besitzer der Kugel. Warum fördert die Kugel also nicht auch Hass und Zwang, sondern vielmehr Hingabe und Liebe? Offenbar ist mit der Kugel-Magie nicht nur Altruismus verbunden, sondern auch die Notwendigkeit, ihr Wirken zu verbergen.

Das muss auch der Großmeister des Templerordens auf Mallorca erfahren. Er wird wegen Hexerei und Ketzerei verfolgt, zumindest nominell, denn im Grunde geht es dem Papst und seinem Helfershelfer, dem französischen König, darum, den allzu mächtig gewordenen Templerorden zu beseitigen, um jeweils die eigene Macht zu festigen. Der Großmeister muss seine Familie in die Fremde schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Ihre Wege führen nach Krakau. (Womit sich ein Anknüpfungspunkt zu Izaaks und Mendels Familie ergibt.)

Die Kugel der Wunschförderung kann also nur im Verborgenen wirken und zwar stets im Zeichen der Venus. Dafür hat der Zauber der indischen Mondfrau gesorgt. Es wäre eine schöne Welt, wenn man sich diese Macht als tatsächlich existent vorstellen könnte. Die Fakten sprechen leider täglich dagegen. Aber vielleicht ist das Buch „Traumklänge“ deshalb „Das längste Märchen, das es je gab“, wie der Titel vollständig lautet.

|Literarische Vorbilder|

Worauf es ankommt: Ergibt das Kaleidoskop der Episoden ein zusammenhängendes Panorama nach dem Vorbild des „Decamerone“ von Boccaccio oder des „Heptamerons“ der Margarete von Navarra? Doch hieße dies vielleicht, zu viel erwarten. Diese Vorbilder sollten ihre Zuhörer – alle Literatur wurde damals mündlich erzählt – und späteren Leser auf erotische Weise unterhalten, um die Schrecken der Welt vergessen zu lassen. Dies gelingt Hetmanns Roman durchaus. Und das ist sicherlich kein geringes Verdienst.

|Die Sprecher|

Nina Ruges Vortragsstil hat mir sehr gefallen. Sie spricht deutlich, nicht zu schnell und hat auch mit fremden Namen keine Probleme. Mit ihrer sanften, relativ tiefen Stimme trägt sie die Mehrzahl jener Kapitel vor, in denen weiblichen Hauptfiguren vorkommen. Das liegt ja auch nahe.

Joachim Fuchsbergers Vortrag merkt man hingegen an, dass das Vortragen an sich und vor allem über eine längere Zeitspanne eine recht anstrengende Angelegenheit sein kann. (Das fand schon Helmut Rellergerd alias Jason Dark heraus, der ja auch nicht mehr der Jüngste ist.) Man hört „Blacky“ deutlich einatmen, und allein schon dieses Geräusch vermag den Hörer abzulenken. Aber es handelt sich keineswegs um Schnaufen oder gar Keuchen. Zum Glück tritt dies nur in ein oder zwei Kapiteln verstärkt auf. Fuchsberger liest vor allem die Kapitel der Rahmenhandlung und jene Kapitel, in denen männliche Hauptfiguren auftreten.

Die Musik von Andy Matern leitet das Hörbuch ein und bildet auch den Ausklang. Geräusche gibt es keine. (Dabei wäre es ja zu schön gewesen, wenn auch ich unter der Auserwählten gewesen wäre, die den fernen Klang der Kugel hören können.)

_Unterm Strich_

Mir hat Hetmanns Roman angenehme Unterhaltung beschert, und weder Sinnlichkeit noch Humor sind dabei zu kurz gekommen. Es ist in vielen Szenen ein Märchen, in dem ja Wünsche in Erfüllung gehen. Dass dabei auch die Anderswelt betreten wird (im Kapitel „Tam Lin“, das im Hörbuch fehlt), verwundert daher nicht, verrät aber auch Hetmanns Vorliebe für keltische Feen- und Andersweltmärchen.

Aber wenn es in diesem Buch schon um Herzenswünsche und ihre bedingte Erfüllung gehen soll, so sind sicherlich auch die Wünsche des Leser bzw. Hörers von Bedeutung. Und ich hätte mir wesentlich mehr Action, mehr Tempo und mehr Sex gewünscht. Hetmanns Buch hätte durch solche Merkmale vielleicht weniger Leser gewonnen und so manchen Lektor vor den Kopf gestoßen. Aber herrje, nicht jeder Wunsch kann auf allgemeine Zustimmung stoßen, nicht wahr? Insofern hält sich dieser Roman an die Altersfreigabe ab 12 Jahren. Für sittlich gereiftere Menschen findet sich bestimmt auch aufregendere Literatur.

|Das Hörbuch|

Die Vortragsweise von Ruge und Fuchsberger macht den Genuss des Hörbuchs zu einem angenehmen Erlebnis. Großartige Sprachakrobatik wie von Rufus Beck sucht man hier allerdings vergeblich. Auch die Abwesenheit von Musik und Geräusch im Hauptteil – Musik gibt es nur als Intro und Extro – hebt diese Produktion nicht aus der Masse der Hörbücher heraus. Das besorgt schon eher der Preis, der mit rund 25 Euro für 4 CDs ungewöhnlich hoch ist.
|313 Minuten auf 4 CDs|