Hill, Susan – Der Seele schwarzer Grund

Nach mittlerweile zwei Romanen hat Susan Hill rund um den Ermittler Simon Serrailler eine durchaus lesenwerte Krimireihe aufgebaut, die sich vor allem durch ihre ausgefeilte Figurenskizzierung aus der Masse des Genres heraushebt. Mit „Der Seele schwarzer Grund“ legt die Britin nun den dritten Serrailler-Krimi vor, der mehr oder minder nahtlos an die Handlung des Vorgängerbandes „Des Abends eisige Stille“ anschließt.

Der ungelöste Fall um das Verschwinden des achtjährigen David Angus belastet Simon Serrailer noch immer. Der Fall tritt auf der Stelle und Serrailler und sein Team kommen dem Täter kaum einen Schritt näher. Doch eines Tages bittet die Polizei von Yorkshire Simon um seine Hilfe. Die Kollegen vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden eines siebenjährigen Jungen und dem Fall David Angus.

Und endlich gibt es sogar tatsächlich eine greifbare Spur. Das Auto des Verdächtigen wurde gesehen. Simon nimmt zusammen mit den Kollegen aus dem Norden die Verfolgung auf. Es kommt zu einer dramatischen Verhaftung, bei der die Identität des Täters alle Beteiligten überrascht.

In Lafferton treibt derweil ein anderer Täter sein Unwesen. Reverend Jane Fitzroy, noch neu in der Gemeinde von Lafferton, gerät als Erste in seine Fänge …

Susan Hill schreibt keine Krimis von der Stange. Im Fokus steht bei ihr oft weniger das Verbrechen an sich, bzw. dessen Auflösung, sondern die Menschen, die davon betroffen sind. Sie lässt viele Figuren agieren, wechselt häufig die Perspektive und lässt viele Aspekte in die Handlung einfließen, die andere Autoren wohl als schmückendes Beiwerk empfinden und weitestgehend ignorieren würden.

Hill schreibt gegen die Gewohnheiten des Genres und fordert damit auch den Leser ganz anders als der Großteil anderer Krimiautoren. Schon in ihrem ersten Roman passierte der erste Mord erst nach weit über 100 Seiten, und so ist auch „Der Seele schwarzer Grund“ wieder einmal ein Krimi gegen die Lesegewohnheiten. Das eigentliche Verbrechen ist schon im vorherigen Roman passiert und der Täter ist schon nach etwa 90 Seiten dingfest gemacht.

Was folgt, ist mehr eine Auseinandersetzung mit den Folgen des Verbrechens, die nicht nur für die Ermittler mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Der Täter bleibt verschlossen, die Taten rätselhaft. Selten genug kommt es vor, dass auch die Aufarbeitung der Tat durch die Angehörigen des Täters ein Thema ist – Susan Hill nimmt sich dafür reichlich Zeit und lässt dessen Mutter daran fast zerbrechen.

Wie auch in den vorangegangen Romanen kehrt Susan Hill stets die menschliche Sicht der Dinge heraus. Und so hat sie in ihrem mittlerweile dritten Roman der Reihe schon erstaunlich plastische Figuren herausgearbeitet. Simon Serraillers Familie, insbesondere seine Schwester Cat, die mit Mann und Kindern in einem alten Bauernhaus lebt und neben Haushalt und Familie auch noch den Praxisalltag als Ärztin zu bewältigen hat, ist häufig ein Thema.

Bei Susan Hill ist alles miteinander vernetzt. Lafferton ist ein recht kleiner Ort, so dass Berührungspunkte zwischen den Protagonisten sich fast von selbst ergeben. Als neue Figur taucht in diesem Roman Reverend Jane Fitzroy auf, die auch mit im Zentrum des neuen Falls steht, der die Polizei von Lafferton auf Trab hält. So entstehen – der ursprüngliche Fall ist schließlich schon gelöst – dennoch immer wieder Spannungsmomente in einem ansonsten eher gemächlichen Plot. Hill setzt auf eine feine, psychologische Spannung. Actionreiche Situationen findet man bei ihr genauso selten wie blutrünstige Mordschilderungen.

Die Spannung ergibt sich aus dem Plot heraus, aus der Entwicklung der Figuren und ihren Verflechtungen und nicht aus der Menge an Blut, die vergossen wird. Hill ist sehr subtil und zeigt damit sehr schön, wie auch mit wenig Blutvergießen ein spannender Krimiplot entstehen kann, zu dem der Leser dank der ausgefeilten Figurenskizzierung eine tiefe Beziehung aufbaut.

Dennoch hat gerade dieser dritte Roman der Reihe auch so seine Schönheitsfehler. Simon Serrailler ist eine durchaus reizvolle Hauptfigur, bewegt sich in seiner persönlichen Entwicklung aber zunehmend in eine Sackgasse. Das schreit für den nächsten Band nach einem Befreiungsschlag, doch gestaltet Hill das Ende des Romans leider etwas zu flach und uninspiriert, als dass man gleich zum nächsten Band (den es sicherlich geben wird) greifen möchte. Die Geschichte wird nicht so richtig aufgelöst. Die losen Enden bleiben in der Luft hängen und vor allem mit Blick auf den zentralen Fall weiß der Leser am Ende eigentlich kaum mehr als schon zu Anfang des Romans.

Für meinen Geschmack ist es etwas zu schwammig, ein Buch, das eigentlich ein Nachklang des vorangegangen Buches (welches ja auch schon ein recht offenes Ende hatte) ist, in einem derartigen Schwebezustand zu beenden. So richtig zufrieden ist man auf diese Weise am Ende nicht, denn es ist eben einfach keine ganz runde Sache.

Dabei versteht Susan Hill ihr Handwerk eigentlich sehr gut. Sie weiß den Leser auch mit wenig greifbarer Handlung zu unterhalten, sie skizziert interessante Figuren und erzählt in einem lockeren Ton, der das Buch zu leichter und flotter Lektüre macht. Nur fällt eben diesmal der Schlussakkord am Ende etwas dissonant aus.

Bleiben unterm Strich gemischte Gefühle zurück. Susan Hill versteht sich darauf, eine feinsinnige psychologische Spannung zu erzeugen, und beweist auch mit ihrer gelungenen Figurenskizzierung, wie gut sie sich auf die leisen Töne des belletristischen Krimis versteht. Dennoch ist dieser Band der Serrailler-Reihe eine etwas unrunde Sache, die den Leser am Ende nicht ganz zufrieden zurücklässt. Zu vieles bleibt gerade auch mit Blick auf den zentralen Fall in der Schwebe. Dennoch kann man die Reihe an sich durchaus noch jedem ans Herz legen, für den Krimispannung sich nicht einfach nur in der Menge des vergossenen Blutes niederschlägt.

_Susan Hills Serrailler-Krimis in chronologischer Reihenfolge:_

[„Der Menschen dunkles Sehnen“ 1698
[„Des Abends eisige Stille“ 3889
„Der Seele schwarzer Grund“

|Originaltitel: The Risk of Darkness
Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle
489 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-426-66148-2|
http://www.knaur.de

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