Hillerman, Tony – People of Darkness / Tod der Maulwürfe (Navajo Tribal Police 4)

Spannender Indianerkrimi

In New Mexico versieht Jim Chee bei der Stammespolizei der Navajo-Indianer seinen Dienst. Eine Weiße meldet den Diebstahl von Erinnerungsstücken, doch als ihr Mann zurückkehrt, zieht er die Anzeige zurück. Der Polizeichef der Weißen warnt Jim, die Finger von der Sache zu lassen. Doch wer würde glauben, dass der Bestohlene ein Hexer ist? Nur Navajos, oder?

Und was könnte dies alles mit dem Tod und Verschwinden des Sohnes jenes Navajo-Schamanen zu tun haben, mit dem der Bestohlene ein enges Verhältnis hatte? Wer würde einen krebskranken Mann mit einer Bombe töten wollen? Jim Chee sucht im Malpais nach Antworten. Er ahnt nicht, dass dort bereits ein Mörder auf ihn wartet.

Der Autor

Tony Hillerman (27.5.1925 bis 26.10.2008) war ein vielfach ausgezeichneter amerikanischer Kriminalschriftsteller und Autor von Sachbüchern über das Indianerland im Südwesten. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Krimis um die Stammespolizei der Navajos. Sie wurden regelmäßig verfilmt.

Kriminalromane im Diné

The Blessing Way, 1970 (Wolf ohne Fährte, 1972)
Dance Hall of the Dead, 1973 (Schüsse aus der Steinzeit, 1976)
Listening Woman, 1978 (Das Labyrinth der Geister, 1989)
People of Darkness, 1980 (Tod der Maulwürfe, 1982)
The Dark Wind, 1982 (Karo Drei, 1984, unter dem Titel Der Wind des Bösen, 1989)
The Ghostway, 1984 (Das Tabu der Totengeister, 1987)
Skinwalkers, 1986 (Die Nacht der Skinwalkers, 1988)
A Thief of Time, 1988 (Wer die Vergangenheit stiehlt, 1990)
Talking God, 1989 (Die sprechende Maske, 1990)
Coyote Waits, 1990 (Der Koyote wartet, 1992)
Sacred Clowns, 1993 (Geistertänzer, 1995)
The Fallen Man, 1996 (Tod am heiligen Berg, 1998)
The First Eagle, 1998 (Die Spur des Adlers, 2000)
Hunting Badger, 1999 (Dachsjagd, 2001)
The Wailing Wind, 2002 (Das goldene Kalb, 2003)
The Sinister Pig, 2003 (Dunkle Kanäle, 2004)
Skeleton Man, 2004 (Der Skelett-Mann, 2006)
The Shape Shifter, 2006 – ISBN 978-0-06-056347-9

Verfilmungen

Canyon Cop (The Dark Wind), 1991, Regie: Errol Morris, Hauptrollen: Lou Diamond Phillips (Jim Chee) und Fred Ward (Joe Leaphorn)

In einer Filmreihe des US-amerikanischen Senders PBS von Executive Producer Robert Redford und mit Wes Studi (als Joe Leaphorn) und Adam Beach (als Jim Chee) in den Hauptrollen entstanden die Filme
Skinwalkers, 2002,
Coyote Waits, 2003,
A Thief of Time, 2003.

Im Juni 2022 veröffentlichte AMC die Fernsehserie Dark Winds, die auf Hillermans Roman Das Labyrinth der Geister basiert und von Graham Roland entwickelt wurde. Die Hauptrollen spielen Zahn McClarnon und Kiowa Gordon.

Die Übersetzungen der Krimis erscheinen bei Rowohlt, Goldmann und im Unionsverlag, CH.

Handlung

Jim Chee ist bei der Stammespolizei der Navajo-Indianer in ihrer Reservation bei Albuquerque, New Mexico. Eigentlich hat er nur mit Vorfällen zu tun, die aus dem Stammesterritorium stattfinden, aber da manche Ecken des Reservats, das größer ist als Neu-England, seltsam zwischen Navajo- und weißem Besitz aufgeteilt sind, ist es unvermeidlich, dass auch mit weißen Sheriffs kooperiert. Er ist jung und studiert immer noch die sonderbaren Wege des Weißen Mannes, die so ganz anders sind als die eines Navajo. Eines Tages, so plant Jim, wird er ein Heilsänger seines Stammes sein, ein Schamane.

Rosemary Vines ist die zweite Gattin von B.J. Vines, einem durch Uranfunde reich gewordenen Großwildjäger. Dessen Haus steht auf Indianerland. Jim bewundert das Grab eines Navajo namens Dillon Charley, das sich im Garten von Vines‘ Haus befindet. Mrs. Vines meldet einen Einbruchdiebstahl und bietet Jim eine Belohnung von nicht weniger als 3000 Dollar, wenn er die Stahlkassette, in der sich ein paar Erinnerungsstücke ihres Mannes befinden sollen, zurückbringt, bevor dieser von einem Aufenthalt zurückkehrt. Die Kassette befand sich in einem aufgebrochenen Safe im Trophäenraum des Jägers. Nichts sonst wurde angerührt. 500 Dollar kriegt Jim sofort, den Rest im Erfolgsfall. Eine hübsche Summe für ein paar Memorabilien.

Als Jim mit dem weißen Sheriff, einem alten Kerl namens Gordo (= Dicker) Sena, über diese Sache spricht, ergeben sich Verdachtsmomente. Sena ist ein langjähriger Feind von Vines und Dillon Charley, und zwar seit einer Sache vor 30 Jahren. Dieser Dillon Charley war ein Schamane, der den verbotenen Peyote-Kult praktizierte. So soll er nach dem Glauben seiner Anhänger, die sich „Volk der Finsternis“ (s. Titel) nannten, einen Sprengstoffunfall vorausgesehen haben, bei dem Senas älterer Bruder Robert getötet wurde. Sena gibt Charley die Schuld, und weil Vines Charley unterstützte, wurde auch Vines zu Senas Feind.

Vines kehrt zurück und sagt, alles sei ein Irrtum gewesen. Es sei zwar etwas gestohlen worden, aber das sei völlig wertlos. Und bietet 200 Dollar für Jim als Aufwandsentschädigung. Vines ist umgekehrt auch Senas Feind, denn er verdächtigt ihn, damals seinen eigenen Bruder umgebracht zu haben. Allmählich beginnt sich Jim zu wundern, ob in diesem Fall irgendjemand die Wahrheit sagt.

Als er Dillon Charleys Sohn Emerson sucht, der ebenfalls dem Peyote-Kult angehört, erfährt, dass sich Emerson krebskrank in das Krebsbehandlungszentrum die Uniklinik von Albuquerque begeben hat – und dass in genau diesem Moment sein Pickup in die Luft gesprengt worden sei, wobei sechs Menschen, die diesen gerade abschleppen wollten, getötet wurden. Diese ständigen Explosionen beginnt Jim allmählich auch, interessant zu finden.

Nun sucht er Emersons Sohn Tomas, der halb Navayo und halb Navajo ist. Ein Beamter sagt, Tomas sei halb verrückt und habe Visionen, weil er ständig Peyote nimmt. Jim findet Tomas auf eine Auktion von selbstgewobenen Navayo-Teppichen und -Decken, die ein Texaner leitet. Tomas, der völlig normal und zurechnungsfähig wirkt, findet das Verschwinden der Leiche seines Vaters vor zwei Tagen bedauernswert. Davon hört Jim zum ersten Mal. Wie kann in der Welt des weißen Mannes eine Leiche spurlos verschwinden? Dass sich die Cops nicht darum kümmern, wundert ihn nicht. Indianerangelegenheiten haben stets die niedrigste denkbare Priorität. Seinen wachsamen Augen fällt ein hellblonder Weißer auf, der sich ebenfalls suchend umschaut – und der nach der Auktion mit Tomas spricht.

Weil Tomas ihm verraten hat, wo die von ihm geraubte Metallkassette zu finden ist, fährt er mit der Weißen Mary Landon, die er auf der Auktion kennegelernt hat, hinaus ins Malpais, das „schlechte Land“, wie es die Spanier vor Jahrhunderten tauften. Dort erhebt sich ein uralter Vulkan, auf dessen Lavamassen nur die härtesten Pflanzen und genügsamsten Tiere gedeihen. Hier hat Tomas in einer Spalte die Kassette versteckt.

Jim Chee und Mary erleben eine böse Überraschung. Tomas ist erst wenige Minuten tot, und sein Mörder, der blonde Mann, hat es partout darauf abgesehen, unerwünschte Zeugen zu beseitigen …

Mein Eindruck

Der Auftraggeber des blonden Killers ist darauf erpicht, ein dunkles Geheimnis zu schützen und geht dafür über Leichen. Zunehmend nimmt der Buchtitel „Volk der Finsternis“ eine zweite, sinistre Bedeutung an, eine Bedeutung, die nur auf Weiße zutrifft. Es ist Jim Chees Aufgabe, diese ihm fremde Denkweise des weißen Mannes zu ergründen. Nur so kann er das Motiv verstehen, dass den blonden Mann antreibt und das 30 Jahre zuvor sechs Menschen das Leben kostete, verstehen.

Dass das Verbrechen noch weitergeht, belegen die Tode der damals Überlebenden: Sie starben alle durch Krebs. Wie kann das sein, wundern sich die Krebsärzte. Dies ist das zweite Geheimnis, das Jim aufdecken muss. Die Navajo glauben, die Ursache für diese Tode seien Sünden, die das Krebsopfer zu einem Hexer, einem Brujo, gemacht haben. Wie sich herausstellt, kehrt diese Denkweise das Verhältnis zwischen Opfer und Täter um. Aber in der Navajo-Kultur gibt es (noch) keine Vorstellung von absichtlich hervorgerufenem Krebs.

Der Autor macht den Leser durch die Figur des Jim Chee, eines Grenzgängers, mit der Mythologie und Denkweise der Navajo bekannt, wenn auch nicht vertraut – dafür wäre ein anderes Werk vonnöten. Durch die heiligen Wesen Changing Woman und Talking God haben die Navajo Lehren erhalten, wie sie Harmonie (beauty) in allen Lebensdingen erreichen und erhalten können. Diese Haltung ist dem Konkurrenzdenken des weißen Mannes diametral entgegengesetzt. Was das gegenseitige Verständis umso schwieriger macht.

Aber durch First Man kam auch die Sünde in die Welt der Menschenwesen. Er wurde zum Hexer, indem er sich selbst umbrachte und dann wieder neu erschuf. Dies war nötig, weil er die beiden Kardinalsünden des Inzests und des Verwandtenmordes nicht begehen konnte, denn schließlich existierte First Man allein auf der Welt. Dieses Konzept der Selbstvernichtung und Auferstehung erweist sich für Jim Chee als der andere Schlüssel zum Verständnis dessen, was es mit der gestohlenen Kassette auf sich hat.

Der erste Schlüssel ist einfach: Es ist simple Gier. Eine Denkweise, die einem Navajo fremd, einem Weißen aber geläufig ist. Und Gier hat in diesem verschlungenen Fall fast ein Dutzend Menschen getötet …

Vielfach stößt der Leser auf den Navajo-Glauben an die Geisterwelt und die Hexerei. Obwohl Jim Chee, der Heilsänger werden will, an diese Tradition glaubt, steht er ihr kritisch gegenüber, denn er hat Anthropologie und Soziologie bei den Weißen – und sie selbst – studiert. Sein späterer Partner Leaphorn, der hier nur am Rande erwähnt wird, ist noch kritischer und rationaler eingestellt. Sie kommen aber nicht umhin, sich mit den tödlichen Folgen dieses Glaubens auseinanderzusetzen, ganz gleich, ob sie nun daran selbst glauben oder nicht.

Der Originaltitel „People of Darkness“ bezieht sich nicht nur auf ein Volk, sondern auf dessen Totem, den Maulwurf. Dieser lebt im Reich der Dunkelheit und beherrscht die sechste Himmelsrichtung, den Nadir. Dillon Charley, der Schamane, soll diesen Kult gegründet haben, erzählt man Jim zunächst. Doch dann erfährt er, dass es vielmehr der Weiße B. J. Vines, der Dillon und seinen Anhängern die Amulette mit der Form des Totemtiers gab. Und diese Amulette trugen sie stets in ihrem Medizinbeutel bei sich.

Der gewiefte Krimi-Leser wird sofort eine Verbindung zwischen diesen Amuletten, den toten Indianern und den Uranfunden herstellen. Doch für Jim Chee ist dies alles nicht so einfach: Er braucht Beweise. Ganz besonders dann, wenn Leichen anfangen zu verschwinden …

Unterm Strich

Ich habe diesen Hillerman-Krimi in nur einem Tag gelesen. Die Sprache ist wie die Handlung einfach zu verstehen. Der Plot beginnt mit einer Explosion und führt stetig zu einem spannenden Höhepunkt. Die zahlreichen neuen Begriffe aus der Navajo-Kultur und Mythologie kann sich der Leser aus dem Buch selbst erschließen, selbst wenn sich daraus kein zusammenhängendes Bild ergibt.

Jim Chee ist der Führer in dieses unbekannte Land, und unsere Stellvertreterin ist die energische Mary Landon, der durchaus weiß, wie man ein Gewehr handhabt. Aus den Dialogen ergeben sich nicht nur Erkenntnisse zu den Navajos, sondern auch zu den Rätseln des anliegenden Falles. Leider ergibt sich aus der Beziehung dieser beiden Hauptfiguren keine romantische Liebesgeschichte. Offenbar verschwindet Mary wieder, denn Jim Chees Partner ist fortan Lt. Leaphorn von der Stammespolizei. Das werde ich bei den nächsten Hillerman-Krimis überprüfen. Sie liegen schon bereit.

Die Hillerman-Krimis kann ich empfehlen. Sie sind wie die von Robert B. Parker (siehe meine ca. 60 Berichte zu Parker) täuschend einfach gestrickt, führen aber zu überraschenden Ergebnissen. Zudem führen sie den Leser zu neugierig machenden Erkenntnissen, wenn Weiße und Ureinwohner miteinander zu tun haben. Denn die Navajo spiegeln die Mentalität der Weißen, die sie besiegten und beraubten, kritisch wider und erlauben dem weißen Leser, sich selbst und seine soziale Umgebung mit anderen Augen zu sehen.

Kein Wunder also, dass der Autor von den Navajo mit höchsten Auszeichnungen und Ehren bedacht wurde. In Albuquerque ist eine Bibliothek nach ihm benannt. Dass die Fantasyautorin Ursula K. Le Guin, Schöpferin von ERDSEE, nur Hillerman-Krimis liest, leuchtet mir völlig ein. Navajos sind für Weiße wie Aliens: rätselhaft, aber mit einer kompletten Mythologie ausgestattet, die ganz anders als die der Weißen ist.

Taschenbuch: 293 Seiten
ISBN-13: 978-0061099151

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