Hino, Hideshi – Bug Boy (Hino Horror 2)

Band 1: [„Red Snake“ 4094

_Story_

Sanpei Hinomoto ist ein klassischer Verlierertyp, ein Sonderling, der weder von seiner Familie noch von seinem schulischen Umfeld akzeptiert wird. Schlechte Noten entfremden ihn im Elternhaus, seine Vorliebe für Würmer und Ungeziefer jeglicher Art machen ihn zum abstoßenden Beispiel in der Schule. Doch Sanpei erträgt die Schmähungen tagtäglich, denn er hat sich damit abgefunden, dass er anders ist. Und dennoch ist er insgeheim traurig, dass ihm nur Hass und Verachtung entgegenschlagen.

Eines Nachts folgt dann eine entscheidenden Wende in Sanpeis Leben; ein seltsamer roter Wurm beißt ihn und verwandelt Sanpei über Wochen und Monate in ein anderes Geschöpf: Plötzlich ist auch Sanpei ein Wurm, ganz zum Schrecken seiner Eltern, die ihn versteckt halten und ihn und sich für diese neuerliche Entwicklung hassen. Als er schließlich aus seinem Kokon schlüpft und zum Riesenwurm mutiert, setzt ihn seine Familie aus, um sich endgültig von der Last zu befreien. Doch Sanpei geht seinen Weg, durch die Kanalisation über die Berge bis hin zum Meer. Dann jedoch folgt ein weiterer entscheidender Moment in seinem Leben: Er entdeckt seinen tödlichen Stachel und kehrt an den Ort zurück, an dem er einst so grausam gepeinigt wurde.

_Persönlicher Eindruck_

Auch die zweite Episode aus der neuen Reihe „Hino Horror“ ist ein recht extremes, wiederum verstörtes Beispiel aus dem Gesamtwerk des asiatischen Künstlers Hideshi Hino. Der Autor erzählt in diesem Fall die Geschichte eines stets geprügelten Knaben, der von keiner Seite her Anerkennung erfährt und in seiner Rolle als Sonderling nicht toleriert und geduldet wird. Jeden Tag muss er von Neuem heftig einstecken, sei es nun physisch oder mental, und so entwickelt sich ein immer teuflischerer Kreislauf, aus dem Sanpei nicht mehr ausbrechen kann. So sucht er Zuflucht auf einem abgelegenen Schrottplatz, wo er gemeinsam mit einigen verstoßenen Tieren ein zweites Zuhause findet. Sein gesamter Alltag ist mittlerweile darauf ausgelegt, sich hier zu isolieren und zumindest für einige Momente zur Ruhe zu kommen. Seine Passion für die Tierwelt soll ihm eines Tages jedoch zum Verhängnis werden. Er wird von einem giftigen Wurm gebissen und mutiert infolge dessen immer mehr zu einem schleimigen Etwas. Schließlich nimmt er die Gestalt eines Wurms an und kann sich nach einiger Zeit von seiner Familie absondern. Doch sein Leben verbessert sich auch in seiner neuen Ausprägung nicht; selbst am Schrottplatz erfährt er fortan Ablehnung, doch er findet keine Möglichkeit, den immer deutlicher aufsteigenden Hass in irgendeiner Form zu kanalisieren – bis er dann seine tödliche Waffe entdeckt, die in ihm einen Rachedurst weckt, den er selber nicht für möglich gehalten hätte.

Rein strukturell betrachtet ist „Bug Boy“ sicherlich kein außergewöhnlicher Comic: Ein verstoßener Sonderling wird allerorts mit Füßen getreten, isoliert sich schließlich und entdeckt eines Tages ein Mittel, es seinen einstigen Peinigern heimzuzahlen. Allerdings ist das Setting, das Hino hierzu entworfen hat, einzigartig und ebenso sonderbar wie die Gestalt des Sanpei. Wieder einmal richtet sich seine Story an die extremeren Geschmäcker, die hier mit wahrlich abstoßenden Bildern und Inhalten konfrontiert werden und selbst als hartgesottene Vertreter ihrer Zunft ob der krassen Darstellungen ein ums andere Mal werden schlucken müssen. Hino hat jedoch auch ausschließlich unerfreuliche Schauplätze ausgewählt, um die Atmosphäre entsprechend beklemmend zu halten. Sanpei vegetiert in seinem einsamen Zimmer vor sich hin, gerät später in die Kanalisation, fühlt sich an einem Schrottplatz heimisch und treibt sich in den widerwärtigsten Gegenden der Unterwelt herum. Hinzu kommt seine widerliche Art, sich zu ernähren. Der „Bug Boy“ frisst Kadaver von Hunden und Katzen, zwischenzeitlich entdeckt er auch die Leiche eines jungen Babys und entdeckt später seine Vorliebe für Menschenfleisch. Nun mag man konstatieren, dass diese Aspekte für einen derart abschreckenden Horror-Plot ganz gewöhnlich sind, jedoch verdichtet sich dieses ekelerregende Bild von Seite zu Seite mehr und lässt Hino einmal mehr als Meister der extremen Inszenierung zurück.

Zu extreme Form gilt zweifelsohne auch die nüchterne Erzählstruktur; Hino lässt bewusst keine Spannung aufkommen und führt in „Bug Boy“ eine Art Tagebuch aus der Sicht des Protagonisten, der immer mehr ins Verderben gerät. Dabei arbeitet er auch kontinuierlich mit Kontrasten und lässt den Jungen bzw. den Wurm nie über seine Situation jammern – obwohl dies die menschlichste Reaktion wäre. Aber wie auch schon im vorangegangenen Band des „Hino Horror“ sind Gefühlsregungen und echte Emotionen hier fehl am Platze, wodurch diese dichte, beängstigende Atmosphäre jedoch weiter verstärkt und der Inhalt letztendlich intensiviert wird. Alles in allem hat der berüchtigte Autor mit „Bug Boy“ ein kleine Meisterwerk des asiatischen Horrors geschaffen und dadurch auch einen weiteren Grundstein für seine Anerkennung auf dem deutschen Markt gesetzt. „Hino Horror“ etabliert sich nicht zuletzt dank dieser zweiten Ausgabe sehr schnell zu einem echten Trademark, das wirklich keinen Fan des Genres kaltlassen sollte.

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