Der 8. September 1966 markierte den eher unauffälligen Start einer etwas obskuren TV-Serie, die sich dank ihres Schöpfers Gene Roddenberry, aufgrund ihres zeitlosen Konzepts und durch die intensive Liebe einer stetig wachsenden Fangemeinde sehr langsam aber sicher zu einem Medienkult, zu einem Kulturphänomen und zu einem wirtschaftlich eindrucksvollen Franchise entwickeln konnte. 40 Jahre später besteht das „Star Trek“-Universum aus sechs TV-Serien mit insgesamt 726 Episoden, aus zehn Kinofilmen, aus Romanen und Comics in dreistelliger Bandnummernzahl, aus zahlreichen Videospielen und unzähligen Merchandising-Artikeln. „Star Trek“ begeistert, bewegt und bindet Menschenmassen, hat sich längst verselbstständigt, vermag selbst das Kappen seiner TV-Wurzeln zu überstehen und wurde fest ins „Trekker“-Leben integriert.
In vierzig Kapiteln gehen die beiden Autoren dieses Jubiläumsbuches dem „Star Trek“-Mirakel auf den Grund. Die große Zahl macht es verständlicherweise unmöglich, auf jedes davon einzugehen. Insgesamt orientiert sich die Darstellung an der „Star Trek“-Chronologie der Jahre 1966 bis 2006. Folgerichtig steht zunächst die Vorgeschichte im Mittelpunkt, wobei sich diese auf die Figur des „Star Trek“-Schöpfers Gene Roddenberry konzentriert. Im Überblick gehen die Verfasser auf alle TV-Filme und die Kinofilme und die zeitgleich erfolgenden Veränderungen hinter den Kameras ein.
Zwischen diese Kapitelblöcke werden immer wieder Zusatzinfos gestellt. Die Einschübe tragen manchmal seltsame Titel wie „Ein Glatzkopf als Captain“, doch die meisten Texte liefern interessante „Star Trek“-Informationen (z. B. über die Schwierigkeiten, die Serie halbwegs originalgetreu einzudeutschen, das Regelwerk, dem ein „Star Trek“-Buchautor unterliegt oder die Umtriebe im „Trek“-Merchandising).
Berichtet wird ausführlich über das Fandom, dessen Mitglieder in Fernsehberichten publicitywirksam gern als verkleidungssüchtige Träumer & Trottel verunglimpft werden. Höhl & Hillenbrand berichten, was wirklich vorgeht hinter den Kulissen einer „Star Trek“-Convention.
Unterfüttert werden viele Informationen durch Interviews. Erstaunlich offen äußern sich „Star Trek“-Veteranen von vor und hinter der Kamera, aus dem Fandom oder den eher geschäftsorientierten Abteilungen des Franchises über ihre Arbeit, die keineswegs im Umfeld Roddenberryscher Einigkeit abläuft, sondern von heftigen Auseinandersetzungen um den schnöden Mammon und Machtkämpfe geprägt wird.
Die Abbildungen beschränken sich auf wenige Schwarzweißfotos sowie eine längere Farbfotostrecke, die vor allem Bilder der „Star Trek“-Darsteller zeigen, die sich auf Conventions ihren Fans stellen. Immer wieder in den Haupttext eingeschoben finden sich grau unterlegte Boxen, in denen primär deutsche Trekker ihren Gedanken zu 40 Jahren „Star Trek“ Ausdruck verleihen. Eingeleitet wird „Dies sind die Abenteuer …“ vom deutschen „Trek“-Spezialisten Ralph Sander und seinem „Kollegen“ Klaus N. Frick (der freilich vor allem die Werbetrommel für „seinen“ „Perry Rhodan“ rührt, den er als Chefredakteur betreut), am Ende steht ein Register, das die Suche nach Namen, Orten und Sachstichworten ermöglicht.
„Star Trek“ ist tot – es lebe „Star Trek“! Nach dem Doppeldesaster von 2005 – „Star Trek – Nemesis“ legte im Kino, „Star Trek – Enterprise“ im Fernsehen eine Bruchlandung hin – sah es so aus, als sei das Franchise am Ende. In Deutschland sind sogar die Romane zu den diversen Serien vom Markt verschwunden. Wenn es einen „Anlass“ gab, das Jahr 2006 in die „Star Trek“-Chronologie aufzunehmen, so zunächst nur deshalb, weil das „Trek“-Studio Paramount die Magazine leerte und im Rahmen einer Großauktion quasi alle Requisiten aus vier Jahrzehnten „Star Trek“ unter den Hammer wandern ließ.
Doch ein echter Kult kann zwar wanken, wird aber selten stürzen. Die Fans, an die im hier vorzustellenden Buch besonders gedacht wurde, scheren sich nicht um primär finanziell ausgerichtete Studiointeressen, sondern frönen – auch in Deutschland – ihrem Hobby „Star Trek“ auch in der Krise. Dennoch bleibt zu fragen, ob „Dies sind die Abenteuer …“ erschienen wäre, hätte das Franchise nicht unerwartete Schützenhilfe durch den Drehbuchautor („Lost“) und Regisseur („Mission Impossible III“) J. J. Abrams bekommen, der zur Zeit in Hollywood ganz oben steht und den die Studiobosse deshalb ordentlich bauchpinseln. Dieser Abrams ließ also durchblicken, einen „Star Trek“-Kinofilm drehen zu wollen – und es ward ihm genehmigt!
Der Zug zu den Sternen wird also fortgesetzt, und in der ruhigen Gewissheit dieser erfreulichen Tatsache lässt sich umso besser Rückschau halten. Keine einfache Aufgabe ist es, welche die beiden Autoren sich gestellt haben. Zum einen lassen sich vierzig ereignisreiche Jahre schwer auf knapp 450 Seiten zusammenfassen. Andererseits ist Deutschland auch in Sachen Hintergrundinfos keine „Star Trek“-Diaspora! Allein Ralph Sander hat in den 1990er Jahren im |Heyne|-Verlag vier voluminöse Bücher zum Thema verfasst. Sehr richtig beschlossen Höhl & Hillenbrand deshalb, sich für die Jahre vor 1998 – hier erschien Sanders „Star Trek-Universum“-Band 4 – auf die grundsätzlichen Informationen zu beschränken, sich stattdessen auf das in zehn Jahren neu aufgelaufene Wissen zu stützen und dem Sander-Quartett quasi einen fünften Band folgen zu lassen; es ist genug geschehen, das eine solche Fortsetzung rechtfertigt.
Lobenswert ist weiterhin der Verzicht auf ausufernde Inhaltsangaben. Vor allem recherchefaule Autoren füllen ihre Bücher mit solchen Nacherzählungen und vielen Fotoseiten. Höhl & Hillenbrand wählen den schwierigen Weg: Sie liefern echte Informationen, und sie sparen nicht damit, reihen nicht Anekdote an Anekdote, verzichten auf Hörensagen, stellen die „Apokryphen“ der „Star Trek“-Story als solche vor, stellen Gerüchte richtig, weisen auf unterschiedliche Überlieferungen hin, ohne stets die Fakten rekonstruieren zu können.
Vor allem schauen sie hinter die Kulissen und hinter die Fassade der Friede-Freude-Eierkuchen-Welt, als die sich das offizielle „Star Trek“ gern präsentiert. Zwar sickerte in den vergangenen Jahren im Zeitalter des Internets viel Internes durch, das wenig gemein hatte mit der glanzvollen Zukunft Gene Roddenberrys, in der angeblich nicht mehr der Drang nach Geld und Macht, sondern der Wissensdurst und die Arbeit an einem „besseren“ Menschen den Zeitgenossen prägen wird.
Doch auch hier gibt es Missverständnisse, Falschmeldungen, Fehlinterpretationen, die Höhl & Hillenbrand aufzuklären versuchen. Sie profitieren dabei vom Kontakt zu „Eingeweihten“, die sich manchmal erstaunlich offen äußern, wenn sie sich im fernen Europa dem Maulkorb des Studios entronnen wähnen. Dabei wühlt das Autorenduo nicht in schmutziger Wäsche, sondern liefert ein vollständiges Bild des „Star Trek“-Phänomens, das seine lichten wie dunklen Seiten aufweist.
Dass sich „Dies sind die Abenteuer …“ durchweg spannend und flüssig liest, liegt an der Fähigkeit der Autoren, den umfangreichen Stoff nicht nur überzeugend zu gliedern, sondern ihn auch in ansprechender Sprache zu vermitteln. Gerade im fannischen Bereich scheint die Artikulation in grammatisch korrekten Sätzen eine aussterbende Kunst zu sein. Höhl & Hillenbrand zeigen, dass man sich niveauvoll auch in einfachen Worten verständlich machen kann, ohne in die Niederungen des aktuellen SMS-Pidgins zu geraten.
Zwar zuletzt aber dafür mit Nachdruck sei darauf hingewiesen, dass der |Heel|-Verlag dieses lesenswerte Buch für 12,95 Euro feilbietet. Das ist definitiv ein Schnäppchen. Nicht nur eingefleischte „Star Trek“-Fans sollten hier schwach werden, sondern auch jene, die bisher wenig am Hut haben mit dem „Star Trek“-Universum.
Thomas Höhl (geb. 1967) ist hauptberuflich als Jurist in einem Fachverlag tätig. Darüber hinaus schreibt er (hauptsächlich für das SF/Fantasy-Magazin „Space View“) über „Star Trek“ und andere Genre-Serien; er hat zu diesem Thema auch mehrere Bücher verfasst.
Mike Hillenbrand (geb. 1972) drehte mehrere Jahre die Dokumentationsvideos zur „FedCon“, der größen „Star Trek“-Convention Europas, und kam dabei mit vielen bekannten oder wichtigen Personen aus dem „Trek“-Franchise in Kontakt. Er arbeitet als Moderator für Radio und Fernsehen und ist als Genre-Rezensent und –Berichterstatter in den Printmedien und im Internet vertreten.
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