Hohlbein, Wolfgang – Horus

_Handlung_

Die ägyptische Katzengöttin Bast(et) kommt im Jahre 1888 nach London, um ihre Schwester Isis zu suchen, die sich in der Hauptstadt des britischen Empires aufhalten soll. Doch kaum hat sie das Schiff verlassen, wird sie von einem Falken angegriffen, den sie gerade so abwehren kann. Sind Isis und sie nicht die einzigen ägyptischen Götter in London?

Auf der Suche nach ihrer Schwester gelangt Bast ins Londoner East End. Doch dort treiben nicht nur Gottheiten ihr Unwesen, sondern auch ein Serienkiller: Jack the Ripper. Schon bald findet sich die Katzengöttin in einem Wirbel aus alten Verbindungen, Gefühlen, Verdächtigungen und unbändigem Hunger wieder …

_Der Autor_

Wolfgang Hohlbein wurde am 15. August 1953 in Weimar geboren und ist Deutschlands erfolgreichster Phantastik-Autor. Er lebt mit seiner Frau Heike und seinen sechs Kindern, umgeben von einer Schar Katzen, Hunde und anderer Haustiere, in der Nähe von Neuss. In Krefeld absolvierte er seine Schule und später eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Laut einer Aufstellung im |Focus| (Nr. 40, November 2006) liegt die Gesamtauflage von Wolfgang Hohlbeins Büchern bei 35 Millionen Exemplaren. Er ist damit „einer der erfolgreichsten deutschen Autoren der Gegenwart“. Er hat bereits 160 Romane verfasst, den überwiegenden Teil alleine, etliche Kinder- und Jugendbücher gemeinsam mit seiner Frau Heike und einige wenige Erwachsenenromane mit Co-Autoren. Zudem hat er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten: vom „Preis der Leseratten“ 1983 bis zum „Bester Autor National“ Deutscher Phantastik-Preis 2004, dem Sondermann-Preis auf der Buchmesse 2005 und dem |Nyctalus| im November 2005.

_Ist „Horus“ der Nachfolgeband von „Anubis“? _

Wer erwartet hat, dass „Horus“ eine Fortsetzung von Hohlbeins Roman „Anubis“ aus dem Jahre 2005 ist, ist schief gewickelt. Diese beiden Bücher haben genau eines gemeinsam: Ihr Titel ist der Name einer altägyptischen Gottheit. Das war es aber auch schon. Doch wie kommt es dazu, dass immer wieder von einer Fortsetzung die Rede ist, obwohl die beiden Romane eigentlich nichts gemeinsam haben? Bereits nach kurzer Recherche ist mir dann bei |amazon.de| folgender Text aufgefallen, der dort als vermeintlicher Klappentext angegeben ist:

|Irgendwo im Nordatlantik. In der Nacht vom 13. auf den 14. April 1912 stößt die RMS Titanic, das größte Passagierschiff seiner Zeit, mit einem treibenden Eisberg zusammen. An Bord bricht Panik aus. Besatzung und Passagiere versuchen, sich in die wenigen Boote zu retten. Von den 2208 Menschen an Bord überleben nur 704. Unter den Vermissten ist auch Mogens Van Andt, ein amerikanischer Professor für Archäologie, der von seinen Forschungen am Britischen Museum zurückkehrt. Aber Van Andt ist nicht tot. Zusammen mit einer Gruppe von Passagieren ist es ihm gelungen, sich auf den Eisberg zu retten, mit dem das havarierte Schiff zusammenstieß. Während der Berg durch Nacht und Nebel einem unbekannten Ziel entgegentreibt, entdeckt Mogens einen Weg in das Innere des Eises. Und dort, seit Jahrtausenden eingehauen im Eis, findet er Zeichen von einer Art, die es hier nicht geben dürfte. Zeichen, die an ägyptische Hieroglyphen erinnern. Unter ihnen ist das Zeichen des Horus.| (Verlagstext)

Eben jener Mogens Van Andt ist der Protagonist aus „Anubis“. Nur weiß ich leider nicht, wie die Texter darauf kommen, |denn nichts was in diesem vermeintlichen Klappentext beschrieben wird, kommt auch nur im Geringsten in „Horus“ vor|. Die Handlung spielt 1888 in London und nicht 1912 auf einem Schiff, und der bereits erwähnte Mogens Van Andt taucht überhaupt nicht auf. Ebenso wenig befasst sich „Horus“ im Gegensatz zu „Anubis“ mit dem Cthulhu-Mythos von H. P. Lovecraft. Also aufpassen und nicht in die Irre führen lassen!

_Mein Eindruck_

Dass „Horus“ ein komplett eigenständiger Roman ist, hat folgenden Vorteil: Man muss die unsäglich schlechte Lovecraft-Hommage „Anubis“ nicht gelesen haben. Vielmehr bewegt sich Hohlbein dieses Mal auf eigenen Beinen und verknüpft geschickt die altägyptische Mythologie mit dem modernen Mythos um den Jack the Ripper genannten Serienmörder. Hierbei gefällt mir sehr gut die von Hohlbein geleistete Recherchearbeit. So finden sich immer wieder real aufgefundene und belegte Spuren aus der damaligen Zeit im Text wieder, die er geschickt in seine Story einwebt und interpretiert. Das beste Beispiel hierfür sind die die vermeintlichen Ripper-Briefe oder das Kreide-Graffiti, welche es ja wirklich gegeben hat.

Selbstverständlich bewegt sich Hohlbein in einem fiktiven Mix aus Fantasy und Horror, was ja schon seine Protagonistin Bastet, die altägyptische Katzengöttin, sofort deutlich macht. Hierbei gibt er den „Göttern“ aber durchaus Schwächen bei, so dass sie nach christlicher Definition eigentlich keine Götter sind. Man könnte sie eher als übernatürlich starke, mächtige und langlebige Menschen bezeichnen. Dass sie sich von der Lebensenergie der Menschen nähren, rückt sie auch ein wenig in die Richtung des Vampir-Mythos, auch wenn sie ihre Opfer nicht beißen. Dass das nicht zwangsläufig einen Vampir definiert, hat Hohlbein aber auch schon in seinem Roman „Dunkel“ gezeigt. Doch ich schweife ab.

Die Handlung erscheint mir leider ein wenig konzeptlos. Bastet läuft ständig durch London und trifft dabei auf Schläger, Prostituierte oder Götter und gerät in Whitechapel mitten in die Aufklärung der Rippermorde. Dabei regt sie sich ständig selber darüber auf, dass sie den Leuten zu viel erzählt, nur um das Gleiche auf der nächsten Seite wieder zu tun. Ehrlich gesagt nervt das auf die Dauer schon ein wenig. Trotzdem gelingt es Hohlbein aber vorzüglich, eine Stimmung aufzubauen, die dem Gaslaternenzeitalter und dem Ambiente im Londoner East End sehr nahe kommt. Man sieht sich förmlich selber durch den berühmten Nebel an der Themse waten und nach dem Ripper Ausschau halten.

Auch die Charaktere sind dem Autor sehr gut gelungen; ob nun Kapitän Maistowe, Mrs. Walsh oder Inspektor Abberline. Dabei scheint Hohlbein eine Schwäche für extrem religiöse ältere Damen zu haben, denn schon in „Anubis“ mit Betty Preußler tauchte eine solche auf. Diesen Part übernimmt dieses Mal nahtlos die resolute Mrs. Walsh. Selbstverständlich dürfen auch die schon so häufig zitierten „überraschenden Wendungen“ nicht fehlen, wobei sich Hohlbein darauf wirklich meisterlich versteht. Hierdurch erreicht er, dass der teilweise etwas konzeptlose Plot durchaus ausgeglichen wird.

Die Aufmachung des Buches ist dem |Lübbe|-Verlag sehr gut gelungen, denn sowohl das Buchcover als auch die Gestaltung der Kapitelanfänge und die Papierqualität sind sehr ansprechend geraten.

_Fazit_

„Horus“ ist eine gut lesbare Mischung aus Kriminalfall und Mythologie, der aber, um wirklich hochklassig zu sein, der Tiefgang fehlt. Hohlbein erzählt wie gewohnt sehr bildreich und flüssig, was diesen Roman zu einem vergnüglichen und kurzweiligen Lesespaß macht.

http://www.luebbe.de

_Wolfgang Hohlbein auf |Buchwurm.info|_ (Auswahl):

[„Anubis“ 2826
[„Das Paulus-Evangelium“ 2630
[„Das Paulus-Evangelium“ 4007 (Hörbuch)
[„Von Hexen und Drachen. Das große Wolfgang-Hohlbein-Buch“ 3470
[„Das Blut der Templer“ 3235
[„Fluch der Karibik 2 – Dead Man’s Chest“ 2717
[„Die Zauberin von Märchenmond“ 2053
[„Märchenmond“ 1882
[„Hagen von Tronje“ 1860 (Hörbuch)
[„Feuer“ 816
[„Dunkel“ 552 (Hörbuch)
[„Dunkel“ 69
[„Der Hexer von Salem“ 249
[„Intruder“ 144 (Hörbuch)

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