Hohlbein, Wolfgang / Lüftner, Kai / Weick, Kathrin – Kevins Reise (inszenierte Lesung)

Drogen und Gral: Abenteuer im heiligen Land

„Kevin von Locksley:“ Mittelalter in England. Eines Tages taucht ein seltsamer junger Mann in den Wäldern um Nottingham auf. Er nennt sich Kevin von Locksley und behauptet, der leibhaftige Halbbruder des legendären Robin Hood zu sein. Niemand glaubt ihm, doch Kevin kann seine Behauptung mit Brief und Siegel belegen – und er weiß etwas, was sonst niemand im Lande weiß: Der tapfere König Richard Löwenherz soll Opfer einer großen Verschwörung werden.

Die Fortsetzung in „Kevins Reise“: Kevin reist ins Heilige Land, um den König vor der Verschwörung Gisbornes zu warnen. Wird der Junge dieser großen Aufgabe gerecht werden? Denn auch Kevins alter Erzfeind Hasan as Sabah taucht in Palästina auf. Nun gerät nicht nur das Leben des Königs, sondern die Zukunft ganz Englands in Gefahr, von Kevin ganz schweigen.

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab zehn Jahren.

Der Autor

Wolfgang Hohlbein, geboren 1953 in Weimar, hat sich seit Anfang der Achtzigerjahre einen wachsenden Leserkreis in Fantasy, Horror und Science-Fiction erobert und ist so zu einem der erfolgreichsten deutschen Autoren geworden (Auflage: 35 Millionen Bücher laut |Focus| 40/2006). Zuweilen schreibt er zusammen mit seiner Frau Heike an einem Buch. Er lebt mit ihr und einem Heer von Katzen in seinem Haus in Neuss.

Der Sprecher

Timmo Niesner begann bereits im Teenageralter beim Fernsehen. Es folgten viele weitere TV-Rollen. Er ist die deutsche Synchronstimme von Elijah Wood, des Frodo in Peter Jacksons Verfilmung von „Der Herr der Ringe“, und vielen weiteren Schauspielern. (abgewandelte Verlagsinfo)

Bei diesem Hörbuch handelt es sich um die inszenierte Lesung der bearbeiteten (= gekürzten) Textfassung. Für die Redaktion zeichnete Kai Lüftner verantwortlich, Regie führte Kathrin Weick, die Musik trugen Andy Matern, Dicky Hank und Dennis Kassel bei. Hank und Fabian Frischkorn besorgten auch die Inszenierung. Die Aufnahme leiteten die d.c. Studios, NRW-Berlin.

Handlung

Kevin wandert mit seiner Freundin Susan, der Freundin von Lady Marian, an der Meeresküste Palästinas entlang, um König Richard Löwenherz vor einem Anschlag des Sheriffs Gisborne von Nottingham zu warnen. Doch der König scheint ihnen seit drei Wochen immer einen oder zwei Tage voraus zu sein, wenn er Richtung Jerusalem zieht. Da tauchen auf einmal zwei schwarzgewandete Reiter auf und dann noch zwei hinter ihnen. Es ist eine Falle. Diese Typen sehen aus wie Hasan as Sabah, der Zauberer, dem Kevin in Nottingham begegnete.

Sie treiben die beiden Christen ins Meer. Einer überwältigt Kevin und droht, ihn zu ersäufen. Da merkt Kevin, dem schon die Luft ausgeht, wie der andere plötzlich nachlässt. Er taucht auf und erblickt den Pfeil, der im Rücken seines Angreifers steckt. Ein grüner Ritter schießt auf die Angreifer, er kommt wie gerufen. Kevin macht seine kleine Armbrust fertig und steht seinem Retter bei. Zusammen schlagen sie die Schwarzgekleideten in die Flucht. Das seien die Haschischin, sagt der Ritter. Er verrät zwar seinen Namen nicht, und sein Gesicht ist hinterm Visier versteckt, doch er hilft ihnen mit Richtungsangaben. Sie seien ganz woanders als angenommen. Sprach’s und ritt von dannen. Sie werden ihn wiedersehen, das ist sicher.

Leider kommt sein Rat nicht rechtzeitig, denn als nächstes laufen Kevin und Susan Saladins Heer in die Arme. Sein Widerstand wird schnell überwunden, und als er gefesselt aus einer Ohnmacht aufwacht, beschuldigt ihn Saladin selbst, für Richard Löwenherz zu spionieren. Doch Kevin sagt nichts. An Flucht ist kaum zu denken. Als man ihn in Saladins Zelt bringt, steht dort ein schwarzgekleideter Haschischin, der Kevins Herausgabe verlangt. Saladin lehnt ab und lässt den Mann enthaupten.

Dann soll ihm Kevin alles über den grünen Ritter erzählen, der die Haschischin vertrieben hat. Saladin ist ein intelligenter Bursche und kennt sich aus. Er sagt, Hasan as Sabah sei der Herr der Haschischin bzw. Assassinen, den man den „Alten vom Berge“ nennt. Er sei mit dem Teufel im Bunde. Kevin schluckt bei dieser erneuten Warnung vor den finsteren Kräften des Zauberers. Saladin lässt seine zwei jungen Gefangenen am Leben, doch bis zur Schlacht bleiben sie eingesperrt. Und die soll bereits am nächsten Tag stattfinden.

Doch in der Nacht davor verhilft ihnen ein Unbekannter zur Flucht. Oder ist auch dies nur eine Falle?

Mein Eindruck

Vom kühlen, feuchten Sherwood Forest Englands ins heiße, staubige Palästina – das ist ein bemerkenswerter, abrupt herbeigeführter Wechsel des Schauplatzes und der Lebensbedingungen. Man fühlt sich an Kara Ben Nemsis Reisen durch die tiefe Wüste erinnert, und in einigen Romanen Karl Mays spielen Palästina und der Vordere Orient ja auch eine Rolle.

Diesmal haben wir es jedoch mit dem mittlerweile verbreiteten Untergenre des Kreuzfahrerromans zu tun. Ähnlich wie in „Königreich der Himmel“ können wir uns Landschaft, Bauten und Kriegsbeteiligte vorstellen. Auf der einen Seite sind da die christlichen Eroberer um Richard Löwenherz, auf der anderen die muslimischen Verteidiger unter Saladin.

Zwischen diesen Fronten bewegen sich nun zwei Gruppen unsicherer Loyalität – aus Sicht der Kriegsparteien. Da kommt also ein junger Bursche aus England und will Richard vor einem Attentat warnen. Warum sollte er kein Spion des Gegners sein, fragt sich König Richard, zumal dieser Kevin überhaupt kein Beglaubigungsschreiben vorweisen kann – und überlässt den Burschen der anderen Drittpartei: den Haschischin.

Das sind nun wirklich üble Zeitgenossen. Es hat den Orden wirklich gegeben, und auch der „Alte vom Berge“ ist historisch verbürgt. Von „Haschischin“, den Hasch-Rauchern, leitet sich der Begriff „Assassinen“ bzw. das englische Wort „assassin“ für Attentäter ab. Um ihrem Namen Ehre zu machen, setzen sie denn auch die arme Susan unter Drogen und drohen, sie lebenslänglich abhängig zu machen, falls Kevin nicht willfährig ist.

Zum Glück gibt es in diesem Pokerspiel noch einen Joker. Das ist der geheimnisvolle grüne Ritter, genauer gesagt Sarim von Alexandria. Diese Figur erinnert an das mittelalterliche Versepos über „Ritter Gawain und den grünen Ritter“. Als Kevin ihn kennenlernt, enthüllen sich ihm zahlreiche Geheimnisse, die hier nicht aufgezählt werden dürfen, soll die Spannung erhalten bleiben. Jedenfalls bringt Sarim eine gute Portion Gralsmystik in die Handlung ein. Aber ob dies Susans Leben retten kann, bleibt zu bezweifeln.

Jedenfalls bis ganz zum Schluss. Denn dann geht, wie in jedem Hohlbein-Roman, so richtig die Post ab. Da kloppen sich Sari, Kevin und die Haschischin nach Herzenslust. Doch Kevin steckt in der Klemme: Soll er zuerst Sarim beistehen und dann Susan vor Hasan retten – oder doch lieber umgekehrt? Er versucht sein Möglichstes, und es scheint auch fast zu genügen. Zum Glück trifft dann aber doch noch die „Kavallerie“ ein, um die Lage für die „Guten“ zu bereinigen. Ob das Susan noch hilft, ist nun Kevins dringlichste Sorge.

Die Inszenierung

Bei diesem Hörbuch handelt es sich um eine inszenierte Lesung, wie sie in dieser |Wellenreiter|-Reihe öfters auftaucht. Das ist für ein junges Publikum einfach unterhaltsamer als eine pure Textlesung.

Der Sprecher

Der Sprecher erzählt alle Vorgänge aus dem Blickwinkel der Hauptfigur Kevin. Da dieser ein 15-jähriger Junge ist, klingt die jugendlich wirkende Stimmlage des Sprechers sehr passend. Und dies ist die deutsche Stimme Elijah „Frodo“ Woods, dürfte also jedem vertraut sein, der Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Verfilmung gesehen hat (und das waren ja nicht wenige). Doch Kevin ist kein zweiter Frodo, sondern ein junger Mann, der auf Kämpfe brennt, um seinen König, den geliebten Richard Löwenherz, zu schützen. Susan verfügt natürlich über eine etwas höhere Stimmlage als ihr Begleiter Kevin. Einmal spricht sie sogar unter Drogeneinfluss und klingt ziemlich „happy“.

Die Schurken haben entweder sehr verschlagene Stimmen wie Hasan oder sehr autoritäre wie etwa der Saladin oder Richard Löwenherz. Hasan spricht mit einem schweren orientalischen Akzent, der wohl andeuten soll, dass er Maure ist (nicht notwendigerweise Araber, denn Mauren gab es auch in Spanien). Der grüne Ritter tritt mit tiefer Stimme auf, wie es sich für Ritter geziemt.

|Musik und Geräusche|

Schon beim ersten Kampf hören wir Schwerter klirren, aber so gedämpft im Hintergrund, dass der Vortrag im Vordergrund nicht überdeckt oder gestört wird. Dieses Gestaltungsprinzip gilt für alle Geräusche, insbesondere für die Massenszenen und die Kämpfe. Man darf sich also keinen Film-Sound darunter vorstellen. Als Saladins Heer vorüberzieht, ertönt ein dumpfes Donnern, das eine indirekte Fortsetzung der Trommeln ist, die stets Action andeuten und untermalen.

Die Musik tut wenig, um auf sich aufmerksam zu machen, sondern beeinflusst die Gefühle des Zuhörers unterschwellig. So unterstreichen beispielsweise mittelalterliche und orientalische Klänge die Tatsache, dass sich Kevin und Susan nun im Vorderen Orient befinden. Als Kevin die magische Rubinkugel gezeigt bekommt, erfüllt eine mystische Musik den Klangraum, die ich mal als „äolisch“ charakterisieren möchte. Verknüpft ist dieser Klang mit Hall- und Echo-Effekten.

Ein wiederkehrendes Musikmotiv ist mehr ein sehr tiefer Sound: Mit diesem Klang wird immer wieder der Auftritt des maurischen Hexers Hassan verknüpft, so dass der dadurch konditionierte Zuhörer schon ohne Namen weiß, wer nun gleich auftritt. Um anzuzeigen, dass die Magie des Hexers auf die Menschen wirkt, hat die Tonregie einen undefinierbaren Sound eingesetzt, der sowohl das Element des Unheimlichen wie auch des Mystischen in sich vereint.

|Das Booklet|

Das Booklet listet zunächst die Mitarbeiter an dieser Produktion auf, beschreibt dann aber kurz die Geschichte des realen Königs Richard Löwenherz, der England von 1189 bis 1189 regierte und am dritten Kreuzzug teilnahm. Auf der Rückreise von Jerusalem, wo er mit Saladin Frieden geschlossen hatte, wurde Löwenherz in Österreich gefangen genommen und erst Jahre später gegen Lösegeld freigelassen. Während dieser Zeit riss sein Bruder John I Ohneland (John Lackland) die Herrschaft an sich. Gemäß der Legende bekämpfte Richards treuer Vasall Robin Hood dessen Schreckens- und Unrechtsherrschaft.

Unterm Strich

Ich hätte mir die Geschichte an etlichen Stellen actionreicher gewünscht. Nach dem anfänglichen Geplänkel treffen Kevin und Susan zwar etliche Schicksalsschläge, doch auf den großen Actionknaller muss man bis zum Showdown warten. Auch die Schlacht zwischen Löwenherz und Saladin wird nicht „gezeigt“, so dass man sich wirklich in Geduld fassen muss. Durch die Gefangennahme Susans durch Hasan steigt jedoch der Spannungspegel ganz erheblich an.

Immerhin erhält man so Gelegenheit, mit Kevin & Susan die beiden Fronten in Palästina kennenzulernen. Dieser muslimische Heerführer ist nämlich keineswegs ein Unmensch, sondern versucht, die beiden „Spione“ mit Worten zur Aussage zu bewegen. Gewalt lässt er dennoch walten, zum Glück jedoch gegen einen der Haschischin.

Zum Thema Richard Löwenherz trägt die Geschichte nichts Neues bei, dafür kommt der grüne Ritter wesentlich besser zur Geltung. Dieser Typ hat so etwas wie den heiligen Gral gefunden und erinnert ein wenig an die Ritter der Tafelrunde. Moderne Kinofans denken da wohl eher an den dritten Indiana-Jones-Film, mit Kevin als Indy.

Der Gral, Symbol des christlichen Heilsversprechens, ist das genaue Gegenteil zu Hasans Rauschgift, mit dem dieser seine Macht auf Susan und Kevin ausübt. Der Gral hingegen hat „nur“ die Macht, einen Kranken oder Bedürftigen zu heilen. Doch nicht jeder ist dieser Heilung würdig, was die Sache für Susan ziemlich spannend macht.

Das Hörbuch

Der Sprecher trägt einen großen Teil dazu bei, dass die Handlung den Hörer mit Action, Magie und Humor unterhält. Die Musik und die Geräusche stören seinen Vortrag nicht, sondern unterstützen die Emotionalität der Szenen und vermitteln mit gedämpften Hintergrundgeräuschen einen realistischeren Eindruck. Das werden vor allem junge Hörer unterhaltsamer finden als einen puren Vortrag.

Leider hat dieser Aufwand – und vielleicht auch der Autor – auch einen Preis, und für die zwei CDs muss man knapp 15 Euro hinblättern. Aber es lohnt sich.

144 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3572-5
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http://www.wellenreiter.la
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